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Die rote Großmutter erzählt …

Marianne KonzeEs sind nicht immer nur die „roten Großväter“, die viel erlebt haben. Marianne Konze, am 13. Februar 1929 geboren, inzwischen 82 Jahre alt, hat in ihrem Leben Faschismus und Krieg, die Befreiung durch alliierte Truppen und die Restaurationspolitik in der Nachkriegszeit erlebt. Geprägt wurde sie von Kindesbeinen an durch die politische Arbeit ihres Vaters. Dieser verließ Ende der 1920er Jahre Bayern und ging nach Thüringen, wurde von den Nazis zweimal inhaftiert und war unter anderem auch im „Strafbataillon 999“. Nach Kriegsende und Befreiung engagierte er sich dann beim Aufbau der DDR.

1953 kam Marianne ins Ruhrgebiet, der Liebe wegen, und heiratete Robert Konze. Ihr Mann wurde aus politischen Gründen vor Gericht gestellt und eineinhalb Jahre inhaftiert. Marianne engagierte sich Zeitlebens im gewerkschaftlichen, sozialistischen, friedens- und frauenpolitischen Spektrum. Seit der Gründung 1968 ist sie Mitglied der DKP. Und: In einem Alter, in dem sich andere bereits aufs Altenteil zurückgezogen haben, trat Marianne 2004 als Kandidatin der PDS/Offene Liste für die Bezirksvertretung Nord an und zog – selbst von ihrem Erfolg überrascht – dort ein. Bis 2009 vertrat sie dort die PDS bzw. ab 2007 Die Linke.

Ostermarsch 2010 Marianne Konze spricht2009 feierte sie ihren 80. Geburtstag und ein Jahr später hielt sie beim Ostermarsch 2010 in Gelsenkirchen eine Rede zu 50 Jahren Ostermarsch. Hier erinnerte sie sich: „Ich selbst, 1929 geboren, habe Faschismus und Krieg erleben müssen. Am 13. Februar 1945, meinem 16. Geburtstag, brannte Dresden. Phosphor. Die Menschen sprangen brennend in die Elbe, doch sie brannten im Wasser weiter – da hab ich mir vorgenommen: Du wirst dein Leben lang mithelfen, dass so was nie wieder passiert. Und solch hart Gesottene gibt’s zum Glück ganz viele. Auch wenn wir uns oft anhören müssen: Quatsch, ihr könnt ja doch nichts ändern. Aber, liebe Anwesende, haben wir nicht schon viel geändert? Gerade deshalb werden unsere Aktionen und Forderungen heruntergespielt, kaum erwähnt. Die Herrschenden nehmen sie ernster, als wir das oft selbst tun.“

Mehr wird sie sicherlich am Donnerstag, 17. November 2011, ab 19 Uhr, im „Café liberté“ im Hinterhof des DGB-Hauses der Jugend, Gabelsberger Str. 12, 45879 Gelsenkirchen berichten. Die VVN Gelsenkirchen hat Marianne eingeladen und gebeten, aus ihrem Leben zu berichten. Eine Einladung, die sie gerne angenommen hat.

Hier ermordet

Rede Ursula Möllenberg  zur Verlegung eines Stolpersteins für Erich Lange „Am Rundhöfchen“, 1. August 2011

Verehrte Anwesende,
liebe Freunde,

wir sind froh und dankbar, dass nun an diesem zentralen Ort in Gelsenkirchen ein kleines Denkmal in Form eines Stolpersteins für E. Lange besteht – und nicht nur an diesem Ort, sondern auch an seiner damaligen Wohnstätte.

Erich Lange war eines der ersten Opfer der Faschisten in Gelsenkirchen. Er wurde hier, an dieser Stelle, am 22.3.1933 viehisch ermordet. Das geschah im Anschluss an einen Fackelzug, den die NSDAP veranstaltete, als Siegeszug für den Wahlsieg bei den Stadtratswahlen, bei denen sie 40 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Es hat im Vorfeld kritische Stimmen zur Verlegung eines Stolpersteins für Erich Lange gegeben, weil er in der SS gewesen war.

