Archiv für den Monat März 2022

Baustellen der Verfolgung und des Widerstandes in Gelsenkirchen abgeschlossen

Die Erinnerungsortetafel auf dem Margarethe-Zingler-Platz.

Vor nunmehr fünf Jahren, im Jahre 2017 hatte die VVN-BdA Gelsenkirchen die innerstädtischen Baumaßnahmen zum Anlass genommen, eine Anregung nach § 24 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung an den Rat der Stadt Gelsenkirchen einzureichen, um die vier innerstädtischen Plätze, die an Gegner und Opfer des Faschismus erinnern, als Plätze der öffentlichen Begegnung und der Erinnerung zu bewahren.

Zu den vier Plätzen, die an die Sozialdemokratin Margarethe Zingler, den Kommunisten Fritz Rahkob, den Geistlichen Heinrich König sowie den Juden Leopold Neuwald erinnern ist in der Zwischenzeit ein fünfter Platz hinzugekommen, der an das Sinti-Kind Rosa Böhmer erinnert. Die Neugestaltung der Plätze ist längst abgeschlossen, nur auf dem Margarethe-Zingler-Platz stand noch immer die alte Erinnerungsortetafel.

Aufgrund der Corona-Pandemie war die Aufstellung einer neuen Tafel verschoben worden. Nun, mit der auch hier neu aufgestellten Tafel, ist die Umgestaltung der Plätze abgeschlossen. In Gelsenkirchen wird an zentralen Stellen in der Innenstadt an im Faschismus verfolgte Sozialdemokrat:innen, Kommunist:innen, Christ:innen, Jüd:innen sowie Sinti und Roma erinnert.

Friedensdemo ohne Friedensforum

Infostand des Friedensforum Gelsenkirchen im August 2021 zur Bundestagswahl vor der Altstadtkirche.

Leider waren die Veranstalter der Friedensdemonstration „Solidarität mit der Ukraine“, SJD-Die Falken und die Jugendorganisationen von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen nicht bereit, das Friedensforum Gelsenkirchen ebenfalls sprechen zu lassen. Das Friedensforum engagiert sich seit zwei Jahrzehnten parteipolitisch unabhängig in Gelsenkirchen für den Frieden und organisiert unter anderem jedes Jahr den Empfang des Ostermarsches am Ostersonntag in Gelsenkirchen. Daher dokumentieren wir hier die Rede, die Hildegard Maier nicht halten durfte.

Vorgesehene Rede für die Kundgebung am 01.03.22 gegen den Krieg in der Ukraine
Als erstes möchte ich mein Entsetzen über diesen Angriffskrieg von Präsident Putin gegen die Ukraine zum Ausdruck bringen. Niemals habe ich das persönlich für möglich gehalten. Meine Gedanken sind bei der Bevölkerung und auch bei den Überlegungen, wie man den Menschen in dieser Situation helfen kann. Sie sind zu Hunderttausenden auf der Flucht, suchen Schutz in U-Bahnschächten und Kellern vor den russischen Bomben.
Oberste Priorität muss es heute sein, den Krieg zu beenden, die russischen Truppen in ihre Stützpunkte zurückzuholen und einen echten Friedensprozess einzuleiten. Die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und ein dauerhafter Frieden müssen das Ziel sein.
Wenn wir vom Gelsenkirchener Friedensforum gefragt werden auf welcher Seite wir stehen, als Pazifisten und Antimilitaristen stehen wir auf der Seite der notleidenden Bevölkerung, der Protestierenden in Russland und den russischen Männern, die vor dem Krieg desertieren.
Nicht vergessen sollte man, dass bereits seit 8 Jahren Bürgerkrieg In der Ukraine ist. Die Ukraine ist nicht der Anfang. Schon vorher war Krieg in Afghanistan, Syrien, Irak, Libyen, Aserbaidschan. Überall waren nicht die Interessen und Bedürfnisse der Menschen wichtig, sondern die von Groß -und Mittelmächten. Nirgends ging es um Menschenrechte und Demokratie, sondern um Märkte, Rohstoffe und Handelswege.
Von unserer Regierung müssen wir fordern, keine Waffen an die Ukraine zu liefern.
Waffenlieferungen haben immer dazu geführt, dass Kriege aggressiver und unbegrenzt lange geführt werden können. Die Folgen sind bekannt: Viele Tote, vor allem Zivilisten, zerstörte Infrastruktur, kein Wasser, keine Energie, Versorgungswege zerstört. Die Folgen sind Hunger, keine Daseinsmöglichkeit, geschweige denn Medizin. Darum fordern wir ein Waffenexportverbot für Kriegsgebiete. Kriege werden nie durch Militär beendet, sondern nur durch politische Entscheidungen.
Es ist richtig, die EU-Grenzen dauerhaft zu öffnen für Menschen auf der Flucht. Und es wäre richtig, bei der Gelegenheit auch die Menschen aus dem Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus zu retten, die ebenfalls auf der Flucht sind vor einem Krieg.
Über das Druckmittel Sanktion ist viel gesagt. Es ist erforderlich und legitim, es gegen die Superreichen aus und in Russland auszusprechen. Ein Rauswurf aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT kann aber auch zur Folge haben, z. B. wie im Iran, dass eine Versorgung mit Medikamenten für die Bevölkerung nicht möglich ist.

