Auf Wiedersehen!

Wie es sich gehört, verabschiede ich mich hiermit von allen treuen Leserinnen und Lesern. Dieser Blog hat seit 2009 mein Engagement begleitet. Neben Artikel über viele Aktivitäten in meiner Heimatstadt Gelsenkirchen sowie in den umliegenden Städten finden sich hier auch Beiträge von verschiedenen Gedenkstättenfahrten zu Orten der ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslager in Deutschland und im heutigen Polen. Bei den meisten dieser Fahrten war ich mit dem DGB-Bildungswerk NRW bzw. mit der DGB-Jugend MEO unterwegs. Alle meine Beiträge werden auch weiterhin hier zu lesen sein. Sie sind auch über Kategorien und Schlagworte in der rechten Spalte des Blogs sowie über die Suchfunktion rechts oben auffindbar.

Einseitige Friedenserklärung im La Lok libre

Einen wundervollen Abend gestalteten die „Üblichen Verdächtigen“ Leo und Karmelita gemeinsam mit dem Friedenschor Dülmen im La Lok libre in Gelsenkirchen-Schalke. Vier Jahre ist es jetzt her, seit ich 2018 zuletzt Leo und Karmelita im La Lok libre gehört habe. Krankheit und die Corona-Pandemie verhinderten weitere Auftritte. Am gestrigen Freitag traten die beiden innerhalb eines gemeinsamen Programms mit dem Dülmener Chor und den Bad Buskers aus Bochum auf, wobei sowohl Leo und Karmelita als auch die Bochumer gleichzeitig auch Mitglied des Chors sind.

So traten die beiden zweimal alleine und zweimal im Friedenschor Dülmen auf und dazwischen auch noch die Bad Buskers. Durch diese Zusammensetzung kam eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Musikern und Musikinstrumenten zustande. Neben Gitarre, Bass und Percussioninstrumenten auch Posaune, Flöte und ein Dudelsack. Wir hatten ganz vorne vor der „Bühne“ einen sehr guten Sitzplatz und konnten die Musiker nicht nur hören, sondern ihnen auch beim Spielen begeistert zusehen.

Auch im Publikum fanden sich die üblichen Verdächtigen wieder, die „mundgesungene und handgespielte“ Musik schätzen und bei dem einen oder anderen altbekannten Friedenslied mitsangen. Wie immer kann und will ich mich nicht als Musikkritiker betätigen. Ich habe jedes der Lieder, nicht nur von Leo und Karmelita, geschätzt, die die Musiker in unterschiedlicher Zusammensetzung vorgetragen haben. Tränen hat mir das Lied „Der Traum vom Frieden“ in die Augen getrieben, dass ich nach langer Zeit mal wieder gehört habe. Auch „Das Kälbchen“ wie „Das Mädchen von Hiroshima“ hatte ich lange nicht gehört. Und beim abschließenden „Give Peace a Chance“ sang das gesamte Publikum mit.

Das Konzert hatte trotz aller Freude die es machte einen ernsten Hintergrund und erinnert an die vergessenen und verschütteten Lehren und Erfahrungen aus der eigenen Geschichte angesichts der kriegerischen Eskalation in Europa, die das Leben nicht nur der Menschen in der Ukraine, sondern darüber hinaus in der ganzen Welt bedroht. Dafür gilt Hildegard, Katrin, Karmelita und Leo aus Gelsenkirchen, Klaus, Margret, Michael und Rieke aus Dülmen sowie Iris, Frank und Stefan aus Bochum mein herzliches Dankeschön. Die gesammelten Spenden des Abends gingen an das La Lok libre.

Hier noch ein paar Fotos von meiner Handykamera, die dazu gespielte Musik kann ich leider leider nicht anbieten …

Weihnachtlicher Friedensstand

Fast hätte man ihn mit einem Stand des Weihnachtsmarktes verwechseln können, den Infostand des Friedensforums Gelsenkirchen heute neben der Altstadtkirche. Das Friedensforum hatte zwei kleine Weihnachtsbäume mit Wünschen geschmückt, den Wünschen der Bundeswehr nach mehr Aufrüstung, und den Wünschen aus der Friedensbewegung. Hier ein paar Bilder davon.

