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Rechtsextremismus in der Polizei – „Schwarze Schafe“ oder strukturelles Problem?

Eine lebhafte Debatte fand am 23. März während einer Online-Veranstaltung statt. Eingeladen hatte Bündnis 90/Die Grünen Gelsenkirchen die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Britta Zur und die Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, promovierte Kriminologin und ehemalige Polizeibeamtin. Die gut besuchte Veranstaltung war vom Kreisvorsitzenden Jan Dworatzek moderiert worden. Die Einladung war sehr forsch formuliert. Unter der Überschrift „Rechtsextremismus bei der Polizei: Was tun gegen institutionellen Rassismus?“ hieß es in der Einladung: „Gewalt gegen People of Color, Racial Profiling und rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei – von Einzelfällen spricht selbst Innenminister Herbert Reul nicht mehr. Rassismus bei der Polizei und in weiteren Sicherheitsbehörden war in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder Anlass für Diskussionen. Doch was können wir gegen Rechtsextremismus bei der Polizei effektiv unternehmen?“ Inzwischen hat auch die WAZ darüber berichtet.

Mit Britta Zur präsentierte sich in der Veranstaltung eine moderne Polizeipräsidentin, die für Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit steht. Zudem hatte eine ihrer ersten öffentlich bekannt gewordenen Maßnahmen darin bestanden, im März 2020 den Polizeibeamten Martin Jansen, damals Mitglied der AfD-Ratsfraktion, aufgrund öffentlich bekannt gewordener Vorwürfe vom Dienst zu suspendieren. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der Diskussion machte sie deutlich, dass für Rechtsextremismus in der Polizei kein Platz sei. Allerdings wurde auch deutlich, dass ihr Blick stark nach innen fokussiert ist. Sie schilderte, welche Belastungen die Polizeibeamt:innen in ihrem Dienst ausgesetzt sind und erklärt daraus auch die Entstehung rechtsextremer oder rassistischer Einstellungen. Jedoch betonte sie stets, dass es sich um Einzelfälle handele und Rechtsextremismus oder Rassismus kein strukturelles Problem sei. Daraus schlussfolgerte sie einen durchaus sinnvollen und richtigen Dreiklang aus Rotation, Supervision und Weiterbildung.

Nicht wahrnehmen wollte sie, das die Polizei kein Spiegelbild der Gesellschaft ist, sondern sich nur ein Teil der Bevölkerung für den Polizeiberuf interessiert. Auch die Empathie, die sie für ihre eigenen Mitarbeiter:innen aufbringt, konnte oder wollte sie nicht für die Kritik aus der Veranstaltung aufbringen, nach der Menschen die migrantisch aussehen besonders häufig kontrolliert und abwertend behandelt werden („Racial Profiling“). Die Kritik sei ihr zu pauschal. Einen emotionalen und in meinen Augen nachvollziehbaren Beitrag wollte sie gar nicht kommentieren (allerdings sprach ihre Reaktion in meinen Augen Bände). Während Frau Zur auf die niedrigen Beschwerdezahlen verwies, sprach die Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Mihalic jedoch von einer „anekdotischen Evidenz“ der Alltagserfahrung von migrantisch aussehenden Personen und kritisierte schwammige Paragraphen im Bundespolizeigesetz, die zu falschen Praktiken in der Polizeiarbeit führen. Ihre Kritik richtete sich damit stärker gegen die Innenministerien und den Gesetzgeber. Nicht zuletzt betonte Mihalic die Forderung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung, nicht um festzustellen, wie viele Polizisten es mit rechtsextremen Gedankengut gäbe, sondern um Ursachen und Strukturen zu untersuchen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Die Debatte, der sich Frau Zur in weiten Teilen stellte, war in meinen Augen wichtig und aufschlussreich und zeigte mir deutlich, dass die Forderung richtig ist, Beschwerden oder Vorwürfe über die Polizei nicht von dieser selbst untersuchen zu lassen, sondern eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, um einer möglichen Betriebsblindheit oder den Auswirkungen des Korpsgeist vorzubeugen. Andererseits können wir uns in Gelsenkirchen über eine Polizeipräsidentin freuen, die sich klar gegen Rechtsextremismus in der Polizei positioniert.

„Heraus zum 1. Mai“ – Vom internationalen Kampftag der Arbeiterbewegung zum gesetzlichen Feiertag

“Heraus zum 1. Mai” hieß es seit 1890 kämpferisch in den Aufrufen der Gewerkschaften. Als internationaler Kampftag der Arbeiterbewegung wurde er 1889 auf dem Internationalen Arbeiterkongress in Paris proklamiert, seit 1890 wird er jährlich begangen. Zu den zentralen Forderungen gehörte damals die Einführung des 8-Stunden-Tages, in der Gegenwart sind die sozialpolitischen Forderungen des DGB meist allgemeiner gehalten.

