Archiv der Kategorie: Frankreich

„Ein jüdischer Antifaschist in den Reihen der Résistance“

Alice und Juri am 17.05.2019 im Subversiv Gelsenkirchen.

Rund 3000 Deutsche kämpften in der französischen Résistance, eine Tatsache, die in Deutschland und selbst in Frankreich bis heute weitgehend unbekannt ist. Im Subversiv im Gelsenkirchener Stadtsüden waren gestern die Tochter und der Enkel von Peter Gingold zu Gast und berichteten aus dem bewegten Leben ihrer Familie. Vor einem bunt gemischten Publikum, die das Subversiv teilweise zum ersten Mal kennen lernte, ließen Alice und Juri die Vergangenheit lebendig werden.

Kein Ton war aus dem Publikum zu vernehmen, während Alice aus ihrer Familiengeschichte erzählte. Ergänzt wurden ihre Erzählungen mit Passagen aus der Autobiografie Peter Gingolds, die Alice Sohn Juri vorlas. Zudem wurden kleine Filmszenen eingespielt, in denen unter anderem auch Peter selbst zu Wort kam. In Deutschland aufgewachsen, floh die Familie 1933 vor den Nazis nach Frankreich. In Paris engagierte sich Peter wie zuvor in Deutschland in einer Gruppe junger deutscher Antifaschistinnen und Antifaschisten. Hier lernte er seine spätere Frau Etti Stein-Haller kennen. Alice wurde Anfang Juni 1940 geboren, als die Deutsche Wehrmacht bereits kurz vor der französischen Hauptstadt stand. Nach der Besetzung Frankreichs durch Nazi-Deutschland schloß sich Peter der Résistance an und lebte im Untergrund. Als 1942 die Deportationen jüdischer Menschen begannen, brachten Etti und ihre Familie Alice und andere Kinder unter falschen Namen bei einer Bauersfamilie unter. Ende 1942 wurde Peter von der Gestapo verhaftet, doch gelang ihm die Flucht. Der Titel seiner Autobiografie „Paris – Boulevard St. Martin No. 11“ nennt die Adresse, bei der ihm die unglaubliche Flucht aus den Fängen der Gestapo gelang.

Nach 1945 kehrte das Ehepaar in das zerstörte Frankfurt am Main zurück. Peter engagierte sich in der KPD, die 1956 verboten wurde. Ebenfalls 1956 entdeckte ein Beamter, dass sie nach ihrer Rückkehr aus der Emigration zu Unrecht deutsche Pässe erhalten hatten, die Eltern waren polnische Juden gewesen. So wurde die Familie staatenlos. Erst nach vielen Protesten erhielten sie die deutsche Staatsbürgerschaft zurück. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrung engagierte sich Peter als Zeitzeuge. Auch Alice Schwester Silvia musste erfahren, dass ein politisches Engagement im demokratischen Staat nicht unbedingt zum Vorteil gereicht, sie erhielt Berufsverbot und durfte erst später als Lehrerin nur im Angestelltenverhältnis arbeiten. Bis heute wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie auf Veranstaltungen beispielsweise der VVN-BdA aus der Autobiografie ihres Vaters liest.

Welche Bedeutung Geschichte für die Gegenwart hat, machten Alice und Juri deutlich, als es um die Erfahrungen als Flüchtling in Frankreich ging, um die Situation der Flüchtlinge in der Gegenwart zu verstehen. So hat sich ihr Vater gegen die weitgehende Abschaffung des Asylrechts im Grundgesetz eingesetzt. Den Abschluss bildete ein Ausschnitt einer Rede von Peter in der Gesamtschule Ingelheim, in der er die Schüler aufforderte, sich heute zu engagieren, und nicht zu warten, bis es so schwer geworden ist wie zu seiner Zeit. Ein besseres Schlusswort konnte es nicht geben.