Beeindruckender Zeitzeuge in Gelsenkirchen

Am Volkstrauertag war mit dem hochbetagten Horst Selbiger ein beeindruckender Zeitzeuge in Gelsenkirchen und erzählte aus seinem Leben. Eingeladen hatten zu der gut besuchten Veranstaltung das BonniMax in der Lukaskirche in Gelsenkirchen-Hassel, die Schalker Fan-Initiative und die Falken. Der 1928 in Berlin geborene Horst Selbiger, Sohn eines Zahnarztes, erzählte zunächst von glücklichen Tagen seiner Vorschulzeit. Auch darf der jüdische Vater nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 noch weiter als Zahnarzt arbeiten, da Anfangs eine Ausnahme für Frontkämpfer des (Ersten) Weltkrieges gemacht wurden. Doch bereits 1934 ist die glückliche Kindheit mit der Einschulung in Grundschule als einziger Jude vorbei. Persönliche Stärkung brachte ihm der jüdische Sportverein Makkabi, wo er Boxen lernte.

Besser wird es 1938 mit dem Wechsel auf die Jüdische Mittelschule, wo er mit anderen jüdischen Kindern unterrichtet wird. Die Lehrenden, die nur noch jüdische Kinder unterrichten dürfen, schätzen sie. Hier gibt es keine Trennung der Geschlechter, Mädchen und Jungen werden gemeinsam unterrichtet. Ausführlich und mit viel Gefühl schildert der 94jährige seine Jugendliebe, ein hübsches Mädchen mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen, die wunderbar „mit den Wimpern klimpern“ konnte. Noch können die jungen Leute die gemeinsame Zeit genießen.

Weiter berichtet Horst Selbiger von den Vorbereitungen zum nicht aufgeführten Theaterstück über die biblische Gestalt Esther, deren Rolle seine große Liebe übernimmt und die in seiner Erinnerung mit der kämpferischen, biblischen Esther verschmilzt. Mit der Schließung der jüdischen Schulen 1942 werden die inzwischen 14 Jahre alten Schülerinnen und Schüler zu Zwangsarbeitenden. Während seine Freundin Leichen waschen und Gräber für die gestiegene Anzahl jüdischer Selbstmörder ausheben muss, muss Horst Selbiger Metallteile in eine stinkende Brühe tauchen. Im Rahmen der sogenannten Fabrikaktion werden die letzten noch in Berlin lebenden Juden 1943 zur Deportation zusammengetrieben. Horst Selbiger wird vom Arbeitsplatz in Hemd und Hose im bitterkalten Februar auf den LKW getrieben. In der ehemaligen Synagoge eingesperrt, können sich die Liebenden unter unsäglichen Bedingungen noch einmal begegnen, bevor die Nazis sie endgültig auseinanderreißen. Erst später erfährt Horst Selbiger, dass sie bereits kurze Zeit später in Auschwitz ermordet wurde. Er selbst überlebt und wird als 17jähriger von den Allierten befreit.

Das Publikum ist erkennbar beeindruckt von dem Erzählten. Nur zögernd kommen Fragen und Anmerkungen, insbesondere von den jüngeren Zuhörerinnen und Zuhörern.

Wer sich – neugierig geworden – weiter mit dem Lebensweg von Horst Selbiger beschäftigt, stößt im Internet (1, 2) wie in seiner Buchveröffentlichung auf viel mehr. Am besten liest man selbst nach, wie er in seinem Buch „Verfemt – verfolgt – verraten“ zum Beispiel über den 9. November 1938 berichtet oder über seine Übersiedlung in die 1949 entstehende Deutsche Demokratische Republik, die er angesichts der Rückkehr der alten Nazis in die Ämter der entstehenden Bundesrepublik als das bessere Deutschland empfindet. Doch auch in der DDR wird er nicht heimisch, fällt als Mitglied der SED 1953 in Ungnade. 1964 nutzt er nach weiteren Enttäuschungen über die Entwicklung in der DDR die Gelegenheit eines journalistischen Auftrages und bleibt in der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die Entführung seines Mentors und guten Freundes Heinz Brandt durch die Staatssicherheit der DDR aus West-Berlin und dessen anschließende Verurteilung zu 13 Jahren Haft wegen „schwerer Spionage in Tateinheit mit staatsgefährdender Propaganda und Hetze“ erschütterten ihn sehr.

