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Stadt Gelsenkirchen verbietet schon wieder antifaschistische Gedenkfeier

Stilles Gedenken am 13. März 2021 zur Erinnerung an die ermordeten Arbeiterinnen und Arbeiter.

Wie schon im vergangenen Jahr, als ein Bündnis mehrerer linker Organisationen sowie der VVN-BdA eine gemeinsame Gedenkfeier anlässlich des 100. Jahrestages von Kapp-Putsch und Märzrevolution 1920 durchführen wollte, verbot die Stadt Gelsenkirchen auch in diesem Jahr die Durchführung am antifaschistischen Mahnmal auf dem Friedhof Horst-Süd. Als Begründung muss die eigens geänderte Friedhofssatzung herhalten. Gleichzeitig läßt die Stadt das von der VVN 1947/48 errichtete Mahnmal zusehends verfallen.

Mit dem Generalstreik und der Bewaffnung als Rote Ruhrarmee hatten vor über 100 Jahren auch Gelsenkirchener Arbeiterinnen und Arbeiter den rechtsextremen Kapp-Putsch zum Scheitern gebracht und damit die Weimarer Republik vor ihren Feinden gerettet. Genutzt hatte ihnen das nichts. Viele revolutionäre Arbeiter fielen anschließend dem Terror von Reichswehr und Freikorps zum Opfer – auch in Gelsenkirchen. Ein von den Nazis zerstörtes Denkmal an die Ereignisse hatte die Horster Ortsgruppe der VVN 1947/48 wieder errichtet und es zugleich auch dem antifaschistischen Widerstand gegen den Faschismus gewidmet.

Gedenkveranstaltung am 13. März 2021 auf dem Josef-Büscher-Platz vor dem Horster Schloß.

In diesem Jahr hatten wieder MLPD & Freunde, die bereits seit 2010 jährlich eine würdevolle Gedenkfeier zur Erinnerung an die Ereignisse durchführen, eine Gedenkfeier durchführen wollen und waren notgedrungen auf den Josef-Büscher-Platz ausgewichen. Trotz des stürmischen Wetters war die conronakonforme Veranstaltung gut besucht. Im Anschluss machten sich zahlreiche Einzelpersonen zu einem stillen Gedenken auf dem Weg zum Friedhof.

Auch der Verfasser dieser Zeilen besuchte die drei dort im Zusammenhang sehenden Denkmale. Neben dem antifaschistischen Denkmal gibt es noch einen Gedenkstein für die sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und einen Erinnerungsort an die jüdischen Zwangsarbeiterinnen, die bei einem Luftangriff auf Gelsenberg ums Leben kamen.

Erinnern lässt sich nicht verbieten!

Einzelpersonen legten im Laufe des Tages Blumen und Kränze nieder.

Die Sonne schien hell und freundlich als ich heute gegen Mittag den Friedhof Horst-Süd erreichte. Die von der Stadt Gelsenkirchen mit Bezug auf die Friedhofssatzung verbotene antifaschistische Gedenkfeier von mehreren nicht nur linken Organisationen anlässlich des 100. Jahrestages von Kapp-Putsch und Märzrevolution 1920 fand nicht statt.

Stattdessen fanden zahlreiche Einzelpersonen ihren Weg hierhin und legten Blumen und Kränze am antifaschistischen Mahnmal nieder, das Moorsoldatenlied auf den Lippen. Einzelne Besucher fanden auch den Weg zum Mahnmal für die sowjetischen Zwangsarbeiter und zum Grab- und Mahnmal für die jüdischen Frauen des KZ-Außenlagers Gelsenberg.

Erinnern lässt sich nicht verbieten!

Stadt Gelsenkirchen verbietet antifaschistische Gedenkfeier!

1947/48 auf dem Friedhof Horst-Süd von der VVN errichtetes Denkmal für den antifaschistischen Arbeiterwiderstand, zur Erinnerung an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der Roten Ruhrarmee und ergänzt um Horster Widerstandskämpfer 1933-1945, insbesondere der Franz-Zielasko-Gruppe.

Die für Samstag, 14.03.2020 ab 14.00 Uhr geplante Gedenkfeier zu Ehren der 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch ermordeten Arbeiter der Roten Ruhrarmee wird vom Veranstalterkreis abgesagt. Die Stadt Gelsenkirchen hatte unter Berufung auf die Friedhofssatzung eine Gedenkveranstaltung unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 Euro verboten. Mit dem Generalstreik und der Märzrevolution hatten vor 100 Jahren auch Gelsenkirchener Arbeiter den rechtsradikalen Kapp-Putsch zum Scheitern gebracht und damit die Weimarer Republik vor ihren Feinden gerettet. Genutzt hat ihnen das nichts. Viele revolutionäre Arbeiter fielen anschließend dem Terror von Reichswehr und Freikorps zum Opfer.

