Archiv für den Monat September 2010

Dritter Namensvorschlag für den „Paul-Schossier-Weg“

Nachdem die Stadt sich entschlossen hat, den „Paul-Schossier-Weg“ umzubenennen, da es sich bei Paul Schossier um einen NS-Täter handelt, der sich mitschuldig an der Ermordung der Gelsenkirchener Sinti und Roma in Auschwitz gemacht hat, hat Andreas Jordan vom Gelsenzentrum einen neuen, dritten Namensvorschlag eingebracht.

In Ergänzung seines Antrags auf Umbenennung vom 6. März 2008 regte er am 18. September 2010 an, den Weg in „Rosa-Böhmer-Weg“ umzubenennen. „Das Sinti-Mädchen Rosa Böhmer, geboren am 22. September 1933 in Gelsenkirchen, wurde am 13. August 1943 in Auschwitz ermordet. Nach der zwangsweisen Auflösung der Familie Böhmer, die voll integriert in Gelsenkirchen lebte, kam Rosa Böhmer zu Pflegeeltern nach Hövelhof (Paderborn). Schließlich wurde Rosa Böhmer 1942 von Gestapobeamten aus dem Schulunterricht geholt und deportiert. Rosa Böhmers Verfolgungsschicksal soll  an die aus Gelsenkirchen verschleppten und ermordeten Sinti und Roma erinnern, an deren Ermordung  Paul Schossier nicht unerheblich beteiligt war. Die Vita der Rosa Böhmer wurde bereits dokumentiert und ist sowohl Herrn Goch vom ISG wie auch dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma bekannt.“

Damit liegen mit „Grit-Weißberg-Weg“, „Anne-Frank-Weg“ und nun „Rosa-Böhmer-Weg“ drei Namensvorschläge vor, die sich auf die Opfer des Nationalsozialismus beziehen. Vor allem der jüngste Namensvorschlag bezieht sich sehr konkret auf die durch Schossier verfolgten Sinti und Roma und wäre eine angemessene Namenswahl.

Aus „Paul-Schossier-Weg“ wird „Grit-Weißberg-Weg“?

Paul-Schossier-Weg - Foto Heinz H - Gelsenkirchener GeschichtenWie Andreas Jordan heute mitteilte, wurden die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts für Stadtgeschichte zur Rolle von Straßen-Namensgebern im öffentlichen Raum gestern der Öffentlichkeit vorgelegt. In diesem Zusammenhang rückt die Umbenennung des „Paul-Schossier-Weg“ endlich auf die Tagesordnung.

Bekannt war die Mittäterschaft des Stadtrates Paul Schossier am Völkermord an den Gelsenkirchener Sinti und Roma während der NS-Zeit schon länger; schon 1966, als die Straße nach seinem Tod nach ihm benannt worden war, galt er als „umstritten“.

Paul Schossier, am 11. Oktober 1884 in Gelsenkirchen geboren, studierte nach Abschluss der Reifeprüfung 1904 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Freiburg, München und Münster. Anschließend arbeitete er zunächst als Gerichtsassessor in Buer, später nach seiner Militärzeit war er kurze Zeit Richter am Buerschen Amtsgericht. Seit 1928 war er Schul- und Kulturdezernent der Stadt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 blieb Paul Schossier in dieser Funktion. Im gleichen Jahr  wurde er Mitglied verschiedener NS-Organisationen, wie z.B. der NS-Volkswohlfahrt. Der Antrag auf Aufnahme in die NSDAP wurde 1937 gestellt, 1939 trat er der Partei bei. Ab 1942 übernahm Schossier auch das Rechts- und Polizeidezernat.

Bereits 1999 hatte Stefan Goch, Mitarbeiter des Instituts für Stadtgeschichte, in seinem Buch „Mit einer Rückkehr nach hier ist nicht mehr zu rechnen – Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma während des ‚Dritten Reiches‘ im Raum Gelsenkirchen” die Rolle von Paul Schossier im Zusammenhang mit der Umsetzung des so genannten “Auschwitz-Erlasses” in Gelsenkirchen beleuchtet.

Erst nach der Veröffentlichung von neuen Rechercheergebnissen durch den Verein Gelsenzentrum im Februar 2008 und einem Antrag auf Umbenennung des Paul-Schossier-Weges durch Andreas Jordan kam weiter Bewegung in die Sache. Oberbürgermeister Baranowski reagierte und gab eine Untersuchung in Auftrag, deren Ergebnis nun vorliegt. 2008 hatte Andreas Jordan bei der Bezirksvertretung Nord übrigens beantragt, den „Paul-Schossier-Weg“ in „Grit-Weißberg-Weg“, nach einer Antifaschistin aus der Feldmark, bzw. alternativ in „Anne-Frank-Weg“, umzubenennen.

Das Foto oben stammt von Heinz H aus den Gelsenkirchener Geschichten, wo über dieses Thema ebenfalls diskutiert worden ist.