Archiv für den Monat Oktober 2016

VVN-BdA feierte ihren 70. Geburtstag im Düsseldorfer ZAKK

Klaus der Geiger mit dem Salon Orchester beim 70. Jahrestag der VVN-BdA 2016 im Düsseldorfer ZAKK (Foto: VVN-BdA NRW)

Klaus der Geiger mit dem Kölner Salon Orchester beim 70. Jahrestag der VVN-BdA 2016 im Düsseldorfer ZAKK (Foto: VVN-BdA NRW)

Mit einer großen Geburtstagsparty feierte die VVN-BdA NRW sich selbst. Unter dem Motto „Demokratie verwirklichen! Frieden schaffen! Nazis, Militaristen und Rassisten stoppen!“ und mit einem tollen Kulturprogramm begingen rund 150 Kameradinnen und Kameraden am Samstag den 70. Jahrestag ihrer Organisation.

Grußworte richteten der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD), Axel Holz, Bundessprecher der VVN-BdA, und Muzaffer Sores Yüksel (NAV-DEM, Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland e.V.) aus. Ein Grußwort der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurde verlesen, die anderen nur benannt (und können hier nachgelesen werden). Der Schwerpunkt der Veranstaltung sollte nicht auf Reden, sondern auf dem Kulturprogramm liegen. Klaus der Geiger mit dem Kölner Salon Orchester, Andreas Weißert und Peter Sturm sowie CHORrosion, der Chor der IG Metall, begeisterten dann auch das Publikum. Auf Geschichte und Gegenwart des Antifaschismus gingen die beiden Landessprecher Falk Mikosch und Jochen Vogler in einem halbstündigen Referat ein. Für das leibliche Wohl sorgten ein leckerer Imbiss und Getränke.

Ein lesenswerter Bericht findet sich in der Düsseldorfer Internetzeitung report-D. Dort heißt es: „Bittersüß feierte der VVN seinen Jahrestag im großen Saal des Zakk. Für die Stadt Düsseldorf kam Oberbürgermeister Thomas Geisel – kein Stellvertreter und keine kühle Absage. So wäre es in Düsseldorf vor nicht allzu langer Zeit gewesen. (…) Bittersüß feierte der VVN, weil die Mitglieder spüren, dass sie gerade jetzt dringend gebraucht werden.“ Damit ist das Resümee der Veranstaltung deutlich zum Ausdruck gebracht: Auch 70 Jahre nach ihrer Gründung wird die VVN-BdA noch immer im Engagement gegen alte und neue Nazis gebraucht!

Bearbeitete und ergänzte Fassung

Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht 2016

Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen: Freiheit leben - Furcht besiegen - Frieden wahren

Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen: Freiheit leben – Furcht besiegen – Frieden wahren

Auch in diesem Jahr ruft die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“ (DI) für den 9. November zum Gedenken an die Nazi-Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in der sogenannten „Reichskristallnacht“ des Jahres 1938 auf.

Die DI organisiert seit einigen Jahren die ursprünglich 1964 von der Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken initiierte Gedenkveranstaltung in Gelsenkirchen und wählt Jahr für Jahr unterschiedliche Veranstaltungsorte aus. In der DI haben sich unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Oberbürgermeisters seit 1992 insgesamt 23 Organisationen, „Parteien, Kirchen, karitative Einrichtungen, Gewerkschaften und weitere Gruppen zusammengeschlossen, um für ein demokratisches Miteinander in unserer Stadt einzutreten“.

In diesem Jahr beginnt die Gedenkveranstaltung um 18.30 Uhr an der Neuen Synagoge (Ecke Gildenstraße/Georgstraße). Nach einer Rede des Oberbürgermeisters Frank Baranowski sowie Gebeten zum Gedenken an die ermordeten Juden wird der Schweigezug zum Musiktheater im Revier ziehen. Im Kleinen Haus wird der Generalintendant des Musiktheaters, Michael Schulz, sprechen. Nach einem musikalischen Beitrag von Almuth Herbst wird die Gedenkveranstaltung mit dem gemeinsamen Singen des Moorsoldatenliedes enden.

Die Veranstalter weisen in ihrer Ankündigung darauf hin, dass das Musiktheater im Revier „in der Vergangenheit immer wieder öffentlichkeitswirksam die Werte eines demokratischen und friedlichen Zusammenlebens herausgestellt“ hat. Derzeit präsentiert es an seiner Fassade den plakativen Aufruf „Freiheit leben – Furcht besiegen – Frieden wahren“, der sich offenkundig auf PEGIDA & Co bezieht und sich gegen die aktuelle Rechtsentwicklung, Rassismus und völkisches Denken richtet.