Erich Lange  hatte seinen Irrtum bald erkannt und war in den kommunistischen Jugendverband  eingetreten, wohl wissend, dass er damit die „Vergeltung“ der Nazis auf sich zog, die seinen Schritt als „Verrat“ auffassten. Die Nazis übten brutale Rache; sie tobten sich regelrecht an dem wehrlosen Opfer aus. Die Leiche Erich Langes war so zugerichtet, dass sie von seinen Freunden und Verwandten kaum wiedererkannt werden konnte. Das hat uns unsere Freundin, die verstorbene Antifaschistin Rosa Eck, berichtet, die Erich Lange gut kannte, und der es heute eine besondere Genugtuung wäre, dass ihr Jugendfreund diese späte Ehrung erfährt.

Seit den Anfängen der Bundesrepublik, und in letzter Zeit verstärkt, werden Faschismus und Kommunismus gleichgesetzt. Das ist ein ideologisches Konstrukt, das von den wahren Ursachen des deutschen Faschismus und von der Unterstützung mächtiger Repräsentanten der bürgerlichen Gesellschaft für die Errichtung der Nazidiktatur ablenken soll. Es trägt dazu bei, dass der Faschismus verharmlost wird, und verhindert, dass Lehren aus der schrecklichen Vergangenheit gezogen werden.

Unsere heutige Gesellschaft ist wieder – wie damals – von verfestigter Massenarbeitslosigkeit und daraus resultierender Perspektivlosigkeit  für große Teile der Jugend gekennzeichnet. Und es greift  Rechtspopulismus um sich, wird gefördert und trifft auf immer größere Zustimmung. Nach wie vor treiben neonazistische Kräfte ihr Unwesen, ohne dass ihnen staatlicherseits das blutige Handwerk gelegt wird. 149 Todesopfer gehen bereits auf ihr Konto und trotzdem geht man sehr behutsam gegen sie vor, beschwört dabei  immerzu die Gleichheit von Rechts- und Linksextremismus, die angeblich aus den Rändern der Gesellschaft kommen, obwohl die Rechtsentwicklung damals wie heute in der  Mitte der Gesellschaft entsteht. Mit der Extremistenthese wird geheimdienstliche Überwachung und die alltägliche Diffamierung der Linken gerechtfertigt.

Die derzeitige Bundesregierung entblödet sich nicht, die finanzielle Unterstützung antifaschistischer Initiativen davon abhängig zu machen, dass sie sich von Links„extremisten“ distanzieren.

Es ist eine verhängnisvollen Entwicklung, der sich alle Demokraten nachdrücklich in den Weg stellen und kompromisslos das Verbot jeglicher neofaschistischer Betätigung, wie es im Grundgesetzt verankert ist, fordern sollten.

Als Antifaschisten sehen wir den nach dem barbarischen Zweiten Weltkrieg geleisteten Schwur antifaschistischen Schwur  „Nie wieder“ als Vermächtnis an, und wir werden nicht aufhören, gemeinsam unsere Kraft aufzubieten,  um ihn zu bekräftigen und ihm Geltung zu verschaffen.

Die Diskussion um „so genannte“ Stolpersteine in Gelsenkirchen 2005/06

Gunter Demnig verlegt Stolperstein für Charles GantyMit der Verlegung von inzwischen 19 Stolpersteinen seit 2009 sowie der geplanten Verlegung von weiteren Stolpersteinen voraussichtlich im August 2011 kann man sagen, dass dieses Kunst- und Erinnerungsprojekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig zu einem etablierten Bestandteil der Gedenkkultur in Gelsenkirchen geworden ist. Dies ist nicht zuletzt der beharrlichen Initiative des Vereins Gelsenzentrums seit Mitte 2005 zu verdanken, das die Verlegung organisiert und begleitet sowie die Hintergründe und Geschichte der Menschen im Internet dokumentiert. Andreas Jordan wird mit seinem Engagement schon mal als „teamunfähiger Einzelgänger“ bezeichnet, doch vermutlich ist es genau diese Eigenschaft, die dazu geführt hat, dass in Gelsenkirchen überhaupt Stolpersteine verlegt wurden und werden. Also handelt es sich eigentlich um einen Ehrentitel. Wenn man sich das Ergebnis ansieht, dann braucht es mehr „teamunfähige Einzelgänger“ in dieser Stadt, die sich von Widerständen nicht beirren lassen!

