Archiv für den Monat Juli 2019

Jugendliche Mitmenschlichkeit contra bürgerliche Kälte

Gestern Abend fand im Stadtsüden eine Veranstaltung statt, die mit „Kino im Subversiv“ nur sehr unzureichend bezeichnet ist. Das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung zeigte nicht nur den Film „Juventa, Seenotrettung – Ein Akt der Menschlichkeit“ von Michele Cinque. Im Anschluss stellte sich noch ein ehemaliges Mitglied der Schiffscrew den Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer und berichtete lange aus eigener Erfahrung über Schwierigkeiten und Hintergründe der Rettungsaktivitäten im Mittelmeer. Trotz der Hitzewelle hatten sich rund 30 Menschen in das Ladenlokal an der Bochumer Straße eingefunden. Erst gegen 23 Uhr hatte der größte Teil des Publikums das Freiraumprojekt in Ückendorf verlassen.

Der Film zeigt die Geschichte einer Gruppe junger engagierter Leute, die im Herbst 2015 in Berlin die Initiative „Jugend rettet“ gründet. Über eine Crowdfunding-Kampagne kaufen sie einen umgebauten Fischkutter und taufen ihn auf den Namen „Juventa“. Im darauffolgenden Jahr startet ihr Schiff zu seiner ersten Mission und schließt sich den Schiffen verschiedener NGOs, der italienischen Küstenwache sowie der Marine an. Nach fast zwei Jahren Einsatz und etwa 14.000 auf hoher See geretteter Menschen wurde im August 2017 das Schiff überraschend beschlagnahmt und von den italienischen Behörden in Lampedusa festgesetzt.

Über ein Jahr lang verfolgt der Film das Leben der jungen Besatzung, fängt die gesamte Spanne der Mission ein, beginnend mit dem Moment, in dem sie in See stechen und ihr unglaubliches Vorhaben wahr wird, bis zu dem Punkt, an dem dieses mit den politischen Realitäten kollidiert. Beeindruckend sind die Aufnahmen von den Rettungsaktionen auf dem Meer, die Gespräche mit den Geretteten und die Darstellung ihrer Lebendigkeit. Den inzwischen angeklagten Besatzungsmitgliedern, dies zeigt der Film nicht mehr, wird Beihilfe zur illegalen Einwanderung, mit hohen Strafen bewehrt, vorgeworfen.

Dabei ist es in diesem Fall Italien, das unrechtmäßig handelt und die jugendlichen Seenotretter kriminalisiert. Nach internationalem Seerecht sind Schiffbrüchige in den nächstgelegenen, sicheren Hafen zu bringen. Das Bürgerkriegsland Libyen mit seinen an KZs erinnernden „Internierungslagern“, in denen Folter und Vergewaltigung herrscht, und aus dem die Schiffbrüchigen geflohen sind, erfüllt dieses Kriterium nicht. Zuletzt ging der Fall der 31jährigen deutschen Kapitänin der Sea-Watch 3, Carola Rackete, durch die Medien, die nach über zweiwöchiger Hängepartie mehrere Dutzend Geflüchtete in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa brachte und dafür beleidigt und verhaftet wurde.

Doch greift es zu kurz, nur Italien zu kritisieren, das wie Griechenland mit den Geflüchteten alleine gelassen wird. Die ganze Europäische Union versagt in dieser Frage vollkommen. Statt alles daran zu setzen, Menschenleben zu retten, erleben wir von Seiten der europäischen Nationalstaaten einen Tiefpunkt an Solidarität und Menschlichkeit. Die staatliche Seenotrettung wurde eingestellt, die zivile Seenotrettung wird aktiv behindert und kriminalisiert und es erfolgt eine Zusammenarbeit mit der paramilitärischen Organisation eines von der westlichen Welt zerstörten Staates wie der sogenannten libyschen Küstenwache.

Die Grenze für die Geltung sogenannter westlicher Werte setzt offenbar die Hautfarbe. Wir brauchen uns über den Rassismus in unseren Städten nicht zu wundern, wenn die gesamte offizielle Politik in Wirklichkeit rassistisch ist. Statt Fluchtursachen werden Geflüchtete bekämpft. Bewundernswert dagegen ist das Engagement junger Menschen, die ihre Lebensplanung ändern und sich mit ihren Mitteln gegen diese Politik stemmen.

Mitveranstalter im Rahmen des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung war neben dem Subversiv auch die VVN-BdA Gelsenkirchen. In der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ist die Erinnerung daran wach, dass viele Menschen die Nazi-Barbarei nur dadurch überleben konnten, dass sie in ein sicheres Land flohen.

„Notstand der Menschlichkeit“ auch in Gelsenkirchen ausgerufen!

Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz am 06.07.2019 – in Gelsenkirchen wie in fast 100 weiteren Städten.

Zehntausende Menschen in 95 Städten demonstrierten am heutigen Samstag unter dem Motto der von der Seebrücke ausgerufenen „Notstand der Menschlichkeit“. Gelsenkirchen gehörte dazu!

In Gelsenkirchen hatten wir vom Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung sehr kurzfristig organisiert und von 17.00 bis 18.00 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz aufgerufen. Hatte ich befürchtet, mit sechs Leuten da zu stehen, wurde ich von rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern positiv überrascht.