In der Bundesrepublik wird sein Antrag auf Entschädigung für die Nazi-Zeit abgelehnt, da er sich mit seinem Übertritt in die DDR 1949 „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ betätigt habe. Erst ein Gerichtsurteil hilft ihm zur Anerkennung als politisch und rassisch Verfolgter, die Gesundheitsschäden durch Verfolgung und Zwangsarbeit werden jedoch nicht anerkannt. Nach fast 15 Jahren entscheidet das Gericht 1978 gegen einen Entschädigungsanspruch, „da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den bei ihm aufgetretenen Erkrankungen und der nationalsozialistischen Verfolgung nicht wahrscheinlich ist“. Aus gesundheitlichen Gründen konnte Horst Selbiger nach dieser langen Zeit einfach nicht mehr weiterkämpfen.

Selbiger, Horst: Verfemt – verfolgt – verraten. Abriss meines Lebens, Spurbuchverlag, Baunach, Auflage 2018; € 19,80

Bericht in der WAZ hier.

13. Herbstlicher Gelsenkirchener Abgesang wider die heraufziehende Kälte

Nach dem Corona-Loch und trotz gesundheitlicher Probleme ergibt sich nach 4 Jahren Pause für Karmelita Gaertig und Leo Kowald wieder die Möglichkeit, den „Herbstlichen Gelsenkirchener Abgesang“ im LaLoK durchzuführen, dieses Mal unterstützt vom Friedenschor Dülmen, der seit Jahren Aktionen gegen das Militärlager „Tower Baracks“ in Dülmen kulturell begleitet.

Das Konzert „Einseitige Friedenserklärung“ steht ganz unter dem Eindruck der Eskalation kriegerischer Politik in Europa, die inzwischen das Leben der Menschen auf der ganzen Erde bedroht und den Weg in eine bessere Zukunft verstellt. Es soll an die verschütteten und vergessenen eigenen Lehren und Erfahrungen aus der Geschichte erinnern, um neue Wege zum Frieden, heraus aus der tödlichen Gewaltspirale, zu finden.

Das Konzert findet am Freitag, 9. Dezember 2022, ab 20 Uhr im LALOK-libre, Dresdener Str. 87/Ecke Grillostraße in 45881 Gelsenkirchen-Schalke statt. Einlass ist bereits eine halbe Stunde früher.

Der Eintritt ist frei, am Schluss geht ein Hut rum für die Auslagen der Künstler.

Infostand zum Krieg in der Ukraine

Unter dem Motto „Verhandeln statt töten, sofortiger Waffenstillstand“ führt das kleine aber feine Friedensforum Gelsenkirchen einen Infostand am 4. November 2022 von 16 bis 18 Uhr auf dem Heinrich-König-Platz (gegenüber der Eisdiele Graziella) durch. Thema ist natürlich der Krieg, der seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands in der Ukraine tobt.

In seiner Ankündigung schreibt das Friedensforum unter anderem: „Jede Verlängerung des Krieges birgt die Gefahr einer Eskalation. Statt Lösungen in militärischen Kategorien zu suchen, fordern wir diplomatische Wege, die gegenwärtig überhaupt nicht erwogen werden. Unmittelbare Kriegsfolgen sind Preissteigerungen und Energieverknappung. 100 Mrd. für die Aufrüstung, gleichzeitig eine jährliche Erhöhung der Rüstungsausgaben für weitere Kriege. Damit sind wir nicht einverstanden. Das Geld fehlt im Bildungsbereich, Gesundheitswesen, ÖPNV, im kommunalen Haushalt.“

Allein diese Ankündigung verbunden mit dem Satz „Wir zahlen nicht für eure Kriege!“ führte schon zu einer heftigen Reaktion. Dies zeigt, wie verhärtet die Fronten nicht nur in der Ukraine sind und wie gering die Bereitschaft ist, andere Positionen überhaupt nur anzuhören. Die Mitglieder des Friedensforums zeigen sich jedoch weiterhin gesprächsbereit und werben für ihre Position – nicht nur aber auch am 4. November.