Die von der Stadtverwaltung verhängte Nutzungsuntersagung auf städtischen Friedhöfen stößt beim Kreis der Veranstalter auf völliges Unverständnis. Wenn andere – auch nicht-kirchliche – Veranstalter Gedenkfeiern durchführen können, dann dürfte es für ein antifaschistisches Gedenken keine Ausnahmeregelung geben. Das gilt um so mehr in der heutigen Zeit, in der es von Tag zu Tag notwendiger wird, Flagge zu zeigen gegen Faschismus und rechten Terror. Die geplante Gedenkfeier sollte aus diesem Grund auch die Opfer unter den jüdischen KZ-Sklavenarbeiterinnen und den sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern mit einschließen, denen auf dem Friedhof Horst-Süd ebenfalls Denkmale gewidmet sind.

Auf Unverständnis stößt die Entscheidung der Stadt auch deshalb, weil würdige Gedenkfeiern zu Ehren der ermordeten Bergarbeiter und der dort ebenfalls bestatteten Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime bereits seit Jahren auf dem Friedhof Horst-Süd ohne Beanstandungen durchgeführt worden sind. Außerdem finden zum 100. Jahrestag der Märzrevolution in zahlreichen Städten Gedenkfeiern und Veranstaltungen dieser Art statt, auch auf Friedhöfen, und nicht selten unter Beteiligung städtischer Repräsentanten.

In Gelsenkirchen wird es dagegen an diesem Samstag keine würdevolle Gedenkfeier geben, statt dessen werden zahlreiche Einzelpersonen ab 14 Uhr an den Gedenksteinen Blumen niederlegen, den Opfern des rechten Terrors von vor 100 Jahren still die Ehre erweisen und sich ihren Teil über eine bornierte Stadtverwaltung denken.

Erinnerungsorte auf dem Horster Süd-Friedhof

Am 9. November 2003 übergab der damalige Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) im Rahmen der jährlichen Gedenkfeier der Demokratischen Initiative (DI) die Informationstafel der Öffentlichkeit, die den anonymen Opfern ihren Namen wiedergibt.

In diesem Jahr jähren sich zum 75. Mal die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 und die Befreiung Europas vom Faschismus am 8. Mai 1945 sowie zum 100. Mal der Kapp-Putsch vom 13. März 1920 und die darauffolgende Märzrevolution 1920. Auf dem Friedhof Horst-Süd befinden sich drei Denkmale aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, die an die Ereignisse erinnern. Die Fotos entstanden im Rahmen der Antifaschistischen Stadtrundfahrt, die Die Linke am 26. Januar 2020 im Rahmen der Aktionswochen zum Holocaust-Gedenktag des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung durchführte.

Wie überall in Nazi-Deutschland wurden auch in Gelsenkirchen an vielen Orten sowjetische Kriegsgefangene und andere Sowjetbürgerinnen und -bürger Opfer der faschistischen Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik (siehe zum Beispiel hier, hier und hier). Auf dem Gelände des in der Nacht vom 12./13. Juni 1944 stark beschädigten Jüdischen Friedhofs der Horster Juden aus dem Jahre 1920 wurden Massengräber angelegt, in denen Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion beerdigt wurden, die zum Beispiel auf der Zeche Nordstern oder im Hydrierwerk der Gelsenberg Benzin AG Zwangsarbeit leisten mussten. Nach Kriegsende wurden hierhin weitere sowjetische Tote umgebettet. Auf Veranlassung des Alliierten Kontrollrates, der die Regierungsgewalt nach der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands übernommen hatte, wurde der Gedenkstein aufgestellt, der in kyrillischer Schrift an die 884 sowjetische Bürger erinnert, „die in der faschistischen Gefangenschaft in der Zeit von 1941 bis 1945 umgekommen sind“. Die genaue Zahl war erst 1970 nachgetragen worden.

Grabstätte für sowjetische Zwangsarbeiter aus der unmittelbaren Nachkriegszeit.