Am letzten Sonntag erfahren wir mal eben so nebenbei in einer Bundestagsdebatte von unserem Bundeskanzler Olaf Scholz, dass eine Erhöhung des Rüstungsetats von über 2 % des BIP angestrebt werden soll. Außerdem ist vorgesehen, in diesem Jahr ein Sondervermögen von 100 Mrd. Euro für die Aufrüstung anzulegen, also eine Erhöhung von 46,9.Mrd. auf 100 Mrd. Euro. Das bedeutet für die Rüstungskonzerne volle Auftragsbücher und erhebliche Gewinne. Schon jetzt sind millionenschwere Forschungsaufträge in Arbeit, an denen auch Deutschland beteiligt ist, Z. B. Future Combat Air System. Es ist ein hochtechnisiertes Verbundsystem, einschließlich ein Kampflugzeug mit bewaffneter (atomar)Drohnenbegleitung, Die Anschaffung beläuft sich auf einen dreistelligen Milliardenbetrag.
Wir müssen davon ausgehen, dass erhebliche Kürzungen im Sozialbereich zu erwarten sind. Es fehlt jetzt schon Geld im Sozialhaushalt für Schulen, Krankenhäuser. kommunale Infrastruktur, Straßen-Brückenbau- ÖPPNV usw.
Aufrüstung macht den Frieden nicht sicherer, sondern Kriege möglich. Dieser Krieg kann zu einem Flächenbrand werden, wenn weiter verbal und real aufgerüstet wird. Lasst uns gegen den Krieg, für eine Politik der gemeinsamen Sicherheit auf die Straße gehen.
Wir rufen Euch auf am Ostermarsch Rhein/ Ruhr von 16.4.-18.4. teilzunehmen.
Unsere Forderungen:
Umgehend Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine
Sofortiger Stopp aller Kriegshandlungen
Keine Waffenlieferungen
Keine weitere Aufrüstungsrunde
Stopp der Nato – Osterweiterung
Solidarität mit der Friedensbewegung in der Ukraine und Russland
Solidarität mit allen Geflüchteten

Hildegard Maier vom Friedensforum Gelsenkirchen am antifaschistischen Mahnmal im Stadtgarten zwischen Ostermarsch und 8. Mai 2021.

Hinweis: Den Halbsatz „vermutlich aus wahltaktischen Gründen“ in der Einleitung nach Kritik entfernt.

Für Frieden braucht es mehr als Militär!

Die Entstehung der Friedenstaube. Archivfoto der Friedensdemonstration 2014 in Gelsenkirchen zur Ukraine (Foto: Andreas Jordan).

Nach Meinung unserer Bundesregierung sind wir am Donnerstag in einer „anderen Welt“ aufgewacht. Nun, die Eskalation war nach dem russischen Truppenaufmarsch absehbar und wenig überraschend, mich überrascht vielmehr die Überraschung der Regierenden. Mich überrascht auch wenig die Reaktion der ganz großen Koalition aus Ampel-Regierung und CDU/CSU. Mich überrascht wenig, dass dort mehr Aufrüstung, mehr NATO und mehr „Sicherheitsarchitektur“ verlangt wird. Das ist keine andere, keine neue Welt, sondern die Welt, die wir schon kennen und eine Fortsetzung der Politik, die wir kennen.

Keine Entschuldigung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist die Tatsache, dass auch USA und NATO-Mitglieder völkerrechtswidrige Kriege führen! Aber aus den Ergebnissen der Kriege in Afghanistan, Irak oder Libyen könnte der Westen gelernt haben, dass Militär alleine keinen Frieden sichert, sondern nur Zerstörung bringt. Für Frieden braucht es mehr als Militär! Gemeinsame Sicherheit für alle! Traurig ist in meinen Augen, dass wieder einmal SPD und Bündnisgrüne in einer deutschen Regierung sitzen, die aufs Militär setzt. So sieht sie also aus, die „wertebasierte Außenpolitik“.

Natürlich wird auch wieder geflunkert und gelogen, wenn behauptet wird, dass es in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Krieg gab. Ist denn der fürchterliche Bürgerkrieg im sich auflösenden Jugoslawien schon vergessen? Die frühzeitige Anerkennung der jugoslawischen Teilstaaten mit den bekannten Folgen? Der Krieg der NATO gegen Rest-Jugoslawien, die zur Abtrennung des Kosovo von Serbien führte schon vergessen? Nun ist es also die Ukraine und das Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger, die im geopolitischen Spiel zwischen dem Westen und Russland zerstört werden. In Europa sprechen wieder einmal die Waffen.

Um nicht missverstanden zu werden: Russland muss seinen Krieg sofort beenden und alle Truppen aus der Ukraine abziehen. Solange das nicht geschieht, hat die Ukraine das Recht, sich zu verteidigen und jedes Land der Welt hat das Recht, die Ukraine dabei zu unterstützen, auch militärisch. Eine Lösung kann jedoch militärisch nicht gefunden werden.