Sozialpolitische Forderungen des DGB in der Gegenwart

Sozialpolitische Forderungen des DGB in der Gegenwart

Die Geschichte des 1. Mai als internationaler Kampftag der Arbeiterbewegung beginnt interessanterweise nicht im Europa des 19. Jahrhunderts, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Jahre 1884 verabschiedete die Federation of Organized Trade and Labour Unions eine Resolution, in der die Einführung des 8-Stunden-Tages gefordert wurde. Als alle anderen Versuche, ihn durchzusetzen, gescheitert waren, rief die Federation zu einem Generalstreik auf. Der Aufruf wurde gegen den Widerstand der nationalen Arbeiterführer von Tausenden von Arbeitern befolgt. Auf dem Höhepunkt der Kampagne waren 340.000 Arbeiter im Streik.

Die Idee eines gemeinsamen Kampftages der Arbeiterbewegung griff auf das alte Europa über. 1889 wurde auf dem internationalen Arbeiterkongress in Paris der 1. Mai als internationaler Kundgebungstag proklamiert. 1890 kam es nach den Kundgebungen, die in der Logk der damaligen Rechtsprechung illegal waren, in Hamburg und Berlin zur Aussperrung demonstrierender Arbeiter. In den darauf folgenden Arbeitskämpfen mussten die Streikenden nachgeben. Doch trotz Repressalien wurde der 1. Mai in der Arbeiterbewegung ungeheuer populär und zum festen Bestandteil der Arbeiterkultur.

1933 wurde der 1. Mai von den Nazis gestohlen, zum „Tag der nationalen Arbeit“ umgedeutet und zum gesetzlichen Feiertag erklärt. Einen Tag später, am 2. Mai 1933, zerschlugen sie auf dem Weg der Festigung ihrer Diktatur brutal die unabhängigen Gewerkschaften und errichteten die “Deutsche Arbeitsfront” als Zwangsorganisation von Arbeitern und Unternehmern.

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein aus dem Jahre 1937 am neuen Standort im Jahre 2015

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein vom 1. Mai 1937 am neuen Standort im Jahre 2015

Ein lokales Beispiel für den Missbrauch des 1. Mai durch die Nazis ist auf dem ehemaligen Gelände des Schalker Vereins zu besichtigen. Hier wurde am 1. Mai 1937  feierlich ein „Kriegerdenkmal“ eingeweiht, das an die gefallenen Werksangehörigen des Ersten Weltkrieges erinnert und sie zugleich in den Dienst der faschistischen Kriegspolitik stellt.

Nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten 1945 konnte der neu gegründete Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dem 1. Mai wieder ein wenig von seiner ursprünglichen Bedeutung zurückgeben. Der 1. Mai blieb gesetzlicher Feiertag und jedes Jahr ruft der DGB zu Kundgebungen mit aktuellen sozialpolitische Forderungen auf.

DGB-Kundgebung auf dem Heinrich-König-Platz in Gelsenkirchen am 1. Mai 2009

DGB-Kundgebung auf dem Heinrich-König-Platz in Gelsenkirchen am 1. Mai 2009

Das bekannteste Plakat, das zum 1. Mai aufruft, ist sicherlich jenes aus dem Jahre 1956. “Samstags gehört Vati mir” unterstreicht in der Logik der 1950er Jahre werbewirksam die damaligen Forderungen des DGB nach einer 5-Tage-Woche mit 40 Stunden Arbeitszeit, gleichen Lohn für gleiche Arbeit und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

In jüngerer Zeit versuchen Rechtsextremisten den 1. Mai für sich zu vereinnahmen. 2015 versuchten Dortmunder Neofaschisten der Partei „Die Rechte“ von Essen nach Gelsenkirchen zu marschieren, im Jahr davor veranstalteten ProNRW und NPD Kundgebungen gegen vorgeblichen „Asylmissbrauch“. Hiergegen regte sich vielfacher antifaschistischer Protest. Zum 1. Mai 2016 ruft nun die NPD wieder einmal gegen vorgeblichen „Asylmissbrauch“  zu einer Kundgebung, dieses Mal in Bochum, auf. Mehr als 50 Organisationen unterstützen inzwischen den Aufruf des Bochumer Bündnisses gegen Rechts gegen diesen erneuten rechtsextremen Aufmarsch.

Vom DGB-Aufruf zum 1. Mai 1956 "Samstags gehört Vati mir" zum Aufruf des Bündnis gegen Rechts in Bochum, den NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2016 zu verhindern.

Vom DGB-Aufruf zum 1. Mai 1956 „Samstags gehört Vati mir“ zum Aufruf des Bündnis gegen Rechts in Bochum, den NPD-Aufmarsch am 1. Mai 2016 zu verhindern.