Gedenkstättenfahrt nach Bremen und Esterwegen

Geführte Tour durch den U-Boot-Bunker Valentin, heute Denkort.

Zum inzwischen elften Mal fuhren die DGB-Jugend Mülheim, Essen, Oberhausen und die VVN-BdA Essen gemeinsam zu Orten des Nazi-Terrors. Wie schon viele Male zuvor waren eine Großstadt und ein in der Nähe gelegener Gedenkort das Ziel der Wochenendtour. Von Freitag bis Sonntag, vom 9. bis 11. September 2022 ging es nach Bremen und in die KZ-Gedenkstätte Esterwegen. In Bremen wie in Esterwegen war zu sehen, wie die Nazis in ländlichen Regionen Großprojekte in Gang setzen, die der Unterdrückung und Ausbeutung politischer Gegener und Andersdenkender dienten und von der zugleich die jeweils örtliche Bevölkerung profitierte.

Der Freitag war für die reine Busfahrt nach Bremen vorgesehen, das Programm begann am Samstag in Bremen-Farge mit der Besichtigung des U-Boot-Bunkers Valentin. Durch diesen „Denkort“ führten uns mit Monika Eichmann und Ulrich Stuwe zwei Mitglieder der VVN-BdA Bremen und zeigten uns ein gigantisches Bauwerk mit meterdicken Betonwänden und -decken. Die „technische Meisterleistung“ wurde von der Nazi-Marine mit Arbeitssklaven geschaffen, die unter unmenschlichen Bedingungen tägliche Schwerstarbeit auf der Baustelle leisten mussten.

Überreste der Betonmischanlage für den Bau der meterdicken Betonwände und -decken.

Zivile Zwangsarbeiter aus ganz Europa, sowjetische Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge, Häftlinge eines Arbeitserziehungslagers der Bremer Gestapo, italienische Militärinternierte wurden von Marine-Soldaten bewacht dort eingesetzt. Viele von ihnen überlebten die Folgen der körperlichen Arbeit, der unzureichenden Versorgung und der Lebensbedingungen in den umliegenden Lagern nicht.

Denkort Bunker Valentin mit Teilnehmenden auf dem Rundweg um den U-Boot-Bunker.

Im U-Boot-Bunker sollten geschützt vor Luftangriffen modernste U-Boote im Fließbandverfahren für den Krieg gebaut werden. Doch kein U-Boot verließ je diesen Bunker. Nach einem Luftangriff auf einen nicht fertiggestellten westlichen Teil des Bunkerdachs wurden die Bauarbeiten gestoppt. Nach dem Krieg diente er den Alliierten zu Bombentests, weitere Pläne ihn abzureissen oder unter einer Parklandschaft zu begraben scheiterten. Teile der Gebäude und des Geländes wurden seit den 1960er Jahren von der Bundeswehr genutzt. Erst ihr Abzug 2010 machte den Weg für seit den 1980er Jahren erhobenen Forderungen frei, ihn zu einer Gedenkstätte umzugestalten. 2015 wurde der Denkort Bunker Valentin offiziell eröffnet. (Heute ist der Bunker übrigens nicht nur ein Denkort, sondern auch ein Biotop für Fledermäuse und – auf dem Dach – für Frösche.)

Eine der vielen Tafeln auf dem Rundweg , der um den Bunker herum führt.

Um den Bunker herum führt heute ein Rundweg, der die Geschichte des Ortes erläutert. Neben baulichen Überresten und persönlichen Schicksalen fanden wir auch Tafeln auf denen die Namen der Firmen genannt werden, die am Bau des Bunkers verdient haben. Im Gebäude selbst findet sich ein Informationszentrum einer Ausstellung, Filmmaterial und weiteren Informationen. Ein Medientisch zeigt die geografische Entwicklung. Vor dem Bunker und außerhalb des früheren Bundeswehrgeländes findet sich die 1983 errichtete vier Meter hohe Plastik „Vernichtung durch Arbeit“ von Fritz Stein.

