Archiv für den Monat April 2014

Nicht nur Essen und Duisburg stellen sich quer

Dieses Mal nicht im Schloss Horst ...

Dieses Mal nicht im Schloss Horst …

Ausgerechnet am 1. Mai, dem internationalen Tag der Arbeiterbewegung, wollen die Rechtspopulisten der selbsternannten „Bürgerbewegung“ Pro NRW in Essen und Duisburg gegen „Asylmissbrauch, Armutseinwanderung und Überfremdung“ demonstrieren. Dagegen regt sich Widerstand in beiden Städten. So ruft das Bündnis gegen Rassismus und Rechtsradikalismus „Essen stellt sich quer“ zu Protestkundgebungen auf, ähnliche Planungen gibt es in Duisburg.

In Essen plant Pro NRW für 14 Uhr am Ort einer geplanten Flüchtligsunterkunft am Graitengraben/Ecke Rahmstraße eine Kundgebung, die im direkten Gegensatz zum „Fest für Frieden, Völkerverständigung und internationale Solidarität“ steht, welches seit 30 Jahren auf der Zeche Carl stattfindet. Um 16 Uhr will Pro NRW im Umfeld der von Flüchtlingen belegten Notunterkunft in der Walter-Pleitgen-Schule in Frintrop demonstrieren. Die Asylsuchenden sind vor Kriegen, ethnischer und religiöser Diskriminierung, Hungerkatastrophen und bitterer Armut geflohen. Von Millionen Flüchtlingen erreichen nur wenige Europa. Das Mittelmeer wurde bereits zum Massengrab.

Gegen den Missbrauch des 1. Mai, gegen die Hetzkampagne und für die Aufnahme von Flüchtlingen ruft „Essen stellt sich quer“ zu Protestkundgebungen gegen Pro NRW auf
14 Uhr in Altenessen, Kreuzung Graitengraben/Rahmstraße
16 Uhr in Frintrop, Kreuzung Oberhauser- /Frintroper Str.

Da am 1. Mai in den Städten die traditionellen Kundgebungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) stattfinden, ruft „Essen stellt sich quer“ dazu auf, auch an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Essener DGB-Demonstration beginnt um 10 Uhr in Essen-Rüttenscheid und führt zum Burgplatz in der Innenstadt, wo ab 11 Uhr die Kundgebung stattfindet. Umgekehrt ruft auch der DGB in Essen zur Teilnahme an den Protestaktionen gegen Pro NRW auf und stellt ab 13.30 Uhr einen kostenlosen Bus zu den oben genannten Protestkundgebungen zur Verfügung.

Auch die Gelsenkirchener Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ruft dazu auf, an den Protestkundgebungen in Essen gegen Pro NRW teilzunehmen. Einige Mitglieder haben angekündigt, im Anschluss an die Gelsenkirchener DGB-Kundgebung nach Essen zu fahren, andere werden bereits in Essen an der DGB-Kundgebung teilnehmen.

Am Abend will Pro NRW in Duisburg weiter demonstrieren und in Rheinhausen vom Hochemmericher Markt zum Haus in den Peschen ziehen. Bereits tagsüber plant die NPD einen Propagandazug durch die Duisburger Innenstadt. Hier sind ebenfalls Protestkundgebungen von „Duisburg stellt sich quer“ geplant.

Übrigens hat das Berliner Verwaltungsgericht am Montag in einer Eilentscheidung entschieden, dass die ARD einen Wahlwerbespot von Pro NRW zur Europawahl nicht ausstrahlen muß. Den Richtern zufolge verstößt der Spot gegen den Straftatbestand der Volksverhetzung, er enthalte die Aussage, dass Ausländer generell im Müll lebten und per se Stratftäter seien.

Vormerken: Hundert Jahre Erster Weltkrieg

Erster Weltkrieg - Gelsenkirchen Grillo-GymnasiumDen „vorletzten Weltkrieg“ nannte die Berliner Tageszeitung „taz“ kürzlich mit der ihr eigenen Ironie den Ersten Weltkrieg. Hundert Jahre ist es her, seit im August 1914 die Armeen des Deutschen Kaiserreiches, des Österreichisch-Ungarischen Kaiserreiches, des Russischen Zarenreiches, der Französischen Republik und des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Irland losschlugen.