Die extreme Rechte – Historische Bezüge und gegenwärtige Entwicklungen

Wissenschaftspark Gelsenkirchen

Wissenschaftspark Gelsenkirchen

In insgesamt vier öffentlichen Veranstaltungen gehen das Institut für Stadtgeschichte (ISG) und die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW (FHöV NRW), beide in Gelsenkirchen beheimatet, historischen Bezügen und gegenwärtigen Entwicklungen des Rechtsextremismus nach.

Anlass für die im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen-Ückendorf stattfindende Veranstaltungsreihe waren aktuelle Entwicklungen, die durch eine Zunahme an fremdenfeindlichen Übergriffen und Gewalttaten sowie hohe Zustimmungsraten zu rechtspopulistischen Parteien (AfD) und Bewegungen (PEGIDA) gekennzeichnet sind. Hinzu kommt die nicht abgeschlossene Aufarbeitung der rechtsterroristischen Anschlagserie des NSU.

Der erste Vortrag am 11. April widmete sich dem Buch „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Dr. Othmar Plöcking, einer der Herausgeber der vom Institut für Zeitgeschichte in München erarbeiteten kritischen Edition, beschrieb in schönster österreichischer Mundart Entstehung, Verbreitung und Wirkung von Hitlers Schrift in den 1920er bis 1940er Jahren sowie Entstehung und Aufbau der kritischen Edition. Trotz des schönen Wetters war die Veranstaltung gut besucht.

Zum zweiten Vortrag am 18. April war ich leider verhindert. Alexander Häusler vom Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) der Universität Düsseldorf berichtete über die Entwicklung der „Alternative für Deutschland“, die während der Euro-Krise entstand und im Laufe ihrer Entwicklung mehrere politische Metamorphosen durchlief.

Am heutigen 25. April referierte Dr. Thomas Pfeiffer vom Nordrhein-Westfälischen Innenministerium kenntnisreich über die Funktion rechtsextremer Parolen gegen geflüchtete Menschen als „Türöffner-Thema“ um Menschen außerhalb des rechtsextremen Spektrums zu erreichen. Thema waren – im Sinne des Verfassungsschutzes – eindeutig rechtsextreme Parteien wie die NPD, „Die Rechte“ und „Der III. Weg“. In der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion wurde auch Pro NRW als rechtsextrem bezeichnet.

Ihren Abschluss wird die Veranstaltungsreihe am kommenden Montag, dem 2. Mai finden. Nach den historischen Bezügen, den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten werden die Mörder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) thematisiert. Heiko Klare von der „Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Münster (mobim). Gegen Rechtsextremismus, für Demokratie“ wird eine Podiumsdiskussion moderieren. Als Podiumsgäste werden die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen, Obfrau im 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum NSU-Komplex), Melek Topaloglu (Vorsitzende des Integrationsrates) und Prof. Dr. Thomas Grumke (Politikwissenschaftler der FHöV NRW) erwartet. Die Veranstaltung beginnt wie die vorangegangenen um 19 Uhr im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen-Ückendorf.

„Demokratische Initiative“ lehnt Aufnahmeantrag von engagierten Antifaschistinnen und Antifaschisten ab!

1947/48 errichtetes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand auf dem Friedhof Horst-Süd zur Erinnerung an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der "Roten Ruhrarmee" und ergänzt um Horster Widerstandskämpfer 1933-1945, insbesondere der Franz-Zielasko-Gruppe

1947/48 auf dem Friedhof Horst-Süd von der VVN errichtetes Denkmal für den antifaschistischen Widerstand, zur Erinnerung an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der „Roten Ruhrarmee“ und ergänzt um Horster Widerstandskämpfer 1933-1945, insbesondere der Franz-Zielasko-Gruppe

Im vergangenen Jahr haben wir in einer Mitgliederversammlung der VVN-BdA Gelsenkirchen, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten nach längerer Diskussion beschlossen, einen Aufnahmeantrag an die örtliche “Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen” (DI) zu stellen. In dieser haben sich unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Oberbürgermeisters seit 1992 insgesamt 23 Organisationen, “demokratische Parteien, Kirchen, karitative Einrichtungen, Gewerkschaften und weitere Gruppen zusammengeschlossen, um für ein demokratisches Miteinander in unserer Stadt einzutreten”. Zuletzt hatte die DI in Ermangelung eigener Aktivitäten zur Teilnahme an der Veranstaltung der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde am 1. Mai 2015 gegen den Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ auf dem Rotthauser Ernst-Käsemann-Platz aufgerufen.