Die Plastik „Vernichtung durch Arbeit“ (1983).

Nach der Mittagspause trafen wir uns auf der anderen Weserseite an der Oberschule am Leibnitzplatz. Von hier aus führten uns John Gerardu und Horst Otto, zwei lokale Aktivisten, zu einigen Denkorten in der Bremer Neustadt und erzählten dabei auch einiges über den Stadtteil. Die Denkorte Neustadt sind lokal verankert und werden auch öffentlich gefördert. Neben den Denkorten im engeren Sinne, die durch eine gemeinsame Gestaltung gekennzeichnet sind, führten sie uns auch zu einem Gedenkstein, der an die Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Minsk erinnert, über den städtischen Friedhof mit einigen steinernen Zeugnissen, zum Stolperstein für Alfred Bostelmann, einem Zeugen Jehova und zur Schule Kantstraße, in der Zwangsarbeiter untergebracht waren. Damit ist die breite dieser Form der Erinnerungsorte schon deutlich geworden.

Während der Führung einer Kleingruppe durch Bremen-Neustadt.

Insgesamt war dieser Tag sehr interessant, durch die vielen nur fußläufig zu erreichenden Orte auch sehr anstrengend gewesen. Da der Abend zur freien Verfügung stand, nutzte ich ihn für einen langen Spaziergang entlang der belebten Weser und fand dort auch ein Plätzchen zum Verweilen. Der folgende Sonntag stand im Zeichen des Besuchs der Gedenkstätte Esterwegen und der Rückfahrt nach Essen. Ähnlich wie beim U-Boot-Bunker Valentin bot erst der Abzug der Bundeswehr die Möglichkeit, am Ort des früheren Konzentrationslagers Esterwegen eine Gedenkstätte einzurichten. Das frühere Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ), das seit 1985 in Papenburg, dem zentralen Sitz der Verwaltung der Emslandlager bestanden hatte, ist in diese Gedenkstätte mit aufgegangen und besteht nicht mehr.

Einer der Denkorte in Bremen-Neustadt mit der für das Projekt typischen Gestaltung.

Bei den Emslandlagern handelt es sich um insgesamt 15 Lager unter wechselnder Verwaltung in der strukturschwachen Grenzregion zur Niederlande. Drei von ihnen, darunter Esterwegen und Börgermoor waren zeitweilig Konzentrationslager für politische Gegner und Andersdenkende, die von den Nazis hier eingesperrt wurden. Berühmt geworden ist das Lied „Wir sind die Moorsoldaten“, dass die KZ-Insassen schufen und sich trotz Verbots über das KZ hinaus verbreitete.

Eingang zur Gedenkstätte Esterwegen.

Das KZ Esterwegen wurde wie das KZ Dachau als Musterlager geplant und gebaut. Es wurde im Sommer 1933 durch den preußischen Staat errichtet, die Baracken und alle Einrichtungen natürlich von den KZ-Insassen gebaut. Es wurde bereits 1936 als KZ aufgelöst und die Insassen nach Oranienburg nördlich von Berlin gebracht, wo diese das KZ Sachsenhausen aufbauen mussten. Bemerkenswert ist in Esterwegen im Gegensatz zu den anderen großen Konzentrationslagern die Nähe zwischen dem Häftlingslager und dem Lager der Wachmannschaften. In Esterwegen mussten die Häftlinge die Lagerstraße der Wachmannschaften morgens und abends durchschreiten. In anderen Lagern waren die Bereiche der SS-Wachmannschaften deutlich vom Häftlingslager getrennt. Das Lager wurde ab 1937 als Strafgefangenenlager durch die Justizverwaltung weiter geführt, und 1943/44 für Widerstandskämpfer aus den deutsch besetzten westeuropäischen Ländern.

Blick in den zerstörten Teil des U-Boot Bunkers Valentin.