Neben unseren Transparenten, die wir zeigten, wurden einige Reden gehalten und unser vorbereitetes Flugblatt unter die Leute gebracht. Die Reaktionen der vorübergehenden Passanten waren wie erwartet: es gab positive und negative Reaktionen. Viele lächelten uns zu oder zeigten anders ihre Unterstützung für unsere Position, andere machten schon mit einem grimmigen Gesichtsausdruck deutlich, dass sie anderer Meinung sind.

Jedenfalls haben wir denen, die unserer Meinung sind gezeigt, dass sie damit nicht alleine stehen.

Solidarität mit Sea-Watch!

Aufmacher des Flyers des Aktionsbündnisses, von mir blau eingefärbt.

Das Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung ruft für den Samstag, 6. Juli 2019 von 17 bis 18 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz in Gelsenkirchen auf. Anlass ist der Notstand der Menschlichkeit, den die Seebrücke ausgerufen hat. An diesem Tag werden in vielen Städten Deutschlands Kundgebungen und Mahnwachen stattfinden, um Zeichen der Solidarität mit der Seenotrettung und mit Geflüchteten zu setzen.

In Gelsenkirchen ruft das Aktionsbündnis zu einer Kundgebung auf und fordert:
– Gelsenkirchen soll ein sicherer Hafen werden und weiterhin Menschen aufnehmen, die vor Krieg, Elend und Hunger fliehen müssen.
– Entkriminalisierung von Seerettung und den Aufbau von einer EU-Seerettungsmission im Mittelmeer.
– Die Bekämpfung von Fluchtursachen muss endlich angegangen werden (z.b. ein Ende von Waffenlieferungen, Umweltzerstörung und Aufbauhilfe).
– Schließen wir uns zusammen und unterstützen wir Seenotrettung z.b. durch Spenden an https://sea-watch.org/.

Das Aktionsbündnis ruft alle Gelsenkirchener auf, sich diesen Forderungen anzuschließen.

Derzeit ertrinkt jede sechste Person während des Versuchs, das Mittelmeer zu überqueren. Seit 2014 sind bereits über 17.000 Menschen vor den Toren unseres Kontinents ertrunken. 2019 sind es bereits 590 ertrunkene Menschen. Gleichzeitig werden die Seenotretterinnen und Seenotretter wie z.B. aktuell die Kapitänin Carola Rackete kriminalisiert. Die 31jährige deutsche Kapitänin der Sea-Watch 3 brachte nach über zweiwöchiger Hängepartie mehrere Dutzend Geflüchtete in den Hafen der italienischen Insel Lampedusa und wurde dafür festgenommen und wird trotz der inzwischen erfolgten Freilassung von der italienischen Regierung kriminalisiert.

„Europa“ versagt in dieser Frage vollkommen. Statt alles daran zu setzen, Menschenleben zu retten, erleben wir von Seiten der europäischen Nationalstaaten einen Tiefpunkt an Solidarität und Menschlichkeit. Menschen werden in libysche Folterlager zurückgewiesen, die Rettung von Menschen wird aktiv blockiert und zivile Seenotrettungsschiffe werden über Wochen daran gehindert mit geretteten Menschen an Bord in einen sicheren Hafen zu fahren.

Die Kundgebung des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung findet am Samstag, 6. Juli 2019, von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz (10), in 45879 Gelsenkirchen statt. (Ausgeschlossen sind wie immer Rechte und andere Nazis, ebensowie Menschen die durch Sexismus, Nationalismus und Rassismus auffallen oder aufgefallen sind! Partei- und Nationalfahnen sind nicht erwünscht.)

Seenotrettung ist kein Verbrechen!

Die Seebrücke ist eine internationale, zivilgesellschaftliche Bewegung, in der sich verschiedene Bündnisse und Einzelpersonen mit den Menschen auf der Flucht solidarisieren und die von der Politik sichere Fluchtwege, die Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Geflüchteten fordert. Aus aktuellem Anlass ruft die Seebrücke für den 6. Juli bundesweit zu Kundgebungen auf. Auch in Gelsenkirchen ist eine Aktion geplant.

Die Seebrücke fordert unter anderem: „Menschen auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität. Migration ist und war schon immer Teil unserer Gesellschaft! Statt dass die Grenzen dicht gemacht werden, brauchen wir ein offenes Europa, solidarische Städte und sichere Häfen.“

Gegenwärtig beherrscht die Kapitänin der Sea-Watch, Carola Rackete die Nachrichten. Nach über zweiwöchiger Hängepartie ist sie mit der Sea-Watch 3 den Hafen der italienischen Insel Lampedusa angelaufen, um aus Seenot gerettete Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen. Rackete wurde von italienischen Behörden verhaftet, unter Hausarrest gestellt und nach internationalen Protesten inzwischen wieder frei gelassen.

Aktuell ertrinkt jede sechste Person während des Fluchtversuchs über das Mittelmeer. Die Seebrücke ruft den Notstand der Menschlichkeit aus und ruft für Samstag, 6. Juli 2019 zu bundesweiten Demonstrationen auf. Gegenwärtig sind Demonstrationen und Mahnwachen in über 50 Städten angekündigt, darunter auch in unseren Nachbarstädten Bochum, Essen, Duisburg und Dortmund sowie in Düsseldorf. In Gelsenkirchen plant das Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung ebenfalls für den 6. Juli 2019 eine Aktion.