Skeptische Stimmen in unserer Runde haben bereits von Anfang an die Aussichtslosigkeit des Unterfangens benannt. Waren doch bereits Aufnahmeanträge der Linkspartei.PDS und des Gelsenzentrum in früheren Jahren gescheitert. Dennoch haben wir ernsthaft mit Schreiben vom 19. November 2014 unseren Aufnahmeantrag gestellt. Die erste Rückantwort vom 16. Dezember 2014 war bereits mehr als ernüchternd. Darin hieß es unter anderem: „Uns zugehende Aufnahmeanträge werden in der jeweils nächstfolgenden Plenumssitzung der Demokratischen Initiative zur Diskussion und Entscheidung gestellt, soweit sich in der Sitzung ohne weitere Vertiefung und Rückkopplung der Anwesenden in ihre Organisationen hinein Konsens findet. Das Plenum der Demokratischen Initiative kommt in der Regel einmal jährlich zusammen. 2015 soll dies bereits in der ersten Jahreshälfte sein. Die Zusammenarbeit in der Demokratischen Initiative fußt allein auf einer gewachsenen, intensiven Vertrauensbasis. Daher setzen Entscheidungen über Aufnahmeanträge seit jeher Einstimmigkeit voraus. Sollten sich aus der Sitzung, an der die sich bewerbende Organisation jeweils nicht teilnimmt, ergänzende Nachfragen ergeben, kommen wir umgehend auf Sie zu.“

Die „gewachsene, intensive Vertrauensbasis“ lässt es offenbar noch nicht einmal zu, dass sich die antragstellende Organisation selbst den Vertretern der 23 Organisationen vorstellt, stattdessen verhandelt man lieber hinter verschlossenen Türen. Es handelt sich also nur um eine leere Worthülse. Ein Kritiker aus unseren eigenen Reihen schrieb zu Recht in einer E-Mail: „… für eine Initiative handelt es sich ja offensichtlich um einen Bürokratenhaufen. Für mich bedeutet die Mail, dass die Demokratische (Bürokratische) Initiative kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit unserer Vereinigung hat.“ Und stellte die ultimative Frage: „Gibt es wichtige Gründe hier mitzumachen?“

Erwartungsgemäß beschloss die „Demokratische Initiative“, uns nicht aufzunehmen und teilte im wesentlichen mit: “ Im Ergebnis hat Ihr Antrag (…) nicht die für eine Aufnahme erforderliche Einstimmigkeit gefunden.“ Um auf die oben gestellte Frage nach den wichtigen Gründen zurückzukommen: Natürlich wäre es wichtig, Mitglied in einer aktiven, alle zivilgesellschaftlichen städtischen Akteure umfassenden Initiative zu sein, die sich gemeinsam gegen Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus stellt. Die real existierende „Demokratische Initiative“ jedoch hat es zum geplanten Aufmarsch der „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 noch nicht einmal geschafft, eine eigene Gegenveranstaltung auf die Beine zu stellen, man rief stattdessen zu einem Freundschaftsfest der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde in Gelsenkirchen-Rotthausen auf. Zu den letzten Veranstaltungen der rechtspopulistischen Pro NRW im Schloß Horst rief die DI gar nicht mehr auf, weil man wie es damals hieß, „nicht über jedes Stöckchen springen wolle, das einem die Rechten hinhalten“. Womöglich will man so lange warten, bis sich wie in Dortmund eine rechte, offen faschistische Szene etabliert hat und das Hans-Sachs-Haus stürmt?

In einer Zeit wachsender militärischer Auseinandersetzungen und dadurch wachsender Flüchtlingsströme weltweit, immer weiter zunehmender sozialer Ungerechtigkeit, Medien- und Politikerverdrossenheit (nicht Politikverdrossenheit) wäre es wichtig, tatsächlich gemeinsames bürgerschaftliches Engagement in Gelsenkirchen für Demokratie und Menschenrechte zu zeigen und dabei nicht diejenigen auszugrenzen, die sich ebenfalls dafür einsetzen! Die Aufteilung in gute und weniger gute Antifaschisten, die Spaltung der Gelsenkirchener Zivilgesellschaft, spielt wie immer nur den Rechten in die Hände!

Nach dem rechten Übergriff! Wie weiter gegen Rechts in Gelsenkirchen?

Die neuerlichen Hakenkreuz-Schmierereien an Hausfront und Eingangstür der Jordans haben – auch über Gelsenkirchen hinaus – viel Staub aufgewirbelt. Doch was wird sich ändern, wenn der Staub sich wieder gelegt hat? Ich vermute mal: nichts!

Berichte und Papier-Solidaritätsbekundungen gab es als wohlfeile Dutzendware. Die örtliche WAZ, die Aktuelle Stunde des WDR und das Regionalfenster NRW von SAT 1 berichteten über den Vorfall und machten ihn überregional bekannt. Die Bezirksvertretungen Nord und West haben einstimmig eine Resolution verabschiedet, auch Die Linke hat sich am 3. Juni empört gezeigt, solidarisch erklärt und wünscht „…, dass es gelingen wird, die Täter zu überführen und zur Rechenschaft zu ziehen.“ Das Bündnis gegen Krieg und Faschismus hat sich nicht nur auf dem Papier solidarisch erklärt, sondern in beiden Fällen die Hakenkreuz-Schmierereien übermalt; zu den aktiven Malern gehörten übrigens beide Male der Fraktionsvorsitzende der Linken und der Vorsitzende der DKP Gelsenkirchen.