Wie auch andere KZs wurde nach der Befreiung vom Faschismus Esterwegen als Internierungslager durch die in diesem Fall britische Besatzungsmacht genutzt und danach als Flüchtlingsdurchgangslager. Die Gebäude des Lagers wurde abgetragen und verkauft, das Gelände anschließend von der Bundeswehr genutzt. Nach dem Abzug der Bundeswehr konnte 2009/11 die Gedenkstätte errichtet werden. Da bauliche Überreste fast völlig fehlen, wurden Mauern, Wachtürme und Tore durch Cortenstahlwände sybolisiert, der Stahl soll an die Kälte des Lagers erinnern, die braune Farbe an den Torf der Moore, zu dessen Kultivierung die KZ-Häftlinge eingesetzt wurden. Erst während des Krieges wurden die Insassen der Lager für andere Arbeiten in der Landwirtschaft wie für die Rüstungsproduktion eingesetzt. Bemerkenswert auch die Markierung der Barackenstandorte, sie sind nicht wie in Buchenwald, Dachau oder inzwischen auch in Sachsenhausen durch Schotter markiert, sondern durch Bauminseln, aus denen an diesem 11. September, dem Tag des Offenen Denkmals Audioinstallationen die Erinnerung an das KZ zurückbrachte.

DGB-Jugend MEO erinnert in der Gedenkstätte Esterwegen.

An den ursprünglich außerhalb des Geländes aufgestellten Gedenksteinen, die an Carl von Ossietzky und an alle Häftlinge des Lagers erinnern, legte die DGB-Jugend einen Kranz nieder und Lennart hielt eine angemessene Gedenkrede. Carl von Ossietzky, der als Journalist die Weimarer Republik verteidigte und vor dem aufkommenden Faschismus warnte, wurde von den Nazis in Esterwegen mit der üblichen Grausamkeit behandelt und durch die Lagerbedingungen ermordet. Der Friedensnobelpreisträger ist damit das prominente Beispiel für das Leiden vieler wenig bekannter Menschen. Bereits die Gewerkschaftsjugend der IG Bergbau Essen hat ihm 1963 an einem anderen Ort in Esterwegen mit einem Gedenkstein gedacht. 2021 finden sich in der Ausstellung der Gedenkstätte neben ihm zahlreiche andere völlig unterschiedliche Menschen, deren Leben und Leiden dokumentiert wird.

Leicht bearbeitete Fassung.

Antikriegstag auf dem Margarethe-Zingler-Platz

Antikriegstag 2022 auf dem Margarethe-Zingler-Platz.

Unter dem Motto „Ukraine-Krieg – verhandeln statt weiter töten“ führte das Friedensforum Gelsenkirchen heute auf dem Margarethe-Zingler-Platz seine Mahnwache anlässlich des diesjährigen Antikriegstages durch. Der Antikriegstag erinnert in jedem Jahr an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland am 1. September 1939 und ruft dazu auf, sich auch in der Gegenwart für den Frieden einzusetzen. Der Margarethe-Zingler-Platz ist nach der von den Nazis verfolgten sozialdemokratischen Widerstandskämpferin Margarethe Zingler benannt und gehört zu den fünf innerstädtischen Plätzen, die an verfolgte Gegner und Opfer der Nazis erinnern.

Antikriegstag 2022 auf dem Margarethe-Zingler-Platz.

Auf insgesamt drei Schautafeln wurde mit Fotos und kurzen Texten eine Darstellung des Straßentheaterstückes gezeigt, das während der diesjährigen Friedensfahrradtour der DFG-VK NRW in drei verschiedenen Städten im August aufgeführt worden ist. Es basiert auf der Idee aus dem Brechtschen Theaterstücks „Der kaukasische Kreidekreis“ und zeigt, wie die Ukraine zwischen Ost und West zerrissen wird. Die Mitglieder des Friedensforums führten mit den vorbeikommenden Passanten Gespräche und machten dabei deutlich, dass Gewalt keine Lösung ist.

Hier eine kleine Fotogalerie.