Stolperstein zum Gedenken an Rosalia Elise Galliner

Stolpersteine für das Ehepaar Dr. Siegfried Galliner und Rosalia Elise Galliner, geborene Stern, in der Munckelstraße 5 in Gelsenkirchen, auf der Straßenseite gegenüber dem Hans-Sachs-Haus.

Stolpersteine für das Ehepaar Dr. Siegfried Galliner und Rosalia Elise Galliner, geborene Stern, in der Munckelstraße 5 in Gelsenkirchen, auf der Straßenseite gegenüber dem Hans-Sachs-Haus.

Wortbeitrag von Knut Maßmann anlässlich der Stolpersteinverlegung.

Rosalia Elise Stern, genannt Rose, wurde am 29. Juli 1884 in Königshütte in Oberschlesien geboren. Sie heiratete den Rabbiner Dr. Siegfried Galliner am 28. Dezember 1914 in Königshütte. Das kinderlos gebliebene Ehepaar lebte in Gelsenkirchen.

Die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden dürfte Rosalia Elise Galliner am eigenen Leib miterlebt haben. Zur Ausgrenzungspolitik der Nazis gehörte auch die Verschlechterung der medizinischen Versorgung der jüdischen Bevölkerung. Seit 1938 durften überhaupt nur noch wenige jüdische Ärzte ausschließlich jüdische Patienten behandeln. Jüdische Patienten wurden in kein nichtjüdisches Krankenhaus aufgenommen. Viele Apotheken gaben keine Medikamente an jüdische Kranke ab.

Die an Krebs erkrankte Rosalia Elise Galliner wurde daher nicht in Gelsenkirchen, sondern im Jüdischen Krankenhaus in Köln-Ehrenfeld, Ottostraße 85 aufgenommen. Dort starb sie am späten Abend des 20. Dezember 1938 an den Folgen ihrer Erkrankung.

Die schlechte medizinische Versorgung im Zuge der nazistischen Rassenpolitik hat sicherlich zu diesem frühen Tod beigetragen.

Rosalia Elise Galliner wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd beigesetzt. Auf dem Grabstein heißt es unter anderem in hebräisch: „… sie suchte ihr Leben lang mit ganzem Herzen für ihren Ehemann das Gute; in angenehmer Weise überwachte sie ihren Haushalt; erwies Gutes und Liebe ihr Leben lang; sittsam in jeder Hinsicht; ehrlich und bescheiden in allen ihren Handlungen; reines Herzens, gestorben in ihrem besten Alter … Möge ihre Seele gebündelt sein im Bündel des ewigen Lebens.“

Gunter Demnig verlegt zum neunten Mal Stolpersteine in Gelsenkirchen

Ein Blick in den Wagen von Gunter Demnig mit den für die Verlegungen vorbereiteten Stolpersteine. Im Vordergrund der Stein für Rosalia Elise Galliner.

Ein Blick in den Wagen von Gunter Demnig mit den für die Verlegungen vorbereiteten Stolpersteine. Im Vordergrund der Stein für Rosalia Elise Galliner.

Bereits zum neunten Mal seit 2009 kam der Aktionskünstler Gunter Demnig auf Einladung von Gelsenzentrum e.V. nach Gelsenkirchen. Den 139 bereits verlegten Stolpersteinen fügte er heute am 6. Oktober 2016 weitere 22 hinzu. Das größte, dezentrale Denkmal der Welt des Kölner Aktionskünstlers und Bildhauers wächst weiter. Weit über 50.000 Stolpersteine hat er in Deutschland und 18 weiteren europäischen Länder seit 1992 zur Erinnerung an die von Nazis verfolgten und ermordeten Menschen verlegt.

Die Stolpersteine erinnern symbolisch am letzten frei gewählten Wohnort an Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen von den Nazis verfolgt, entrechtet, vertrieben, deportiert oder ermordet worden sind. Sie erinnern ohne Unterschied an Juden, politisch Verfolgte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, Sinti und Roma, Behinderte. Man “stolpert” nicht im wörtlichen Sinn über die in das Straßenpflaster eingelassenen Gedenksteine. Wer auf sie beim Gehen aufmerksam wird, muss anhalten und sich vor dem Stein verbeugen, um Namen, Lebensdaten und Verfolgungsgrund zu lesen.