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das "Bündnis gegen Krieg und Faschismus"

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“

Möglicherweise habe ich die eine oder andere Solidaritätsbekundung übersehen. Nicht gefunden habe ich dagegen trotz aktiver Suche irgendeine Reaktion der „Demokratischen Initiative“. In der DI, in Langform „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“, haben sich, so erfährt man, wenn man auf der Seite der Stadt Gelsenkirchen intensiv sucht, 1992 „demokratische Parteien, Kirchen, karitative Einrichtungen, Gewerkschaften und weitere Gruppen zusammengeschlossen, um für ein demokratisches Miteinander in unserer Stadt einzutreten“. Insgesamt 23 Organisationen haben sich hier unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Frank Baranowski zusammengefunden. Zuletzt hatte die DI zur Teilnahme an der Veranstaltung der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde am 1. Mai 2015 gegen den Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ auf dem Rotthauser Ernst-Käsemann-Platz aufgerufen.

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“

Kenner der örtlichen Verhältnisse wissen natürlich um Auseinandersetzungen vor Ort. So hat sich z.B. die Stadt Gelsenkirchen für ein Erinnerungskonzept namens „Erinnerungsorte“ ausgesprochen, vorgeblich unterstützt durch bürgerschaftiches Engagement der „Demokratischen Initiative“, organisiert und durchgeführt durch das städtische Institut für Stadtgeschichte (ISG) und präsentiert in Form von Erinnerungsortetafeln an Hauswänden geschichtlicher Orte, an Denkmalen etc. Wie viel tatsächliches bürgerschaftliches Engagement darin steckt, lasse ich mal dahingestellt sein. Daneben steht die privat durch den Verein Gelsenzentrum e.V., „Gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen“ und dessen Projektgruppe Stolpersteine organisierte Verlegung von Stolpersteinen in Gelsenkirchen. Die Verlegung von Stolpersteinen wird unterschiedlich beurteilt, auch in Gelsenkirchen. Die Ablehnung des Engagement von Gelsenzentrum e.V. ging offenbar so weit, dass Andreas und Heike Jordan, die Protagonisten des Gelsenzentrums, Hausverbot in der Synagoge in Gelsenkirchen erhielten. (Nachtrag: Das Hausverbot wurde inzwischen stillschweigend wieder aufgehoben.) Diese Form der Auseinandersetzung ist nicht nur überaus bedauerlich, sondern schädlich, wenn man gemeinsam gegen Rechtsextremismus arbeiten will.

Stolpersteinverlegung am 28. Februar 2012 - im Bild u.a. Heike Jordan und Oberbürgermeister Frank Baranowski

Stolpersteinverlegung am 28. Februar 2012 – im Bild u.a. Heike Jordan und Oberbürgermeister Frank Baranowski

Schwierig gestaltet sich auch die Zusammenarbeit bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Es ist kein Zufall, dass es angesichts des geplanten Aufmarsches der „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 in Gelsenkirchen kein gemeinsames Bündnis „Gelsenkirchen stellt sich quer“ wie in benachbarten Städten gab, in der auch weltanschaulich unterschiedliche Organisationen zusammenarbeiten dürfen. Stattdessen organisierten örtliche Organisationen in Gelsenkirchen-Rotthausen auf dem Ernst-Käsemann-Platz ein Freundschafts- und Kulturfest, an das sich die Demokratische Initiative „anhängte“ und zur Teilnahme aufrief. Ein Bündnis aus Jugendorganisationen bildete das Bündnis „G-E-blockt“ mit dem Ziel, Sitzblockaden durchzuführen. Das seit 2011 bestehende Antikriegstagsbündnis benannte sich zum „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ um und meldete eine Kundgebung direkt an der Stadtgrenze Essen-Gelsenkirchen an. Im letzteren sind neben Mitglieder der Die Linke, der DKP, der Piraten und der VVN-BdA auch Mitglieder von AUF/MLPD, die für weite Teile des Gelsenkirchener Establishments ein dunkelrotes Tuch sind. Bereits zum Antikriegstag 2014 war der örtliche DGB, der nach untätigen Jahren mal wieder zu einer örtlichen Antikriegstagsveranstaltung aufrief, nicht zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit unserem Bündnis bereit.

Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2011 – im Bild die Sprecherin der Gelsenkirchener Linke, Ayten Kaplan

Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2011 – im Bild die Sprecherin der Gelsenkirchener Linke, Ayten Kaplan

Wer sich an die Geschichte vor 1933 erinnert (oder sogar aus eigenem Erleben zurückerinnert), sollte wissen, dass die Spaltung der Gegner es den Nazis besonders leicht gemacht hatte, stark zu werden und schließlich ihr verbrecherisches Regime zu errichten. Diese Voraussetzung für einen Wiederaufstieg von Rechtsextremisten ist leider vorhanden – auch in Gelsenkirchen.