Vier Jahre lang tobte der Krieg, der sich durch die Beteiligung immer weiterer Staaten zu einem Weltkrieg auswuchs. Vier Jahre lang vegetierten Soldaten in Schützengräben. Vier Jahre lang tobten sinn- und nutzlose Materialschlachten um den Gegener zu ermüden. Vier Jahre lang wurde das Töten gegnerischer Soldaten durch Giftgas zu einem unpersönlichen Massenmord. Vier Jahre lang plante man im Deutschen Kaiserreich eine Nachkriegsordnung mit einer beherrschenden Stellung Deutschlands in Europa und einem Kolonialreich in Zentralafrika. Nach vier Jahren war der imperialistische Traum zuende, der Kaiser floh nach Holland und die entstehende Weimarer Republik bekam die Hypotheken des verlorenen Krieges aufgebürdet.

Der erste Weltkrieg ging auch an Gelsenkirchen nicht spurlos vorbei, wie Hartmut Hering 1984 im Gelsenkirchener Lesebuch „Und das ist unsere Geschichte“ darstellt. Nicht nur hinderte der Krieg die Stadt daran, geplante Bauvorhaben der Infrastruktur und im Kulturbereich umzusetzen. Die Bevölkerung, und hier insbesondere die Arbeiterbevölkerung, litt unter der zunehmend schlechter werdenden Ernährung und verschlechterten Arbeitsbedingungen. Kaffee war zum Beispiel ab Ende 1916 nur noch im blühenden Schwarzhandel erhältlich. Die Zahl der Krankheits- und Todesfälle wuchs durch die allgemeine Entkräftung. Die Lücken in den Zechen und Industriebetrieben durch die in den Krieg eingezogenen Männer wurden nicht nur durch Mehrarbeit der verbliebenen Männer ausgeglichen, sondern auch durch Kriegsgefangene und Frauenarbeit. Gleichzeitig konnte die für den Krieg produzierende Industrie ihre Gewinne steigern. Gelsenkirchen bezahlte den Krieg doppelt, mit Not, Entbehrungen und über 7500 Kriegstoten (Gelsenkirchen, Buer und Horst) und mit dem Abbruch des gerade begonnenen Versuchs, die jahrzehntelange Benachteiligung der Bevölkerung gegenüber anderen Städten durch die Erweiterung der Infrastruktur und der kulturellen Einrichtungen auszugleichen.

Die Unterdrückung Andersdenkender in der Adenauerzeit im Film und im Zeitzeugengespräch

verboten-verfolgt-vergessenEs gibt sie noch, die vergessenen Kapitel der jüngeren Zeitgeschichte. In der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, 1949 nur vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet, wurde bereits 1950 wieder der Aufbau einer Armee geplant. 1956 war es schließlich soweit und der Bundestag beschloss die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Gegen diese Politik gab es damals selbstverständlich öffentliche Proteste, die jedoch von der Regierung des Bundeskanzlers Adenauer sehr schnell kriminalisiert und deren Protagonisten massiv verfolgt wurden.

Das Strafrecht wurde durch ein „Blitzgesetz“ geändert. Alle Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen die Wiederbewaffnung und für freie Wahlen in ganz Deutschland (welches damals noch zweigeteilt war) einsetzten, konnten als Staatsfeinde verfolgt werden. Eine Volksbefragung der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) gegen die Wiederbewaffnung, an der bis dahin 9 Millionen Menschen teilgenommen hatten, wurde 1951 verboten. Schließlich wurde die KPD 1956 für verfassungswidrig erklärt, verboten und aufgelöst. Nur wenige Jahre nach Verfolgung und Ermordung zahlreicher Mitglieder und Anhänger der KPD durch die Nazis standen wirkliche und angebliche Kommunisten wieder im Fokus der Verfolgung, dieses Mal durch einen demokratischen Staat. In der Zeit von 1951 bis 1968 wurden durch die Strafverfolgungsbehörden etwa 200.000 Ermittlungsverfahren durchgeführt. Etwa 10.000 Betroffene wurden zu teils langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, ihre Existenz damit zerstört. Schon das Lesen eines Kinderbuches aus der DDR war im demokratischen Staat strafbar. Es war übrigens die gleiche Zeit, in der alte Nazis in der Bundesrepublik Deutschland wieder rehabilitiert wurden und vielfach wieder auf ihre Posten eingesetzt wurden.

