Archiv für den Monat August 2011

Kein Vergeben, kein Vergessen

Mir hätten fünf Anwesende für die kleine Gedenkveranstaltung zum 67. Jahrestag der Ermordung von Fritz Rahkob genügt, dass es dann doch vierzehneinhalb TeilnehmerInnen geworden sind, die sich heute um 18 Uhr vor der Gedenktafel zwischen Bildungszentrum und Hans-Sachs-Haus auf dem Fritz-Rahkob-Platz zusammen gefunden haben, freut mich umso mehr.

Für die Veranstaltung geworben haben wir per E-Mail und über Facebook, Die Linke und Der rote Emscherbote wiesen ebenfalls darauf hin, die mittels einer Pressemitteilung informierte örtliche Presse hatte gar nicht reagiert, nur von Radio Emscher-Lippe erhielt ich eine – automatisierte – Lesebestätigung.

Nach einer kurzen Begrüßung von Paul erinnerte ich an den Lebensweg von Fritz Rahkob, trug Katja ein Gedicht von Kurt Tucholsky vor und stellte Paul abschließend den Zusammenhang zur Gegenwart her. Er wies auf die geplante Nazi-Demo in Dortmund am 3. September 2011 hin und warb für die Gegendemonstration, damit wir den Nazis nicht unseren Antikriegstag als sogenannten „Nationalen Antikriegstag“ überlassen. Die Forderung „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ gehört untrennbar zusammen! Für eine Welt ohne Faschismus und ohne Krieg!

Kleine Gedenkveranstaltung für Fritz Rahkob

Es ist über 20 Jahre her, dass der Rat der Stadt Gelsenkirchen drei Plätze in der Gelsenkirchener Innenstadt nach örtlichen WiderstandskämpferInnen benannt hat: den Heinrich-König-, Margarethe-Zingler- und den Fritz-Rahkob-Platz.

In einer Stadt, die stark von Bergbau und Industrie geprägt war, war es nur logisch, dass der Widerstand gegen den Faschismus aus der Arbeiterschaft kam. Und diese Arbeiterschaft war politisch durch Sozialdemokratie, Kommunisten und Katholizismus vertreten. Heinrich König, Margarethe Zingler und Fritz Rahkob repräsentieren die Breite des Widerstands in Gelsenkirchen, der vor allem Arbeiterwiderstand war. Die Erinnerung an diese antifaschistischen Widerstandskämpfer hat in Gelsenkirchen zu Recht einen hohen Stellenwert.

Das Auftreten alter und neuer Nazis auch in Gelsenkirchen zeigt die Notwendigkeit sowohl zur Auseinandersetzung mit aktuellen rechten Positionen, als auch zu Gegenaktivitäten von Antifaschisten. Wir erachten aber auch die Auseinandersetzung mit den historischen Verbrechen des Faschismus für weiterhin notwendig, um einer Wiederholung dessen entgegen zu wirken.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Gelsenkirchen lädt anlässlich des 67. Jahrestages der Ermordung von Fritz Rahkob am Mittwoch, 24. August 2011, 18 Uhr zu einer kleinen Gedenkveranstaltung auf dem Fritz-Rahkob-Platz an der Gedenktafel zwischen Hans-Sachs-Haus und Bildungszentrum ein.

Kein Vergeben, kein Vergessen

Am 24. August 1944 wurde Fritz Rahkob durch Nazi-Schergen umgebracht. Der Vorwurf gegen den Antifaschisten war der des Hochverrates, tatsächlich ein konsequenter Kampf gegen Nazi-Deutschland.

An ihn wollen wir am 24. August 2011 um 18 Uhr auf dem Fritz Rahkob Platz erinnern. Sein damaliger „Hochverrat“ ist uns heute Vorbild und mahnt an seinen Kampf gegen Faschismus und Krieg.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Gelsenkirchen lädt alle Menschen herzlich zu diesem Gedenken und zur Niederlegung von Blumen ein.