Erneut Nazi-Schmierereien in Horst übermalt – Breite Solidarität für die Jordans

Screenshot Gelsenblog

Screenshot des Gelsenblog-Artikels

Nachdem in der Nacht vom 21. auf den 22. April zum zweiten Mal Tür und Hausfront in der Devensstraße 111 in Gelsenkirchen-Horst zur Zielscheibe von Nazi-Schmierfinken geworden ist, haben Vertreter des Bündnisses gegen Krieg und Faschismus zum zweiten Mal Hakenkreuze und Beleidigungen übermalt und ihre praktische Solidarität gezeigt.

Wie Gelsenblog hier berichtet, haben die gegen das Ehepaar Heike und Andreas Jordan gerichteten Anschläge weit über Gelsenkirchen hinaus für Empörung – und Solidarität gesorgt. Nach der WAZ am 27.05.2015 berichteten die Aktuelle Stunde und SAT 1 am 28.05.2015. Die Bezirksvertreteung Nord verabschiedete am 28.05.2015 einstimmig eine von Karl Henke (Bündnis 90/Die Grünen) vorgeschlagene Resolution.

Tomas Grohé (Die Linke) will eine ähnliche Resolution am Dienstag in die Bezirksvertretung West einbringen. Klaus Brandt schlägt in einem bislang nicht veröffentlichten Leserbrief an die WAZ eine „starke symbolische Aktion“ durch die „Bürgerschaft und ihr Establishment“ vor. An desssen Durchführung lässt sich allerdings angesichts der Schwerfälligkeit des in der „Demokratischen Initiative“ zusammengeschlossenen Gelsenkirchener „Establishment“ zweifeln.

Das Bündnis gegen Krieg und Faschismus, das sich aus Anlass des Aufmarsches der „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 gebildet hat, erklärt in seiner aktuellen Pressemitteilung u.a.: „Unserer letzten Pressemitteilung ist im Übrigen nichts hinzuzufügen: Wir fordern erneut und eindringlich alle politisch Verantwortlichen und insbesondere auch die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Heselhaus-Schröer dringend auf sich aktiv dafür einzusetzen, dass sich die gewalttätige Nazi-Szene in GE nicht weiter etabliert. Gelsenkirchen darf kein zweites Dortmund werden, wo es häufig zu tätlichen Übergriffen von Neo-Nazis auf Migranten und Antifaschisten kommt. Der Abgeordnete der Partei ‘Die Rechte’ im Dortmunder Stadtrat startete sogar schon eine Anfrage nach der Anzahl der Juden in Dortmund.“

Erneut Nazi-Schmierereien in Horst

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das "Bündnis gegen Krieg und Faschismus"

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“

Nach einem abendlichen Überfall auf Heike Jordan am 30. März und Hakenkreuzen sowie Beschimpfungen an Tür, Briefkasten und Hausfront der Jordans in der Nacht vom 21. auf den 22. April wurden in der vergangenen Nacht zum zweiten Mal Tür und Hausfront zur Zielscheibe von Nazi-Schmierfinken.

Heike Jordan ist als engagierte Antifaschistin und Mitinitiatorin der Verlegung von Stolpersteinen für die Opfer des Faschismus in Gelsenkirchen bekannt. Bereits nach dem letzten Vorfall hatte sich das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ mit ihr solidarisch erklärt und alle politisch Verantwortlichen „und insbesondere auch die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Heselhaus-Schröer“ aufgefordert, „sich aktiv dafür einzusetzen, dass sich die gewalttätige Nazi-Szene in GE nicht weiter etabliert.“ Als Zeichen praktisch gelebter Solidarität hatten Mitglieder des Bündnisses die Schmierereien übermalt.

Auf Anfrage der „Ruhrbarone“ teilte die Polizei mit, dass sie in alle Richtungen ermitteln würde, jedoch von einem rechtsradikalen Hintergrund ausginge. Hinweise auf die Täter gäbe es noch nicht. Man sei auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen. Kleiner Hinweis: Die Täter haben die Farbe gewechselt, am 21./22. April verwendeten sie rote Farbe, dieses Mal blaue.