Gegenstand der Proteste und ihrer Verfolgung ist eine gemeinsame Veranstaltung der Gelsenkirchener VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), des Vereins Gelsenzentrum e.V. und des Rosa-Luxemburg-Clubs Gelsenkirchen. Wir werden uns den Film „Verboten – verfolgt – vergessen“ von Daniel Burkholz ansehen und zwei Zeitzeugen, das Ehepaar Wils, wird von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Der Film von Daniel Burkholz dauert etwa 40 Minuten und entstand 2012 mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Filmveranstaltung und Zeitzeugengespräch finden am Montag, 12. Mai 2014 um 19.30 Uhr in der „die flora“, Florastraße 26 in 45879 Gelsenkirchen statt. Wer vorab mehr über den Film und die Zeitzeugen erfahren möchte, sei unter anderem auf den Blogeintrag von Anja Röhl verwiesen.

NPD-Wahlplakate falsch angebracht

NPD und AfDInzwischen muss man nur aus dem Haus gehen um festzustellen, dass wieder einmal Wahlen vor der Tür stehen. Am 25. Mai 2014 finden Kommunalwahlen, Wahlen zum Europaparlament und – für Migranten interessant – Wahlen zum Integrationsrat statt. Wie nicht anders zu erwarten, plakatiert auch die NPD wieder mit unappetitlichen Sprüchen, die m.E. nicht nur grenzwertig oder populistisch sind, sondern klar das vorurteilsvolle, rassistische Gedankengut der NPD-Anhänger zum Ausdruck bringen. „Geld für die Oma, statt für Sinti und Roma“ ist ein Beispiel dafür, wie man sich auf dem Rücken von Minderheiten zu profilieren versucht. Nun ist die politische Auseinandersetzung eine Sache, doch eher peinlich dürfte es für die NPD sein, dass sie wieder – wie schon früher – nicht in der Lage ist, die städtischen Auflagen, wie sie für alle anderen Parteien auch gelten, einzuhalten.

So schreibt die Sondernutzungserlaubnis der Stadt beispielsweise vor, dass Kreuzungen von Plakaten freizuhalten sind und Plakate nur an jeder 3. Anbringungsmöglichkeit (gemeint sind z.B. Laternenmasten) anzubringen sind. Spaziert man diese Tage auf der Florastraße zwischen Bismarcker Stern und Kurt-Schumacher-Straße, so fühlt man sich fast erschlagen von der Fülle unappetitlicher NPD-Plakate. In einem Brief an den Oberbürgermeister Frank Baranowski, der als Leserbrief auch der örtlichen WAZ-Redaktion zuging, zeigt ein Bürger dieser Stadt diese Verstöße auf und bittet die Stadt um Abhilfe.

„Ich bitte Sie, dieses durch Ihre Mitarbeiter überprüfen zu lassen und die nicht ordnungsgemäß angebrachten Plakate im gesamten Stadtgebiet auf Kosten der NPD zu entfernen. Dieses sollte sofort ohne vorherige Fristsetzung geschehen, da ein Abwarten die Duldung eines unrechtmäßigen Zustandes während der noch kurzen Wahlkampfzeit bedeuten würde. Da die Verstöße der NPD nicht zum ersten Mal geschehen sind,  bitte ich Sie weiterhin, zu prüfen, ob die NPD in zukünftigen Wahlkämpfen nicht von einer Sondernutzung ausgeschlossen werden kann – auch wenn sie bis dahin nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten worden ist.“

Während des letzten Wahkampfes hat die Stadtverwaltung übrigens reagiert.

Im Bild oben eine – wie ich finde – interessante Paarung an einem Laternenmast. Unter einem Plakat der NPD hängt eines der „Alternative für Deutschland“, welches „Mut zu Deutschland“ fordert. Ich frage mich, wer hier als zweites plakatiert hat: Die NPD oder die AfD?