Antikriegstag 2022 in Gelsenkirchen (mit Updates)

Der Antikriegstag erinnert in jedem Jahr an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland am 1. September 1939 und ruft dazu auf, sich auch in der Gegenwart für den Frieden einzusetzen. Seit 1957 rufen Friedensgruppen und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu Kundgebungen auf. In diesem Jahr stehen die Veranstaltungen vor allem unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der massiven Aufrüstung der Bundeswehr mit dem 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm – auch in Gelsenkirchen.

Am Vorabend des Antikriegstages, Mittwoch, 31. August 2022, findet um 19 Uhr ein Diskussionsabend „Vergessene Kriege“ der Partei DIE LINKE als Online-Veranstaltung statt. Andrej Hunko, seit 2009 für DIE LINKE im Deutschen Bundestag, wird über aktuell stattfindende Kriege wie z.B. im Jemen berichten und sich auch zur aktuellen Situation im Ukraine-Krieg äußern. Wer teilnehmen möchte muss nur eine E-Mail an vorstand@dielinke-gelsenkirchen.de oder linksfraktion@gelsenkirchen.de senden und erhält dann den Link für die Teilnahme per Zoom.

Am Donnerstag, dem 1. September findet ab 16 Uhr auf dem Platz der Alten Synagoge, Georgstraße 2, 45879 Gelsenkirchen, die traditionelle Kundgebung des DGB Gelsenkirchens gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen statt. Nach der Begrüßung durch den DGB-Vorsitzenden Mark Rosendahl und Grußworten von Anja Weber (DGB-NRW) und Karin Welge (Oberbürgermeisterin) sind Beiträge der DGB-Jugend sowie von Judith Neuwald-Tasbach (Jüdische Gemeinde) angekündigt, sowie ein Musikbeitrag von Chris Formella.

Ebenfalls für Donnerstag, 1. September ruft das Bündnis gegen Krieg und Faschismus zu einer Kundgebung ab 17.30 Uhr auf dem Neumarkt in Gelsenkirchen auf. Im Aufruf „Stoppt den Krieg in der Ukraine – Verhindern wir den III. Weltkrieg!“, der sich nicht auf die Seite einer Kriegspartei stellt, sondern auf die Seite der Menschen in aller Welt, wird vor der Gefahr eines Dritten Weltkrieges gewarnt, die explodierenden Gewinne der großen Rüstungs-, Energie- und Dax-Konzerne nebst galoppierender Energiepreise und Inflation angeprangert und darauf hingewiesen, dass es bei allen Kriegen der letzten Jahrzehnte letztlich nur um Profite und Macht ging.

Hildegards Theaterstück im August 2022 auf dem Markt in Rheydt. Nach der Geschichte vom kaukasischen Kreidekreis (Bert Brecht) streiten sich Putin und Selenskji um die Ukraine. Profiteur ist die Rüstungsindustrie, Leidtragende die Bevölkerung (Foto: Friedensfreunde Dülmen).

Am Freitag, dem 2. September 2022 führt das Friedensforum Gelsenkirchen von 16.00 bis 18.00 Uhr einen Infostand am Hauptmarkt gegenüber der Hauptstraße durch. Unter dem Motto „Ukraine-Krieg – verhandeln – statt weiter töten“ wird eine bildliche Darstellung eines Straßentheaterstücks (siehe Foto) gezeigt. Dieses wurde während der Friedensfahrradtour der DFG/VK NRW in 3 Städten im August 2022 aufgeführt.

Ebenfalls am Freitag findet von 18.00 Uhr bis 21.45 Uhr ein weiteres Laut gegen Rechts Konzert statt – dieses Mal im Stadtgarten Gelsenkirchen.

Die ursprünglich für Samstag, 3. September 2022 geplante Fahrradtour der VVN-BdA Gelsenkirchen zu Kriegerdenkmalen muss leider wegen einer Terminüberschneidung verschoben werden. Sie wird zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden und dann vom DGB-Haus der Jugend über verschiedene Denkmale in Alt-Gelsenkirchen zum Westfriedhof in Heßler führen. Stattdessen fahren Mitglieder der VVN-BdA wie schon in früheren Jahren nach Stukenbrock. Dort wird seit 1967 auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof durch den Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ den bestatteten sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht. Die Überlebenden, die nicht von den Nazis durch Hunger und Arbeit ermordet worden waren, hatten unmittelbar nach der Befreiung einen Obelisken errichtet, der in kastrierter Form noch heute steht und Ort der Gedenkfeier ist.