Bei der Veranstaltung handelte es sich um eine Kooperation der Schalker Faninitiative e.V., des Freiraumprojektes Subversiv und der Gelsenkirchener VVN-BdA im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Aktionswochen für ein friedliches, demokratisches und weltoffenes Europa“ des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung. Unter dem Namen „Kinder des Widerstandes“ haben sich Kinder und Enkel von Verfolgten des Naziregimes zusammengefunden und führen die Arbeit ihrer Eltern oder Großeltern in einer besonderen Art der Zeitzeugenarbeit fort.

Mathilde – Eine große Liebe

Mathilde - eine große LiebeDer aus dem Jahre 2004 stammende französische Film „Un long dimanche de fiançailles“ erzählt mit großer visueller Kraft und viel Liebe zum Detail die Suche der 20jährigen Mathilde (Audrey Tautou) nach ihrem Verlobten Manech, der aus dem Ersten Weltkrieg nicht wiedergekehrt ist.

Manech gehörte zu fünf Soldaten, die 1917 wegen Selbstverstümmelung zum Tode verurteilt und in das Niemandsland zwischen den französischen und deutschen Schützengräben an der Sommefront gejagt wurden, um dort zu krepieren. Doch Mathilde hält eigensinnig an ihrem Gefühl fest, dass ihre große Liebe noch lebt, selbst als sie an einem Grab mit seinem Namen steht. Ihre Suche erstreckt sich in alle Richtungen und erzeugt zahlreiche kleine Nebenhandlungen, die sich vor und zurück in der Zeit bewegen. Sie folgt weiteren Hinweisen, wie den Stiefeln eines deutschen Soldaten und vertauschten Erkennungsmarken. Der Film zeigt auch den Stellungskrieg an der festgefahrenen Front, zeigt Schlamm, Dreck, Verrohung, Tod und Zerstörung. Dies wäre nicht auszuhalten, wenn sich der Film nicht gleichzeitig durch einen besonderen Humor bei der Darstellung der Charaktere und ihrer Eigenheiten auszeichnen würde.

Regie führte Jean-Pierre Jeunet, die Hauptrolle spielt Audrey Tautou, beide mit „Die fabelhafte Welt der Amelie“ bekannt geworden. Wie auch in anderen Filmen des Regisseurs („Delicatessen“, „Die Stadt der verlorenen Kinder“) werden ungewöhnliche Charaktere und ihre Geschichten zu einer sehr sehenswerten Erzählung zusammengefügt.

Eindrücke von Erinnerungsorten des Ersten Weltkrieges in Belgien und Nordfrankreich

Vom 5. bis 9. Mai 2014 führten das DGB-Bildungswerk NRW und das Bildungswerk der Humanistischen Union NRW gemeinsam ein Wochenseminar durch, das sich über die Besichtigung von Museen, Mahnmalen und Friedhöfen in Flandern und Nordostfrankreich mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigte. Im folgenden stelle ich, illustriert mit ausgewählten Fotos, einige Eindrücke als Teilnehmer des Seminars dar. Insgesamt war es ein vielseitiges und erfahrungsreiches aber auch sehr anstrengendes Seminar, das ich trotzdem jedem empfehlen kann, der sich mit der Erinnerung an den Ersten Weltkrieg beschäftigen möchte und sehen will, wie unsere Nachbarn damit heute umgehen.

Darstellung im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Darstellung im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Anders als in Deutschland, wo die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg durch den Zweiten Weltkrieg und insbesondere durch die Zerstörungen, die er hinterlassen hatte, überlagert wird, sind die Ereignisse des Ersten Weltkrieges in Flandern und in Nordostfrankreich in der Erinnerung geblieben. Dies liegt daran, dass sich hier vier Jahre lang deutsche, belgische, britische und französische Truppen aus Schützengräben heraus bekämpften und mit zu ihrer Zeit modernsten Waffen unglaubliche Verwüstungen und Zerstörungen anrichteten. Findet man in deutschen Städten bei Baumaßnahmen Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg, so finden hier Bauern beim Pflügen menschliche Überreste oder nicht explodierte Munition. Bei Arbeiten in einem neuen Gewerbegebiet fanden zuletzt Archäologen Knochen von mehr als 200 Soldaten des „Großen Krieges“.