„Nazis hält man nur dadurch auf, dass man sich ihnen in den Weg stellt, bevor sie so stark wie 1933 geworden sind“

Fotomontage vom 1. Mai 2015 am Krayer Markt

Fotomontage vom 1. Mai 2015 am Krayer Markt

Leserbrief an die Redaktion der WAZ Gelsenkirchen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre Berichterstattung über den – schließlich bereits in Essen wieder abgebrochenen – Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 von Essen-Kray nach Gelsenkirchen-Rotthausen, und insbesondere die ausführliche Berichterstattung über die demokratischen Gegenproteste in beiden Städten hat mich sehr gefreut. Auch die Hinweise auf die Gefahren, die dadurch entstünden, dass die rechtsextremen Demonstranten der „Die Rechte“ unmittelbar, „nur durch eine Bordsteinkante getrennt“ am Ernst-Käsemann-Platz vorbeimarschierten, auf dem ein großes Freundschaftsfest stattfand, fanden Platz in ihrer Zeitung, ebenso wie die Versicherung der Polizei, die jedem Demonstranten Zugang zum Demonstrationsort zusagte.
Leider befindet sich eine deutliche Lücke in Ihrer Berichterstattung. Über die Ereignisse, die dazu führten, dass die Rechtsextremisten mit ihren schwarzweißroten Fahnen des undemokratischen Kaiserreiches Gelsenkirchener Stadtgebiet gar nicht erst erreichten und die Polizei die Demonstranten auf dem Ernst-Käsemann-Platz in Rotthausen nicht vor ihnen schützen musste, wurde im Gelsenkirchener Lokalteil überhaupt nicht berichtet.

Von Ihrer Berichterstattung unbemerkt fanden, organisiert von einem Bündnis junger Antifaschisten, zwei Sitzblockaden statt. Die erste an einer Radfahrerbrücke über dem geplanten Aufmarschgelände der „Die Rechte“. Die zweite, etwa 50 Meter von der Gelsenkirchener Stadtgrenze entfernt, ebenfalls auf der geplanten Strecke der Rechtsextremisten. Diese zweite wurde schließlich von zahlreichen Bürgern der Stadt, die eine Kundgebung in der Nähe durchgeführt hatten, spontan unterstützt. Zunächst von der Polizei eingekesselt, wurde sie schließlich nur nach Essen hin abgesichert. Wie mir berichtet wurde, hatte sich sogar Oberbürgermeister Baranowski auf den Weg zur Stadtgrenze gemacht, kam aber nicht durch. Im Laufe des Abends trafen – wie ich selbst – noch weitere Demonstrationsteilnehmer aus Essen ein, die sich ebenfalls den Rechtsextremisten in den Weg stellten.
Die Polizei hat diese spontane Kundgebung trotz mehrfacher Aufrufe, die Demonstration aufzulösen, nicht geräumt. Die aus Dortmund und anderen Orten stammenden rechtsextremen Demotouristen wurden stattdessen aufgefordert, wieder zum Bahnhof Kray-Nord zurückzumarschieren, da sie ihren geplanten Kundgebungsort nicht mehr bis 22 Uhr würden erreichen können.
Erfreut über diesen Erfolg, zogen wir zum Ernst-Käsemann-Platz und informierten auf dem Weg dorthin die Anwohner, dass wir nicht die Rechten sind, sondern die, die sie aufgehalten haben. Das Freundschaftsfest auf dem Ernst-Käsemann-Platz war zwar schon beendet, doch für eine kurze Zeit belebten wir den Platz erneut.
So wichtig Freundschafts-, Kultur- und Friedensfeste sind, Nazis hält man nur dadurch auf, dass man sich ihnen in den Weg stellt, bevor sie so stark wie 1933 geworden sind. Das sollten alle Demokraten aus unserer Geschichte gelernt haben.

Ich finde es schade, dass Ihre Zeitung darüber nicht mehr berichtet hat und wünsche mir, dass Sie das der Vollständigkeit halber mit der Veröffentlichung dieses Leserbriefes nachholen.

Mit antifaschistischen Grüßen
Knut Maßmann, Sprecher der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) Kreisvereinigung Gelsenkirchen

70 Jahre nach der Befreiung  – Renaissance des Faschismus in Europa heute?

8. Mai 2015 US-Army befreit ... VVN-BdA8. Mai 2015 Rote Armee befreit Auschwitz VVN-BdA8. Mai 2015 Britische Armee befreit Bergen-Belsen VVN-BdA

 

70 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus am 8. Mai 1945 scheinen rechtsextreme, teilweise sogar offen faschistische Positionen in Europa wieder „politikfähig“ zu werden. Ob der Front National in Frankreich, die Goldene Morgenröte in Griechenland, UKIP in England oder die noch vergleichsweise zurückhaltend agierende AfD in Deutschland, in fast allen europäischen Ländern fahren Parteien mit rassistischen oder gar faschistischen Parolen Wahlerfolge ein.

In Deutschland reklamieren NPD und „Die Rechte“, Pegida und HogeSa die Straße für sich und versuchen ein Klima der Angst und des Rassismus zu erzeugen. In Lettland werden ehemalige SS-Angehörige zu Nationalhelden stilisiert und in der Ukraine unterstützen Bundesregierung und Europäische Union eine rechtsnationale antirussische Politik, die wesentlich von faschistischen Kräften getragen wird und erstmals nach 1945 wieder die reale Gefahr eines Krieges mit Russland heraufbeschwört. Gleichzeitig verweigert die Bundeskanzlerin dem Russischen Präsidenten eine gemeinsame Feier zum Tag der Befreiung.

