Archiv für den Monat November 2019

Skandal: Berliner Finanzamt erklärt Antifaschisten für nicht gemeinnützig!

Ostermarsch Rhein Ruhr 2017 im Stadtgarten Gelsenkirchen am Mahnmal für die Opfer des Faschismus, immer mit dabei: die VVN-BdA.

Nachdem der drohende Entzug der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA NRW dank zahlreicher Unterstützerinnen und Unterstützer im Land im Laufe diesen Jahres abgewendet werden konnte, trifft nun die Bundesvereinigung der VVN-BdA der Entzug der Gemeinnützigkeit durch das Berliner Finanzamt mit voller Wucht. Noch in diesem Jahr muss die VVN-BdA Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe zahlen. Der Vorwurf, der erhoben wird, ist immer derselbe und beruht auf den bayerischen Verfassungsschutzbericht, denn dort wird die VVN-BdA als „linksextremistisch beeinflusst“ dargestellt. Das CSU-Land ist das einzige Bundesland, in dem die VVN-BdA noch im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird.

Damit ist – wie übrigens schon früher in der Geschichte unseres Landes – die Existenz einer traditionsreichen Organisation bedroht, die 1947 von den Überlebenden der Kontrationslager und Gefängnissen gegründet worden ist. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ist die älteste und größte, und zugleich überparteiliche und überkonfessionelle antifaschistische Organisation in Deutschland. Sie verbindet die Generation der Verfolgten und Widerstandskämpfern sowie ihrer Nachkommen mit jungen Antifaschistinnen und Antifaschisten, tritt für Frieden und Völkerverständigung ein und hat gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit geraten sind. Die VVN-BdA hält nicht nur die Erinnerung an die Vergangenheit wach, sondern informiert über aktuelle neofaschistische Umtriebe und organisiert den Widerstand in breiten Bündnissen.

Es mutet schon grotesk an, wenn das Berliner Finanzamt genau das zivilgesellschaftliche Engagement behindert, das von Regierung und Parteien angesichts schrecklicher rechtsterroristischer Verbrechen allenthalben eingefordert wird. In ihrer Stellungnahme fordern die beiden Bundesvorsitzenden der VVN-BdA, Cornelia Kerth und Dr. Axel Holz, „praktische Unterstützung für alle zivilgesellschaftlichen Gruppen und Organisationen, die die Grundwerte des Grundgesetzes gegen rassistische, antisemitische, nationalistische und neofaschistische Angriffe verteidigen!“

Nach einem Bericht des Tagesspiegels protestiert das Internationale Auschwitz-Komitee gegen den Beschluss des Berliner Finanzamts. Der Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner bezeichnet die Entscheidung „vor dem Hintergrund alltäglicher rechtsextremer Bedrohung“ als Skandal. Weiter schreibt der Tagesspiegel: „Deutschlands Ansehen werde beschädigt und das gemeinsame Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erheblich geschwächt.“ Weitere Kritik kommt unter anderem von Sigmount Königsberg, dem Beauftragten der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegen Antisemitismus sowie aus den Reihen der Berliner Linke und der Berliner Grünen.

Deutliche Kritik kommt auch aus dem permanenten Arbeitsausschuss des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“, in dem neben der VVN/BdA Attac, die NaturFreunde Deutschlands, Jusos und Die LINKE vertreten sind. Uwe Hiksch, Mitglied im Bundesvorstand der NaturFreunde Deutschlands findet es „angesichts eines gesellschaftlichen Klimas, das auch in diesem Jahr extrem rechte Täterinnen und Täter zu Gewalttaten bis hin zu Morden ermutigt hat, absolut unverständlich, dass das Berliner Finanzamt antifaschistischem Engagement die finanzielle Basis zu entziehen versucht und die Existenz der VVN-BdA und damit auch von ‚Aufstehen gegen Rassismus’ bedroht.“

Die Zeitung „Neues Deutschland“ berichtet unter der Überschrift „Finanzamt killt Antifa“, die „junge Welt“ mit dem Titel „Ämter gegen Antifa“. Doch so leicht wird sich die größte und älteste antifaschistische Organisation Deutschlands, die im Kalten Krieg schon ganz andere Stürme durchgestanden hat, nicht unterbuttern lassen!

Aus der Geschichte nichts gelernt!

Gegendemonstration von „DU+Wir“ am Duisburger Hauptbahnhof am 17.11.2019.