Nach dem Krieg wieder aufgebaute Tuchhalle mit dem In Flanders Fields Museum in Ypern/Belgien

Nach dem Krieg wieder aufgebaute Tuchhalle mit dem In Flanders Fields Museum in Ypern/Belgien

Unsere Fahrt führte nach einem ersten informativen Zwischenstopp im deutsch-belgisch-niederländischen Grenzgebiet in die belgische Stadt Ypern. Ypern lag während des Krieges an der Frontlinie und wurde weitgehend zerstört. Fotos zeigen einen Grad der Zerstörung, der der Zerstörung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg durch alliiertes Bombardement in nichts nachsteht. Die Stadt Ypern wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. In der rekonstruierten Tuchhalle findet sich das „In Flanders Fields Museum“, so benannt nach dem gleichnamigen Gedicht von John McCrae aus dem Jahre 1915.

Im In Flanders Fields Museum, Ypern/Belgien

Im In Flanders Fields Museum, Ypern/Belgien

Das Museum zeigt in einer Dauerausstellung multimedial aufbereitet die Front, die Kriegszerstörung und die Opfer des Krieges, Soldaten wie Zivilisten. Zu den mörderischsten Waffen zählten Artillerie und Maschinengewehr, sowie im weiteren Kriegsverlauf Gas, erstmals von der kaiserlichen deutschen Armee an der Ypernfront eingesetzt. Zur Inszenierung des Museums gehört auch ein Soundtrack, der während des Ausstellungsbesuchs zu hören ist, und im Laufe der Zeit bei mir eine bedrückende Stimmung, die bereits durch die Ausstellung entstanden war, noch verstärkte. Die Ausstellung war gut besucht, mindestens eine Schulklasse war gleichzeitig mit uns anwesend und bearbeitete ein Arbeitsblatt mit Hilfe der Ausstellung. Die Ausstellung wird in vier Sprachen, darunter auch in Deutsch, präsentiert.

Menentor in Ypern/Belgien

Menentor in Ypern/Belgien

In Ypern steht mit dem Menentor ein monumentales, in klassischem Baustil errichtetes Denkmal. Dort wird jeden Abend um 20 Uhr zum „Last Post“ gerufen, dem letzten Zapfenstreich. Das Menentor erinnert an die gefallenen Soldaten des britischen Empire. Bezeugt der Baustil (und die Inschrift) noch den Glauben an patriotische Ideale (Pro Patria – Pro Regis), nach der die zahlreichen Opfer nicht umsonst gefallen waren, sondern für Vaterland und König, so weist die auf den Wänden eingravierte, überwältigende und erschreckende Menge Namen toter Soldaten auf den sinnlosen Massentod im Krieg hin.

Ein kleiner Bruchteil der an den Wänden aufgeführten Namen auf dem Menentor in Ypern/Belgien

Ein kleiner Bruchteil der an den Wänden aufgeführten Namen auf dem Menentor in Ypern/Belgien

Das sinnlose Sterben beim Kampf um wenige Kilometer Geländegewinn wurde an den folgenden Tagen insbesondere bei den Besuchen zweier Friedhöfe deutlich: Dem deutschen Soldatenfriedhof Langemark und dem britischen Friedhof bei Passendale.

Lijssenthoek Military Cemetery

Lijssenthoek Military Cemetery

Doch zunächst schloss sich ein Besuch des Lijssenthoek Military Cemetery an. Zur Besonderheit dieses Soldatenfriedhofes gehörte die Tatsache, dass es keine unbekannten Soldaten gibt, da der Friedhof zum größten Evakuierungshospital des Ypernbogens gehörte. An den Grabsteinen fällt ihre gleichartige Gestalt auf. Sie enthalten Rang, Namen, Einheit, Todesdatum, Alter, ein Symbol und das Kreuz bei christlichen Toten sowie den Davidstern bei den wenigen jüdischen Toten. Einige Grabsteine erhielten eine persönliche Widmung von Angehörigen, die von religiösen bis zu patriotischen Motiven reichen („Who died when England live“). Zum Friedhof gehört ein Besucherzentrum mit einer Ausstellung und einer Datenbank mit Tagebüchern und Audiofragmenten, eine Fotowand mit Portraitfotos und einem „Kalenderblatt“, auf dem an einer täglich wechselnden Person mit ihrer Geschichte erinnert wird.