FaschistInnen sind von dieser Veranstaltung ausgeschlossen.

Breites linkes Personenbündnis ruft zum Antikriegstag auf

Antikriegstag - Nie wieder KriegEin überraschend breites linkes Personenbündnis hat sich in Gelsenkirchen zusammengefunden und ruft auf der Basis eines Minimalkonsensus gemeinsam zum diesjährigen Antikriegstag am 1. September auf. Die Erstunterzeichner stammen unter anderem aus der Die Linke, der MLPD bzw. AUF, der DKP und der VVN.

Hier der Aufruf:

1. September – Internationaler Antikriegstag

Aufruf Gelsenkirchener Bürgerinnen und Bürger

Sehr geehrte Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener,

am 1. September vor 72 Jahren begann Nazideutschland mit dem Überfall auf Polen den II. Weltkrieg. Der faschistische Terror legte große Teile Europas in Schutt und Asche, auch Gelsenkirchen war bei Kriegsende eine Trümmerwüste. Mehr als 20.000 Menschen aus unserer Stadt bezahlten Naziherrschaft und Krieg mit ihrem Leben.

Die Überlebenden zogen damals die Schlussfolgerung:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Doch heute stehen wieder deutsche Soldaten im Ausland. Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz geht es dabei vorrangig um die Sicherung von Rohstoffen und Einflusssphären. Mehr als 50 deutsche Soldaten mussten dafür bereits ihr Leben lassen.

Wir begrüßen deshalb die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes:
„Wir fordern die Bundesregierung auf, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu beenden und die Zivilgesellschaft stärker zu unterstützen!
Der Einsatz in Afghanistan ist der Vorbote für weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ihre Neuausrichtung zur Interventionsarmee lehnen wir ab. … Wir fordern die Bundesregierung einmal mehr auf, Rüstungsexporte in Krisenregionen zu verbieten und Rüstungsausgaben nachhaltig zu senken!“

Die Rüstungsmilliarden fehlen gerade im Ruhrgebiet, um Arbeitslosigkeit und soziale Verarmung zu bekämpfen. Heute wie vor 1933 missbrauchen die Neofaschisten wirtschaftliche Not und Angst vor dem sozialen Abstieg für ihre faschistische Propaganda und rassistischen Terror. Dieser Gefahr müssen wir entschlossen begegnen:

  • Wir treten dafür ein, alle faschistischen Organisationen zu verbieten.
  • Am 3. September wollen Nazis erneut in Dortmund marschieren. Damit dürfen sie nicht durchkommen. Wir rufen alle Demokraten auf: beteiligt euch an den Aktionen „Dortmund stellt sich quer“.
  • Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Opfern und Angehörigen des faschisti-schen Terroranschlages in Norwegen.

Die Gelsenkirchener Friedensbewegung lädt Sie herzlich ein, am 1. September gemeinsam mit uns zu diskutieren und zu demonstrieren:

17.15 Uhr Informationen und Aktionen gegen Krieg (Preuteplatz / Bahnhofstraße)
17.30 Uhr Kundgebung auf dem Preuteplatz
18.30 Uhr Demonstration zum Mahnmal für die Opfer des Hitler-Faschismus im Gelsenkirchener Stadtgarten
19.00 Uhr Gedenkfeier für die Opfer von Krieg und Faschismus mit anschließender Blumenniederlegung

Hier ermordet

Rede Ursula Möllenberg  zur Verlegung eines Stolpersteins für Erich Lange „Am Rundhöfchen“, 1. August 2011

Verehrte Anwesende,
liebe Freunde,

wir sind froh und dankbar, dass nun an diesem zentralen Ort in Gelsenkirchen ein kleines Denkmal in Form eines Stolpersteins für E. Lange besteht – und nicht nur an diesem Ort, sondern auch an seiner damaligen Wohnstätte.