Zu den kriegswichtigen Betrieben gehörte die Gelsenberg Benzin AG (heute BP). 1936 als Tochtergesellschaft der Gelsenkirchener Bergwerks-AG gegründet, lieferte es ab Sommer 1939 Benzin mit Kohle aus der Schachtanlage Nordstern 3/4. Während des alliierten Luftangriffs vom 13. Juni 1944 wurde das Hydrierwerk so schwer getroffen, dass die Produktion gestoppt wurde. Für die Beseitigung der Schäden wurde eines der vielen Außenlager des KZ Buchenwald eingerichtet. Mit etwa 2000 ungarische Jüdinnen, die nach der deutschen Besetzung Ungarns im März 1944 zuerst ghettoisiert und nach Auschwitz deportiert worden waren, wurde das KZ-Außenlager am 4. Juli 1944 errichtet. Untergebracht waren sie nördlich des Linnenbrinksweg auf dem Betriebsgelände des Werkes in Zelten in einem mit Stacheldraht umzäunten und von Wachtürmen umgebenen Lager. Die Mädchen und Frauen mussten bei karger Ernährung 12 Stunden täglich harte körperliche Zwangsarbeit verrichten.

Grab und Mahnmal KZ Buchenwald Außenlager Gelsenberg (1948).

Bereits im August wurden 520 Frauen in ein weiteres Buchenwalder KZ-Außenlager in der Essener Humboldtstraße für die Zwangsarbeit in den Krupp-Walzwerken selektiert. Am 11. September 1944 wurden die hier verbliebenen Frauen Opfer eines weiteren Luftangriffs auf das Hydrierwerk, dabei kamen etwa 150 ums Leben und etwa 100 weitere von ihnen wurden verletzt. Dies lag nicht zuletzt daran, dass den jüdischen Frauen der Zutritt zu den Schutzbunkern verboten war und sie dem Bombenhagel schutzlos ausgeliefert waren. Das Lager wurde schließlich am 14./15. September 1944 aufgelöst und die Frauen für die Firma Rheinmetall Borsig AG nach Sömmerda in Thüringen deportiert. Im Marien-Hospital in Gelsenkirchen-Rotthausen konnten dank des Einsatzes des Chefarztes Dr. Rudolf Bertram und mit Hilfe von Krankenschwestern und Unterstützern 17 schwerverletzte Frauen vor der Gestapo versteckt werden und erlebten so die Befreiung vom Faschismus.

Am 16. September 2018 wurde das Mahnmal mit einer Skulptur ergänzt, die von angehenden Steinmetzen des Hans-Schwier-Berufskollegs Gelsenkirchen erarbeitet und gefertigt worden war.

Die sterblichen Überreste der ums Leben gekommenen Frauen wurden zunächst auf dem Lagergelände verscharrt, am 14. Juli 1948 wurde hier durch das jüdische Hilfskomitee der Gedenkstein aufgestellt. In den 1950er Jahren wurde das Mahnmal auf den Horster Süd-Friedhof verlagert und die sterblichen Überreste der Frauen umgebettet. Am 9. November 2003 übergab der damalige Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU) im Rahmen der jährlichen Gedenkfeier der Demokratischen Initiative (DI) die Informationstafel der Öffentlichkeit, die den anonymen Opfern ihre Namen wiedergibt. Am 16. September 2018 wurde das Mahnmal mit einer Skulptur ergänzt, die von angehenden Steinmetzen des Hans-Schwier-Berufskollegs Gelsenkirchen erarbeitet und gefertigt worden war. Aus Anlass des 75. Jahrestages der Selbstbefreiung des KZ Buchenwalds wird die VVN-BdA NRW gemeinsam mit ihren Kreisvereinigungen am 18./19. April 2020 Veranstaltungen an mehreren Außenlagern des KZ Buchenwalds an Rhein und Ruhr durchführen.

Das sogenannte „Kapp-Putsch-Mahnmal“, 1947/48 von der VVN errichtet, hier in sehr schlechtem Zustand.

An den Arbeiterwiderstand gegen den Faschismus des Jahres 1920 und der Jahre 1933 bis 1945 erinnert schließlich das 1947/48 von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) errichtete Denkmal. Es wird vom Institut für Stadtgeschichte (ISG) – nicht überraschend – als „Kapp-Putsch-Mahnmal“ bezeichnet. Tatsächlich erinnert es erneut an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der „Roten Ruhrarmee“ (das ursprüngliche Denkmal war von den Nazis zerstört worden) und an Horster Widerstandskämpfer 1933-1945, insbesondere der Franz-Zielasko-Gruppe. Eine jährliche Gedenkveranstaltung an die Märzrevolution 1920 führen hier seit Jahren MLPD & Freunde durch, in diesem Jahr ist anlässlich der 100. Jahrestages eine gemeinsame Veranstaltung von DKP, Die Linke und MLPD geplant. Details liegen noch nicht vor.

Quellen und weiterführende Informationen
https://www.gelsenkirchener-geschichten.de/wiki/Friedhof_Horst-Süd
http://www.gelsenzentrum.de/gelsenberg_lager.htm
https://www.lokalkompass.de/gelsenkirchen/c-kultur/das-kz-aussenlager-buchenwald-in-gelsenkirchen-horst_a88752