Deutscher Soldatenfriedhof Langemark

Deutscher Soldatenfriedhof Langemark

Im Vergleich zum freundlichen und hellen britischen Soldatenfriedhof fällt der Unterschied zum deutschen Soldatenfriedhof in Langemark besonders stark auf. In Langemark, wo dem deutschnationalen Mythos nach Kriegsfreiwillige mit dem Deutschlandlied auf den Lippen in den Tod gezogen seien, wurde eine Festung als Friedhof errichtet. Fast gewinnt man den Eindruck, als müssten noch die Toten vor den Feinden, von denen Deutschland 1914 angeblich umgeben war, beschützt werden. Der Friedhof wirkt dunkel, nicht zuletzt aufgrund der gepflanzten Deutschen Eichen. Ein Teil der Anlage stellt die Frontlinie mit Bunkern dar.

Deutscher Soldatenfriedhof Langemark

Deutscher Soldatenfriedhof Langemark

Die liegenden, dunklen Grabplatten verzeichnen immer mehrere tote Soldaten, darunter häufig Kriegsfreiwillige, aber auch zahllose unbekannte Soldaten. Eine Tafel verweist auf ein Massengrab, in dem 24917 Deutsche Soldaten ruhen, davon blieben 7977 unbekannt. Im Eingangsbereich befindet sich ebenfalls eine Namensliste.

Tyne Cot Cemetery (Passendale)

Tyne Cot Cemetery (Passendale)

Das britische „Gegenstück“ zu Langemark ist Passendale, wo unzählige Soldaten in einem erfolglosen Angriff einen sinnlosen Tod starben. Auf dem Tyne Cot Cemetery sind neben britischen auch australische, neuseeländische und kanadische Soldaten beerdigt. Unter diesen Gräbern gibt es auch zahlreiche Gräber für unbekannte Soldaten. Die Gestaltung des Friedhofs ist hell und freundlich. Die Denkmalsanlage wurde in klassischer Architektur errichtet. An ihren Wänden sind die Namen der Gefallenen zu lesen. Auch hier verweist die Menge der Namen gefallener Soldaten einen individuellen Heldentod ins Reich der patriotischen Mythen.

Denkmal von Käthe Kollwitz auf dem Deutschen Soldatenfriedhof in Vladslo/Belgien

Denkmal von Käthe Kollwitz auf dem Deutschen Soldatenfriedhof in Vladslo/Belgien

Der deutsche Soldatenfriedhof Vladslo mit dem Denkmal von Käthe Kollwitz ist zwar ähnlich gestaltet, wie der in Langemark, durch das Fehlen der Umrandungsmauer (stattdessen finden wir eine Hecke vor) und dem Zwitschern der Vögel wirkt er jedoch gleich viel freundlicher. Auch hier sind Deutsche Eichen gepflanzt worden. Käthe Kollwitz hat sich vom Tod ihres Sohnes Peter zu den zwei hier aufgestellten Skulpturen inspirieren lassen.

Blick aus dem Yserturmmuseum auf Diksmuide/Belgien

Blick aus dem Yserturmmuseum auf Diksmuide/Belgien

Diksmuide und das Yserturmmuseum sind die nächsten Stationen auf unserer Reise. Sie erinnern an die Öffnung der Schleusen in Nieuwpoort durch die Belgier, die den deutschen Vormarsch in dieser Gegend im Schlamm verenden ließ. Vom Yserturm aus hat man einen großartigen Ausblick auf die flämische Landschaft heute. Angebrachte Bilder zeigen den Vergleich zur überschwemmten Landschaft im Oktober/November 1914.