Erich Lange war eines der ersten Opfer der Faschisten in Gelsenkirchen. Er wurde hier, an dieser Stelle, am 22.3.1933 viehisch ermordet. Das geschah im Anschluss an einen Fackelzug, den die NSDAP veranstaltete, als Siegeszug für den Wahlsieg bei den Stadtratswahlen, bei denen sie 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Es hat im Vorfeld kritische Stimmen zur Verlegung eines Stolpersteins für Erich Lange gegeben, weil er in der SS gewesen war.

Erich Lange  hatte seinen Irrtum bald erkannt und war in den kommunistischen Jugendverband  eingetreten, wohl wissend, dass er damit die „Vergeltung“ der Nazis auf sich zog, die seinen Schritt als „Verrat“ auffassten. Die Nazis übten brutale Rache; sie tobten sich regelrecht an dem wehrlosen Opfer aus. Die Leiche Erich Langes war so zugerichtet, dass sie von seinen Freunden und Verwandten kaum wiedererkannt werden konnte. Das hat uns unsere Freundin, die verstorbene Antifaschistin Rosa Eck, berichtet, die Erich Lange gut kannte, und der es heute eine besondere Genugtuung wäre, dass ihr Jugendfreund diese späte Ehrung erfährt.

Seit den Anfängen der Bundesrepublik, und in letzter Zeit verstärkt, werden Faschismus und Kommunismus gleichgesetzt. Das ist ein ideologisches Konstrukt, das von den wahren Ursachen des deutschen Faschismus und von der Unterstützung mächtiger Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft für die Errichtung der Nazidiktatur ablenken soll. Es trägt dazu bei, dass der Faschismus verharmlost wird, und verhindert, dass Lehren aus der schrecklichen Vergangenheit gezogen werden.

Unsere heutige Gesellschaft ist wieder – wie damals – von verfestigter Massenarbeitslosigkeit und daraus resultierender Perspektivlosigkeit  für große Teile der Jugend gekennzeichnet. Und es greift  Rechtspopulismus um sich, wird gefördert und trifft auf immer größere Zustimmung. Nach wie vor treiben neonazistische Kräfte ihr Unwesen, ohne dass ihnen staatlicherseits das blutige Handwerk gelegt wird. 149 Todesopfer gehen bereits auf ihr Konto und trotzdem geht man sehr behutsam gegen sie vor, beschwört dabei  immerzu die Gleichheit von Rechts- und Linksextremismus, die angeblich aus den Rändern der Gesellschaft kommen, obwohl die Rechtsentwicklung damals wie heute in der  Mitte der Gesellschaft entsteht. Mit der Extremistenthese wird geheimdienstliche Überwachung und die alltägliche Diffamierung der Linken gerechtfertigt.

Die derzeitige Bundesregierung entblödet sich nicht, die finanzielle Unterstützung antifaschistischer Initiativen davon abhängig zu machen, dass sie sich von Links„extremisten“ distanzieren.

Es ist eine verhängnisvollen Entwicklung, der sich alle Demokraten nachdrücklich in den Weg stellen und kompromisslos das Verbot jeglicher neofaschistischer Betätigung, wie es im Grundgesetzt verankert ist, fordern sollten.

Als Antifaschisten sehen wir den nach dem barbarischen Zweiten Weltkrieg geleisteten Schwur antifaschistischen Schwur  „Nie wieder“ als Vermächtnis an, und wir werden nicht aufhören, gemeinsam unsere Kraft aufzubieten,  um ihn zu bekräftigen und ihm Geltung zu verschaffen.

Weitere Stolpersteine erinnern an Gelsenkirchener Opfer der Nazis

Zwischen 14.00 Uhr und 17.30 Uhr verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig am heutigen Montag weitere 18 Stolpersteine für von den Nazis ermordete Menschen an insgesamt 10 Orten in Gelsenkirchen und erinnerte mit uns an Oskar Behrendt, Erich Lange, Isidor und Elfriede Wollenberg, Isidor Kahn, Fritz Rahkob, Friederich Poburski, Peter Heinen, Paul Kusz, Moritz und Toni Meyer, Hermann, Martha, Heinrich, Käthe und Ruth Hirschhorn sowie Kurt Rosengarten.