Eher zufällig bin ich bei einer Recherche im Ratsinformationssystem der Stadt Gelsenkirchen auf die Thematisierung der „Stolpersteine“ in den städtischen Gremien 2005/06 gestoßen. Begonnen hatte die Diskussion mit einem Antrag, den Werner Cichowski am 20.03.2005 für die damalige PDS (jetzt Die Linke) an die Bezirksvertretung Mitte stellte. Darin beantragte er angesichts der „starken Ausweitung des Rechtsextremismus“, den 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2005 würdevoll zu gestalten. Neben feierlichen Kranzniederlegungen an allen vorhandenen Mahnmalen regte er an, „gemeinsam mit dem Institut für Stadtgeschichte herauszufinden, wo im Bezirk GE-Mitte besondere Orte von Naziverbrechen bzw. Wohnungen und Wirkungsstätten von Antifaschisten gewesen sind“, um dort „so genannte“ Stolpersteine einzurichten. Die Bezirksvertretung Mitte beschloss in ihrer Sitzung am 06.04.2005 in der Begegnungsstätte Haverkamp, dass die Einrichtung von „Stolpersteinen“ eine gesamtstädtische Aufgabe sei und verwies den Antrag an den Rat der Stadt. (Das Protokoll zu diesem Tagesordnungspunkt ist übrigens eine sehr schöne Comedy-Vorlage, aber das nur am Rande.)

Der Antrag wurde als Empfehlung im Kulturausschuss vorberaten. Dieser tagte am 01.06.2005 im Rittersaal von Schloss Horst. Hans-Joachim Siebel hatte für die SPD-Fraktion zwar einige Fragen zu den Stolpersteinen, doch die Beantwortung schien nicht besonders wichtig zu sein, da die SPD-Fraktion zwar ein Gedenkprojekt unterstützen wolle, aber nicht in der Form der Stolpersteinen, sondern in Form von in Augenhöhe angebrachte Gedenktafeln. Bernd Matzkowski (Bündnis 90/Die Grünen) wollte mit Gelassenheit an die Diskussion herangehen und erst verschiedene Aspekte klären. Der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, Priamus, kritisierte u.a., dass mit der Auswahl der Opfer, die einen Stolperstein erhalten sollen, eine erneute „Selektion“ betrieben würde und die Informationen auf dem Stolpersteinen selbst zu knapp seien. Frauke Schraeder (CDU) hatte dagegen schon Stolpersteine in Holland gesehen und fand das Projekt sehr sinnvoll.

In der weiteren Diskussion im Ausschuss wurden noch weitere und in derartigen Diskussionen typische Argumente eingebracht. So war der Kulturdezernent Beck der Auffassung, größere Geldbeträge besser für die Gestaltung des aktuellen kulturellen jüdischen Lebens einzusetzen. Herr Dr. Priamus führte noch aus, dass die Ermittlung der Nachfahren von NS-Opfern aufwändig und unter Umständen teuer sein könnten. Barbara Filthaus wollte nicht nur jüdische, sondern alle Opfer der NS-Zeit berücksichtigt wissen und empfahl, die Stolpersteine nach und nach einzuweihen, um wiederkehrend zu erinnern. Auch die Frage, ob die Stolpersteine pflegeintensiv seien, wurde gestellt und von Dr. Priamus bejaht. Nicht an der Diskussion beteiligt hat sich übrigens der von der damaligen PDS in den Ausschuss entsandte Roland Küpper, der das Projekt „Stolpersteine“ später zu torpedieren versuchte. Schließlich glitt die Diskussion durch einen unsäglichen Beitrag in geschichtsrevisionistische Gefilde ab und wurde beendet.

Obwohl im Protokoll der Kulturausschusssitzung keine förmliche Abstimmung dokumentiert ist, findet sich im Ratsinformationssystem eine Empfehlung des Kulturausschusses an den Rat der Stadt, „die Beratung nicht fortzufahren“, sondern zunächst die Erfahrung aus anderen Städten auszuwerten. Hierzu werde das Institut für Stadtgeschichte dem Kulturausschuss am 28. September 2005 die Ergebnisse vorlegen. Damit war schon mal klar, dass es zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2005 keine Stolpersteine geben würde.