Im Yserturmmuseum wird der Vergleich zur überschwemmten Landschaft 1914 bildlich dargestellt

Im Yserturmmuseum wird der Vergleich zur überschwemmten Landschaft 1914 bildlich dargestellt

Im Yserturmmuseum befindet sich eine Ausstellung über Belgien im Ersten Weltkrieg, die man von oben nach unten auf 22 Etagen erkunden kann. Neben Fotos und erläuternden Texten finden sich auch Animationen und Filme. Auf einer Etage durchläuft man ein nachgebautes Schützengraben-Bunkersystem mit flackerndem Licht und einer gasmaskenröchelnden Tonspur. Wenn man will, kann man auch (ungefährliche) Proben Chlor- und Senfgras riechen. Diese Art der Ausstellung erhöht sicherlich die Abscheu vor dem Krieg.

Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Zu den bekanntesten Kampfgebieten des Ersten Weltkrieges im Westen gehört mit Sicherheit die „Hölle von Verdun“. Fotos mit den zahllosen Grabkreuzen dort stehen oftmals symbolisch für den massenhaften, sinnlosen Tod an der Westfront. Entlastungsangriffe gegen die deutschen Angriffe auf Verdun führte die französische Armee an der Somme durch. Das Museum im französische Péronne an der damaligen Somme-Frontlinie erinnert schon im Namen an den „Großen Krieg“, wie der Erste Weltkrieg hier oft genannt wird: „Historial de la Grande Guerre“. Es ist in einem Chateau untergebracht und zeigt vergleichend die kulturellen, sozialen und militärischen Hintergründe des Krieges an der Westfront mit originalen Objekten, Kunstwerken und Dokumenten aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich.

Im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

An den Wänden befinden sich jeweils drei Regalreihen mit Objekten aus den drei Nationen zu einem Thema, wie Plakate, Bücher, Zeitungen und allerlei „Nippes“. In den Boden eingelassen sind Objekte wie Uniformen, Waffen und andere Ausrüstungsgegenstände. Auch kann man kurze Filme aus der Zeit sehen. Das Museum wirkt sehr anders als das „In Flanders Fields Museum“.

Ausstellungsstücke im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Ausstellungsstücke im Historial de la Grande Guerre in Péronne/Frankreich

Es gibt weniger Ausstellungstexte zu lesen und dafür mehr und vor allem originale Objekte zu sehen. Sehenswert sind auch ausgestellte Bilder und Zeichnungen, darunter die Radierungen „Der Krieg“ von Otto Dix.

Rancourt/Frankreich, französischer Soldatenfriedhof

Rancourt/Frankreich, französischer Soldatenfriedhof

Ebenfalls in Frankreich besuchten wir einen französischen Soldatenfriedhof bei Rancourt mit den bekannten, weißen französischen Grabkreuzen. Besuche weiterer Erinnerungsorte wurden leider durch strömenden Regen behindert bzw. vereitelt. Aber eigentlich hatten wir alle längst genug gesehen. Am Rande: wir waren genau am 8. Mai in Frankreich, dem „Victory Day“, an dem die deutsche Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges gefeiert wird.

Wegweiser in Diksmuide mit dem Poppy-Symbol

Wegweiser in Diksmuide mit dem Poppy-Symbol

Zu den im Laufe der Woche besuchten sehenswerten Orten, die ich nicht unterschlagen will, gehören das Talbot-Haus in Poperinge/Belgien, wo es um das Leben in der Etappe ging und die Soldaten sich für kurze Zeit von ihrem Dasein in den Schützengräben erholen konnten, sich waschen, essen, sich betrinken und Sex haben und kulturellen Veranstaltungen beiwohnen konnten, sowie die Tommy-Bar in Frankreich, wo ein findiger Geschäftsmann mit Fundstücken der Umgebung einen Schützengraben phantasievoll nachgebaut hat. Neben all den Friedhöfen und Kriegsmuseen besuchten wir auch – leider bei schlechter werdendem Wetter – den Strand von Nieuwpoort. Eine trotzdem gute Abwechslung von all dem Tod und Leid.