Stolperstein am letzten Wohnort von Erich LangeWieder einmal war ich beeindruckt, mit welcher Ruhe und Routine Demnig seine Stolpersteine verlegt. An den drei geteerten Stellen hatte die Stadtverwaltung dieses Mal vorgesorgt und Löcher in der Größe des Stolpersteins bzw. der Stolpersteine vorgearbeitet. An allen anderen Stellen wurde zunächst der Pflasterstein an- bzw. ausgehoben. Die großen quadratischen Steinplatten wurden komplett entfernt und durch den Stolperstein und ihn umrandende Steine ersetzt. Bei kleineren Pflastersteinen konnte Demnig anders arbeiten und z.B. den Pflasterstein halbieren, so dass der Stolperstein genau in die Lücke passte.

Hier ermordetDas Wetter zeigte sich von seiner schönen Seite und die Sonne schien auf die einzelnen, kleinen Gedenkveranstaltungen. Gedacht wurde mit den Stolpersteinen Kommunisten, Zeugen Jehovas und Juden. So unterschiedlich die Gründe für die Verfolgung durch die Nazis auch waren, die Schicksale ähnelten sich. Wollten Kommunisten und Zeugen Jehovas sich den Nazis nicht beugen und nicht anpassen, wurden Juden aus Gründen verfolgt, für die sie gar nichts konnten. Die unterschiedlichen Opfergruppen zeigen einmal mehr die Willkür der Nazi-Herrschaft; ihre Verteilung in Gelsenkirchen zeigt, dass man es unmöglich nicht gewußt haben konnte.

Enkel von Oskar BehrendtDie Paten der einzelnen Steine hatten sich ganz unterschiedlich vorbereitet. So trugen beispielsweise die Enkel von Oskar Behrendt zu diesem Anlass T-Shirts mit dem Aufdruck „Enkel von Oskar Behrendt“ und verteilten Postkarten mit dessen Foto sowie einer Abbildung seiner Brille und des Türschildes. Für die jüdischen Opfer wurde durch den Vorbeter der jüdischen Gemeinde das Totengebet „El Male Rachamim“ gebetet. In allen Fällen gab es einen Verwandten oder auch einen anderen Paten, der über die Person, der mit dem Stolperstein erinnert werden soll, berichten konnte.

Am RundhöfchenAls bemerkenswert in Erinnerung geblieben sind mir der Beitrag von Alexander Behrendt, der von seiner Überraschung berichtete, dass sein Großvater Stadtverordneter der KPD war und die Rote Hilfe, „einer Art AWo der KPD“ unterstützte; der Beitrag von Ulla Möllenberg, die an den „Überläufer“ von den Nazis zu den Kommunisten Erich Lange erinnerte und die Unterschiedlichkeit von Nazis und Kommunisten zeigte; der Beitrag von Ludwig Baum über die Leidensgeschichte der Eheleute Wollenberg; der Beitrag von Karlheinz Rabas über das Leben von Fritz Rahkob; die kenntnisreichen Beiträge von Dr. Michael Krenzer zu den verfolgten Zeugen Jehovas, Friedrich Poburski und Peter Heinen.

Abschluss auf der Bismarckstraße 152Den Abschluss fand der Tag mit einer mehr als halbstündigen Verspätung auf der Bismarckstraße 152 in Anwesenheit des Oberbürgermeisters Baranowski. Hier verlegte Demnig insgesamt 8 Stolpersteine, begleitet von dem Gelsenkirchener Jazz- und Klezmer-Musiker Norbert Labatzki.

Weiter geht es am 20. August 2011, an diesem Tag wird Gelsenzentrum vier weitere Stolpersteine im Auftrag von Demnig verlegen.