Am heutigen Volkstrauertag, während der Nazi-Zeit „Heldengedenktag“ genannt, demonstrierten in Duisburg Rechtsextremisten in der Duisburger Innenstadt. Hunderte Gegendemonstranten stellten sich in Sicht- und Hörweite lautstark den Faschisten entgegen! Insgesamt beteiligten sich mehr Menschen an den Gegendemonstrationen als bei den Rechten mitmarschierten.

Die Demonstration von „Du+Wir“ begann um 13 Uhr auf der Bahnhofsplatte, die von „Duisburg stellt sich quer“ eine halbe Stunde später am Marientor. Weitere Treffpunkte gab es für den „aktionsorientierten“ Teil der Demonstranten, die mit Blockaden den Ablauf der rechten Demo störten. Versuche von Gegendemonstranten, vom Weihnachtsmarkt aus auf die geplante Route der Rechten zu kommen, vereitelte die Polizei mindestens zweimal. Einen Punkt zum Aufwärmen bot die Cubus Kunsthalle, den ich dankbar wahrnahm.

Dieses Mal nahm ich nicht an den Demonstrationen teil, sondern beobachtete von verschiedenen Standpunkten aus ihren Verlauf. Als Einzelperson wird man von der Polizei kaum wahrgenommen; während größere Gruppen an den Polizeisperren scheiterten, konnte ich dahinter in aller Seelenruhe die Demoroute der Rechten ablaufen und ihrer Demo entgegen gehen. Gelegentlich schien ich die Polizisten nur zu irritieren. So kam ich unerwartet nah an die Demonstration der Rechtsextremisten, die Transparente und Nationalfahnen mit sich führten. Hier war kein weltoffenes „Zu Gast bei Freunden“ wie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 mehr zu erkennen. Die schwarzrotgoldenen Fahnen des demokratischen Deutschlands umflatterten dumpfe Gesichter und widerliche Parolen. (KM)

Nachruf auf einen Antifaschisten

Wolfgang Meyer im Einsatz für die „roten Bananen“.

Völlig überrascht wurde ich durch die Nachricht vom Tod Wolfgang Meyers. Die Ratsfraktion der Die Linke teilte gestern mit, dass er am vergangenen Sonntag im Alter von nur 65 Jahren plötzlich und völlig unerwartet gestorben ist. Er wird uns fehlen.

Kennen und schätzen gelernt hatte ich ihn ab 2005 als Mitglied im Rat der Stadt Gelsenkirchen, wo er zusammen mit Ulla Möllenberg die damalige PDS vertreten hatte. Während der Auseinandersetzungen, die der Fusion von WASG und PDS zur Die Linke in Gelsenkirchen seit 2007 folgten, traten wir damals mit vielen engagierten Linken zur Kommunalwahl 2009 als Die Linke Alternative mit dem Loge der „roten Bananen“ an. Einer unserer Wahlkampf-Slogans, „Linke Politik für die Mehrheit“, war Wolfgangs Erfindung! Während ich mich danach aus der Parteipolitik verabschiedet hatte, hat sich Wolfgang nach dem Austritt der Pseudo-Linken, die bereits nach einem Jahr die Partei Die Linke verließen und das sogenannte „Bürger-Bündnis-Gelsenkirchen“ gründeten, wieder aktiv in der örtlichen Linkspartei engagiert. Die Linke kehrte 2014 erfolgreich mit einem linken Politikanspruch in den Rat der Stadt Gelsenkirchen und Wolfgang Meyer in die Bezirksvertretung Ost zurück.

„Vorabendwahlparty“ 2009 im Stadtgarten Gelsenkirchen.

Mit Wolfgang Meyer verlieren wir nicht nur einen engagierten Streiter für soziale Gerechtigkeit und einen begnadeten Bluessänger, sondern auch einen überzeugten Antifaschisten. Unvergessen bleibt seine Auseinandersetzung mit Kevin Gareth Hauer (Die Republikaner, Pro NRW etc.) über die von Wolfgang 2007 an Hauer gerichtete Aussage „Das Du ein alter Nazi bist, wissen wir doch!“ Die Auseinandersetzung führte beide bis vor Gericht. Nachdem das Landgericht Essen Wolfgang zunächst bei hoher Geldstrafe untersagt hatte, Hauer einen „alten Nazi“ zu nennen, gab ihm das Oberlandesgericht Hamm im Juli 2008 in in der Revision schließlich Recht. Nicht nur Die Linke wird ihn in einer Zeit vermissen, in der eine sogenannte „Alternative für Deutschland“ in Gelsenkirchen 17 % der Wählerstimmen erhält.