Am Sonntag, dem 4. September 2022 lädt die AG „Laufend erinnern“ auf den Westfriedhof in Heßler, Grawenhof 25, 45883 Gelsenkirchen ein. Treffpunkt ist 14 Uhr am Haupteingang des Friedhofs. Im Zentrum stehen die Kriegsgräber von NS-Opfern, die in den Jahren 1941 bis 1944 hier bestattet wurden. Seit 2019 recherchiert und informiert die Arbeitsgruppe der Schalker Fan-Initiative – Schalker gegen Rassismus, Diskriminierung, Sexismus und Homophobie – egal wo! – in Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadtgeschichte über ihre Schicksale. Am 4. September wollen die AG-Mitglieder an die Menschen erinnern und gemeinsam gedenken.

Eine bundesweite Terminübersicht zum Antikriegstag 2022 findet sich übrigens beim Netzwerk Friedenskooperative.

Updates Stand 26.08.2022

Frei.Wild-Frontsänger Philipp Burger ausgeladen!

Große Unterstützung für die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen, hier Mahnwache am 10.10.2019 an der Neuen Synagoge in Gelsenkirchen.

In Zeiten von Facebook, Twitter & Co. ist es immer mehr üblich geworden, sich dort medial aufzuregen anstatt klug und einfach zu handeln. Letzteres haben Mitglieder des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses getan – und einfach bei der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen nachgefragt.

Gestern erreichte die VVN-BdA Gelsenkirchen die folgende Nachricht, „dass in Gelsenkirchen eine Veranstaltung zu Ehren von Esther Bejarano geplant ist, Veranstaltungsort ist die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen. Neben dem Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, und der Antisemitismusbeauftragten von NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, soll dort auch der Frontsänger der Rechtsrockband Frei.Wild, Philipp
Burger, auf dem Podium sitzen. Ein Mensch, der über die Liebe zu Volk, Nation und Heimat singt und nationalistische Phrasen über Identität drischt, soll auf einer Veranstaltung sprechen dürfen, die den Namen Esther Bejarano im Titel trägt, auf der ‚über Antisemitismus und die Schrecken der Shoah‘ gesprochen werden soll.“

Meine kurze Recherche ergab als Veranstalter der für den 22. September 2022 geplanten Veranstaltung die LaMalo Consulting GmbH, über die ich nichts wesentliches in Erfahrung bringen konnte. Die (inzwischen geänderte) Ankündigung fand ich hier, einen ausführlichen Bericht über die geplante Veranstaltung hier. Anstatt sich medial aufzuregen, nutzten Mitglieder des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung, in dem die VVN-BdA Gelsenkirchen mitarbeitet, ihre Kontakte, um die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen bezüglich der Veranstaltung und dem vom Veranstalter vorgesehenen Gast inklusive seines Hintergrunds zu informieren.

Innerhalb kürzester Zeit war klar, dass der Frontsänger der Rechtsrockband Frei.Wild, Philipp Burger, nicht in der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen auftreten und die Diskussion wie geplant, mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Abraham Lehrer, Ahmed Mansour und Holger Münch unter der Moderation von Susanne Glass stattfinden wird. Kern der Veranstaltung ist übrigens – das wäre angesichts der Aufregung fast untergegangen – eine Lesung von Esther Münch aus dem Buch „Nie schweigen“ – das Vermächtnis von Esther Bejarano.

Update: Der ursprüngliche Titel „Viel Lärm um Nichts“ hat zu einem Missverständnis geführt (siehe Kommentare) und wurde daher geändert.

Update: Nach der Ausladung folgt nun die Absage. Wie in der Jüdischen Allgemeinen zu lesen ist, wurde inzwischen die komplette Veranstaltung abgesagt.