Die Verlegungen des heutigen Tages (Übersicht im Gelsenblog und Ankündigung in der Buerschen WAZ) begannen mit einer deutlichen Verspätung, da Demnig auf seinem Weg von Köln nach Gelsenkirchen in einen Stau geraten war. Doch während wir mit mehreren Interessierten am Verlegort in der Markenstraße mehr als eine halbe Stunde auf den Künstler warten mussten, hatten wir Zeit, uns die Erinnerungen einer Zeitzeugin an die Geschehnisse der Vergangenheit anzuhören. Die Verlegung selbst nahm Demnig nach seinem Eintreffen routiniert vor, während die jeweiligen Stolperstein-Paten aus der Lebensgeschichte der betroffenen Personen berichteten.

Gunter Demnig vor dem Haupteingang des Grillo-Gymnasiums in der Hauptstraße 60.

Gunter Demnig vor dem Haupteingang des Grillo-Gymnasiums in der Hauptstraße 60.

Das größte und zugleich jüngste Publikum hatte der Bildhauer vor dem Grillo-Gymnasium. Hier setzte er umringt von zahlreichen Schülerinnen und Schülern die ersten sechs Stolpersteine für jüdische Schüler, die das damalige Städtische Realgymnasium für Jungen verlassen mussten, in das Straßenpflaster ein. Die Stolpersteine, die an Albert Gompertz, Günter Schönenberg, Hermann Cohn, Ernst Back, Horst Karl Elias und Erich Lilienthal erinnerten, wurden ihnen mit den Worten „Hier lernten“ gewidmet.

Großer Andrang von Schülerinnen und Schüler herrschte zur Stolpersteinverlegung vor dem Grillo-Gymnasium.

Großer Andrang von Schülerinnen und Schüler herrschte zur Stolpersteinverlegung vor dem Grillo-Gymnasium.

Auch an zwei Menschen, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung ermordet worden waren, wurde an diesem Tag mit je einem Stolperstein erinnert. In der Liebfrauenstraße 38 wurde an Rudolf Littek, in der Schlangenwallstraße 9 an Johann Eichenauer erinnert. Beide kommunistischen Widerstandskämpfer wurden im Zuge der Zerschlagung der Zielasko-Gruppe verhaftet. Sie wurden vor Gericht zwar „freigesprochen“, aber im faschistischen Staat nicht freigelassen. Beide Männer starben auf den „schwimmenden KZs“ in der Lübecker Bucht.

Eine besondere Bedeutung hat für mich die Verlegung eines Stolpersteins für Rosalia Elise Galliner, geborene Stern, in der Munckelstraße 5 gegenüber dem Hans-Sachs-Haus. Die Ehefrau des jüdischen Rabbiners Dr. Galliner starb am späten Abend des 20. Dezember 1938 an den Folgen ihrer Erkrankung. Aufgrund der „Rassengesetze“ der Nazis durften überhaupt nur noch wenige jüdische Ärzte ausschließlich jüdische Kranke behandeln. Die an Krebs erkrankte Rosalia Galliner wurde daher nicht in einem Gelsenkirchener Krankenhaus, sondern im Jüdischen Krankhaus in Köln-Ehrenfeld aufgenommen. Dort verstarb sie, sicherlich auch an den Folgen der unmenschlichen Politik der Nazis. Ausgrenzung und Verfolgung hat sie am eigenen Leib verspürt.

Die Patenschaft des Stolpersteins für Johann Eichenauer hatte die Gelsenkirchener VVN-BdA übernommen.

Die Patenschaft des Stolpersteins für Johann Eichenauer hatte die Gelsenkirchener VVN-BdA übernommen.

So unterschiedlich die Menschen waren, zu deren Gedenken heute 22 Stolpersteine verlegt worden sind, haben sie doch eines gemeinsam: Sie alle waren Menschen, denen eine verbrecherische Politik das Recht auf ein Leben in Würde, ja ein Leben überhaupt abgesprochen hat. Wehren wir uns, dass es nicht wieder geschieht.

Supplement
Die lokale WAZ berichtete ausführlich unter dem Titel „Ein Name, ein Mensch, ein Leben in Gelsenkirchen“ über die Stolpersteinverlegung und legte einen weiteren Fokus auf den Stolperstein für Josef Wesener, einen wegen Homosexualität verfolgten Mann. Ein weiterer Bericht folgte auf der Internetseite der Arbeitsgruppe Stolpersteine.