Die drei Plakatmotive der Die Linke Alternative zur Kommunalwahl 2009 in Gelsenkirchen.

Nie wieder! – Damit Vergangenheit nicht Zukunft wird!

Gedenkdemonstration am 09.11.2019 in Essen. Mit im Bild das neue Transparent der Essener VVN-BdA.

Eine beeindruckende Gedenkveranstaltung, die Erinnerung und Mahnung miteinander verband, fand gestern Abend in der Essener Innenstadt statt. Rund 200 Menschen waren dem gemeinsamen Aufruf des antirassistischen und antifaschistischen Bündnisses „Essen stellt sich quer“, der Alten Synagoge Essen, dem Antirassismus-Telefon, dem Schauspiel Essen (Grillo-Theater) und der VVN-BdA Essen gefolgt.

Wie im vergangenen Jahr habe ich auch in diesem Jahr an der Gedenkdemonstration in Essen teilgenommen. Dort präsentierte die Essener Kreisvereinigung der VVN-BdA ein neues Transparent, das sehr viel Aufmerksamkeit erweckte. Mein Bericht über die Veranstaltung findet sich wegen der überregionalen Bedeutung auf der Website der Landesvereinigung NRW der VVN-BdA.

Bald Rosa-Böhmer-Platz in Gelsenkirchen!

Mein inzwischen veralteter Gestaltungsvorschlag für eine Gedenktafel aus dem Jahre 2013 nach dem Vorbild der Gedenktafeln für die vier anderen innerstädtischen Plätze, die an Opfer und Gegner des NS-Regimes erinnern.

Nach vier Blog-Beiträgen mit einem Fragezeichen folgt dieser fünfte Beitrag nun mit einem Aufrufungszeichen in der Überschrift. Am 06.11.2019 hat die Bezirksvertretung Mitte einstimmig der Benennung eines Platzes in der Innenstadt nach Rosa Böhmer zugestimmt. Zwischen 1986 und 1988 waren in Gelsenkirchen insgesamt vier innerstädtische Plätze nach Opfern und Gegnern des NS-Regimes benannt worden. Margarethe-Zingler-Platz, Fritz-Rahkob-Platz, Heinrich-König-Platz und Leopold-Neuwald-Platz erinnern stellvertretend an Verfolgung und Widerstand von Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen und Juden. Der Rosa-Böhmer-Platz wird nun an das Schicksal des Sinti-Mädchens Rosa Böhmer und damit stellvertretend an die Verfolgung und Vernichtung der Sinti und Roma in der Nazi-Zeit erinnern.

Die Anregung dazu lieferte 2013 Andreas Jordan (Gelsenzentrum e.V.) in einem Bürgerantrag. Nachdem der zweite Platzvorschlag hinter dem Bildungszentrum keine Zustimmung gefunden hatte (ein erster vor dem Hans-Sachs-Haus war bereits abgelehnt worden), erhält nun ein neu gestalteter Platz, „der sich ca. 25 Meter westlich der Ebertstraße zwischen der Stadtbahntunnelöffnung im Norden und der Vattmannstraße im Süden erstreckt“ den Namen Rosa-Böhmer-Platz. Er befindet sich in der Nähe des Fritz-Rahkob- sowie des Leopold-Neuwald-Platzes und erhöht die Zahl der innerstädtischen Plätze, die nach Gegnern und Opfern des NS-Regimes erinnern, auf Fünf.

Rosa Böhmer und ihre gesamte Familie wurde in Konzentrationslagern ermordet. Ihr Vater starb im Dezember 1941 im KZ Niederhagen (Wewelsburg). Rosa wurde direkt aus der Schule unter beabsichtigter Umgehung der Pflegeeltern zusammen mit ihrer Mutter und sechs Geschwistern Anfang März 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Rosa Böhmer starb am 13. August 1943 im Alter von 9 Jahren. Das Institut für Stadtgeschichte wird eine Erinnerungsortetafel anbringen, „die in Verbindung mit Rosa Böhmer auf die Verfolgung der Sinti und Roma in der nationalsozialistischen Zeit hinweist.“

Ich freue mich schon auf die Einweihung und hoffe auf einen würdevollen Rahmen!