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2014

Ostermarsch Gelsenkirchen 2014 16aWie auch schon in den Vorjahren hatten im Stadtgarten Gelsenkirchen das Friedensforum, Die Linke, die VVN und die MLPD ihre Stände aufgebaut. Anders als im letzten Jahr waren auch wieder die Bündnisgrünen mit einem Stand vertreten. Während das Friedensforum Kaffee und Kuchen feilbot, gab es an den anderen Ständen geistige Nahrung: Informationen und gute Gespräche. Oben im Bild der gut besuchte Stand des Friedensforums.

Ostermarsch Gelsenkirchen 2014 UkraineDie Krise in der Ukraine, die aus zeitlichen Gründen nicht mehr im offiziellen Ostermarsch-Aufruf erschien, fand dennoch ihren Weg in den Ostermarsch, wie zum Beispiel das Foto oben zeigt.

Ostermarsch Gelsenkirchen 2014 MahnmalDas besonders im Vergleich zum Vorjahr schöne Wetter hatte natürlich mehr Leute angelockt, die den gegen 11.30 Uhr aus Essen eintreffenden Fahrradkorso begrüßen konnte. Es folgte die Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus und die Rede von Rolf Heinrich, Pfarrer im Ruhestand, bevor sich der Fahrradkorso weiter auf den Weg über Wattenscheid nach Bochum machte. Das Wetter hatte der diesjährige Ostermarsch schon mal auf seiner Seite.

Ostermarsch Gelsenkirchen 2014 20aÜbrigens hatte es wie auch schon im Vorjahr am Vorabend im Paul-Loebe-Haus der Falken das traditionelle O-Ton-Festival gegeben. Leider hat uns diese Information erst sehr spät erreicht.

Leider nichts aus der Geschichte gelernt!

Linke Auslandseinsätze BTW 2013Seit heute sind auch die ersten fünf Bundestagsabgeordneten der Linkspartei für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Damit gibt es keine Antikriegspartei mehr im Deutschen Bundestag.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) hat von der Gründung als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein (ADAV) 1863 in Leipzig immerhin 51 Jahre gebraucht, bis sie 1914 im allgemeinen Kriegstaumel des Deutschen Kaiserreiches nicht mehr als „Vaterlandslose Gesellen“ abseits stehen wollte – und im Reichstag den Kriegskrediten und damit der Führung eines imperialistischen Krieges zustimmte. Der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 wurde der erste moderne Krieg mit all seinen Begleiterscheinungen und erschütterte Europa nachhaltig.

Bündnis 90/Die Grünen haben seit ihrer Gründung in den 1980er Jahren, wo sie als Die Grünen mit den Schlagworten basisdemokratisch, gewaltfrei, sozial, ökologisch angetreten waren, sehr viel weniger Zeit für einen ähnlichen „Lernprozess“ benötigt. Nach einer unerhört emotionalen Debatte in den 1990er Jahren zwischen „Bellizisten“ (Kriegsbefürwortern) und Pazifisten, die sich am Bürgerkrieg im sich auflösenden Jugoslawien entzündete, hat die erste rotgrüne Bundesregierung aus SPD und den dann spöttisch so bezeichneten „Jäger 90/Die Olivgrünen“ 1999 das Völkerrecht gebrochen, indem Deutschland gemeinsam mit den USA und anderen NATO-Staaten ohne ein UNO-Mandat Rest-Jugoslawien bombardierte. Damit wurde zum ersten Mal seit 1945, dem Ende des zweiten Weltkrieges, in Europa mit militärischer Gewalt ein Territorium eines Staates abgetrennt.

Am heutigen Mittwoch haben zum erstenmal fünf Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke für einen Bundeswehreinsatz im Ausland gestimmt. Noch haben 35 dagegen gestimmt, 18 enthielten sich und weitere 5 beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Die Vereinigung aus PDS und WASG liegt gerade mal 7 Jahre zurück, aber das Parteiprogramm aus dem Jahre 2011, welches das Ende aller militärischen Auslandseinsätze der Bundeswehr forderte, ist schon nicht mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben wurde. Daran ändert auch der Sophismus Gregor Gysis nichts, der im Pressegespräch mal eben erklärte, es handele sich um keinen Auslandseinsatz, da der Einsatz der Fregatte der Bundeswehr in internationalen Gewässern und nicht in einem anderen Land stattfände.