Vorgefertigtes Erinnerungskreuz mit Poppy und handschriftlicher Ergänzung, am Menentor, Ypern/Belgien

Vorgefertigtes Erinnerungskreuz mit Poppy und handschriftlicher Ergänzung, am Menentor, Ypern/Belgien

Unser beständiger Begleiter war das Symbol der Mohnblume, im englischen „poppy“. Mohnblumen waren nach dem Bericht einer Gartenzeitung (!) die ersten Blumen, die die Soldaten in der zerstörten Landschaft der Schützengräben zu sehen bekamen. Das oben bereits erwähnte Gedicht „In Flanders Fields“ von John McCrae aus dem Jahre 1915 greift die Mohnblume auf. Dort heißt es: „In Flanders Fields the poppies blow / Between the crosses, row on row …“ (In den Feldern Flanderns blühen die Mohnblumen / Zwischen den Kreuzen, Reihe um Reihe …) Dieses Motiv wird inzwischen massenhaft verbreitet. Man kann es mit einem Holzkreuz und der Aufschrift „In Remembrance“ erwerben und findet dieses Motiv, teilweise mit einer persönlichen Widmung versehen, auf Gräbern und an den Namenslisten der Mahnmale – selbst auf dem Deutschen Soldatenfriedhof Langemark. Das Symbol wird auch auf Wegweisern verwendet, darüber hinaus kann man es auch auf Regenschirmen, Tassen und allerlei anderem Nippes kaufen. Erinnerung ist auch zum Geschäft geworden.

Französischer Widerstand und der Weg nach Auschwitz

briefe_aus_der_deportation_filmIn diesem Jahr jährt sich zum hundertsten Male der Beginn des Ersten Weltkrieges 1914. Angesichts der zu erwartenden medialen „Stahlgewitter“ sollte der Zweite Weltkrieg und damit das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte nicht in Vergessenheit geraten. Der Verein Gelsenzentrum e.V. zeigt aus diesem Grund im Kulturraum „die flora“ den Dokumentarfilm „Briefe aus der Deportation“ (2012) von Pierre Dietz, um die Erinnerung an die millionenfache Verfolgung und Ermordung von Menschen wach zu halten und ihrer zu gedenken.

Unter den Verfolgten waren auch viele, die wegen ihrer politischen Überzeugungen und Werte den Weg in die Lager gingen, viele sind nie wieder zurückgekehrt. Der Film zeichnet den Weg des französischen Arbeiters William Letourneur nach, der 1943 von einem Nachbar denunziert, von der Gestapo in Maromme, einem Vorort von Rouen, verhaftet und über Compiègne nach Buchenwald deportiert wurde. Weitere Stationen waren Konzentrationslager in Lublin und Auschwitz. Während dieser Zeit hielt er über heimliche und offizielle Briefe Kontakt zu seiner Frau, die ihm alles schickte, was sie entbehren konnte. In Auschwitz wurde er stumm. Nur Krankenblätter sind Zeugnisse aus dieser Zeit.

Es handelt sich um einen sehr persönlichen Film über ein Schicksal im von Nazi-Deutschland besetzten Europa. „Briefe aus der Deportation“ zeigt die Situation der politischen Häftlinge in den Konzentrationslagern der Nazis, die durch Arbeit vernichtet wurden. Die Musik komponierte Mimi Poulakis. In den Sprechrollen sind Walter Renneisen, Joachim Pütz, Michael Best und Sissi Hajtmanek (in der Reihenfolge ihres Auftretens). Briefe aus der Deportation ist auch als Buch erschienen.

Der 60-minütige Film wird am Donnerstag, dem 20. Februar 2014 gleich zweimal in der „flora“ (Florastraße 26,  45879 Gelsenkirchen) gezeigt. Eine Schulvorstellung findet um 10.00 Uhr statt, die Abendvorstellung um 19.30 Uhr. Kooperationspartner ist die Gelsenkirchener Kreisvereinigung der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten). Der Eintritt ist frei. Anmeldungen für die Schulvorstellung werden vom Veranstalter unter (0209) 999 46 76 entgegengenommen.

Foto: © Contrabasta Filmstudio/Pierre Dietz