Was haben diese Entwicklungen miteinander zu tun? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Lehren von 1945: „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ scheinbar in Vergessenheit geraten sind? Welche politischen Kräfte haben ein Interesse an einer Politik der Ausgrenzung, der Spannung und des Krieges? Ist der Faschismus für Teile des Bürgertums und der Industrie heute wieder eine politische Option?

Klaus Wagener ist Redakteur der „Marxistischen Blätter“ und verfolgt diese besorgniserregende Entwicklung seit Jahren. Gemeinsam mit ihm wollen wir am Freitag, dem 8. Mai 2015 diskutieren, welche Lehren wir aus dem Kampf gegen den Deutschen Faschismus für heute ziehen müssen und wie die demokratischen Kräfte den Vormarsch der Rechten in den Parlamenten und auf der Straße erfolgreich stoppen können. Hierzu laden gemeinsam die Gelsenkirchener Organisationen Die Linke, die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ab 18.30 Uhr in den Werner-Goldschmidt-Salon in der Wildenbruchstraße 15-17 in 45888 Gelsenkirchen ein.

Werner-Goldschmidt-Salon - Die Linke-Parteibüro und Veranstaltungsort, benannt nach einem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer

Werner-Goldschmidt-Salon – Die Linke-Parteibüro und Veranstaltungsort, benannt nach dem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer Werner Goldschmidt

Warum am 1. Mai gegen Nazis demonstrieren?

Faschistische "Die Rechte" am 1. Mai 2015 auf dem Krayer Markt

Faschistische „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 auf dem Krayer Markt

Ich traute meinen Augen kaum, als ich das schwarz-weiß-rote Fahnenmeer der „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 auf dem Krayer Markt erblickte. Die Flagge des demokratischen Deutschlands ist aus historischen Gründen schwarz-rot-gold, seit der Revolution von 1848 gilt sie als Symbol des demokratischen Deutschlands. Die Weimarer Republik bestimmte sie ab 1919 und die Bundesrepublik Deutschland ab 1949 als ihre Flagge. Schwarz-weiß-rot dagegen war die Flagge des Obrigkeitsstaates, des kaiserlichen Deutschlands, der seine Untertanen in den Ersten Weltkrieg führte. Die Farben Schwarz, Weiß und Rot verwendeten die Nazis auch in ihrer Hakenkreuzflagge, ein schwarzes Hakenkreuz im weißen Kreis auf rotem Grund. Eine Partei, die diese Farben hochhält, macht deutlich, dass sie für ein antidemokratisches Deutschland steht und sich damit im Gegensatz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung unseres Landes befindet.

Die Demonstration der Nazis am 1. Mai ist zudem eine doppelte Provokation. Der 1. Mai ist der Kampf- und Feiertag der internationalen Arbeiterbewegung, für den 8-Stunden-Tag und weitere soziale Forderungen. Der historische Faschismus hat in Deutschland den 1. Mai zum „Tag der nationalen Arbeit“ erklärt und am 2. Mai 1933 die unabhängigen Gewerkschaften zerschlagen, Gewerkschafter in Konzentrationslager eingesperrt, misshandelt, ermordet und das Vermögen der Gewerkschaften in die „Deutsche Arbeitsfront“ überführt. In Geschichtsbüchern nennt man das vornehm die „Gleichschaltung der Gewerkschaften“.

Die Partei „Die Rechte“ hat deutlich gemacht, dass sie in der Tradition des historischen Faschismus steht. Im Rat der Stadt Dortmund beantragte ihr Vertreter die Zählung der Juden der Stadt. Sie bedrohen engagierte Antifaschisten, Journalisten und Politiker wie es die Nazis vor 1933 taten. Personell und politischer Orientierung nach handelt es sich in Dortmund und Hamm um eine Fortführung der verbotenen „Kameradschaften“ „Nationaler Widerstand Dortmund“ und „Kameradschaft Hamm“. „Die Rechte“ schützt sich nur mit dem „Parteienprivileg“ vor einem neuerlichen Verbot, da eine Partei anders als ein Verein nur durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden kann.

Angesichts dieser Fakten ist es unglaublich, dass 70 Jahre nach der Befreiung Europas vom Faschismus, für die die militärische Macht der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens und seiner Kolonien notwendig war, Leute mit dieser Ideologie auf unseren Straßen ihre dumpfen Parolen verbreiten dürfen! Dagegen sollte jeder in diesem Land, der für ein friedliches Miteinander unterschiedlicher Menschen steht, aufstehen!