Doch die Vorlage des Instituts für Stadtgeschichte, die dem Kulturausschuss für den 28.09.2005 vorgelegt wurde, beinhaltet mehr als Erfahrungen aus anderen Städten. Unter dem Titel „Projekt ‚Erinnerungsorte'“ wird das Projekt „Stolpersteine“ zwar gewürdigt, doch aufgrund verschiedener „Schwächen“ schlägt das Institut für Stadtgeschichte dem Kulturausschuss ein Projekt mit „Erinnerungstafeln“ vor. Also ein Projekt, wie es Hans-Joachim Siebel bereits am 01.06.2005 für die SPD-Fraktion vorgeschlagen hatte. Diese sollen mehr Informationen als die „Stolpersteine“ bieten und ebenfalls durch bürgerschaftliches Engagement („Demokratische Initiative“) getragen werden, sich aber nicht nur auf die Zeit des Nationalsozialismus beziehen. In der Diskussion im Ausschuss, verfolgt man das Protokoll, waren die „Stolpersteine“ offenbar kein Thema mehr. Zwar betonten die Diskutanten, dass man niemanden daran hindern wolle, das Projekt „Stolpersteine“ in Gelsenkirchen weiter zu verfolgen, doch die Stadt Gelsenkirchen solle ein Projekt beschließen, das darüber hinaus ginge. Der Vorlage wurde einstimmig zugestimmt. Der Rat der Stadt stimmte am 27.10.2005 ebenfalls zu. Dort wurde auch noch einmal betont, dass es keine Absage an einem Projekt „Stolpersteine“ sei.

Es dauerte bis ins nächste Jahr, genau bis zum 06.06.2006, bevor das Thema „Stolpersteine“ erneut aufgegriffen wurde. Die damalige gemeinsame Ratsfraktion aus AUF und Die Linke.PDS beantragte für die nächste Ratssitzung den Tagesordnungspunkt „Stolpersteine“. Beantragt wurde von Ulla Möllenberg die Verlegung von Stolpersteinen für die „drei Gelsenkirchener Opfer des Faschismus bzw. Widerstandskämpfer“ Erich Lange, Paul Bukowsky und Charles Ganty. Der Rat der Stadt überwies in seiner Sitzung am 22.06.2006 den Antrag an den Kulturausschuss – gegen die 4 Stimmen der Antrag stellenden Fraktion. Der Kulturausschuss lehnte den Antrag in seiner Sitzung am 23.08.2006 mit Verweis auf die „ausführliche Diskussion“ des Vorjahres ab.

Damit war die Verlegung von Stolpersteinen klar auf private Initiativen verwiesen, die nach langem hin und her ab 2009 durch die Initiative Gelsenzentrums erfolgte.

Streit um Urheberschaft und Verlegung der Stolpersteine

Leserbrief zum WAZ-Artikel „Streit um Stolpersteine in Gelsenkirchen“

Natürlich wird es gern von der WAZ aufgegriffen und groß heraus gebracht: Streit um Urheberschaft und Verlegung der Stolpersteine. Typisch Gelsenkirchen! Alle, denen das antifaschistische Erbe teuer ist, sollten eigentlich froh sein, dass die Verlegung jetzt – dank Andreas Jordan und seinem wirklich unermüdlichem Einsatz – läuft. Und zwar wegen nicht unerheblicher Querelen im Vorfeld gegen die Verlegung der Steine. Als linke Ratsfrau habe ich bereits 2006 den Antrag für die Verlegung an die Stadt gestellt und alles andere als offenes Entgegenkommen von Ratsparteien und Verwaltung dafür erlebt. – Übrigens ebenso wie beim Projekt „Zug der Erinnerung“, bei dem der Rat der Stadt eine finanzielle Unterstützung verweigerte und alle Parteien damals gegen den von der Linken eingebrachten Antrag zur Unterstützung stimmten. Komisch auch, welche Menschen jetzt als die eigentlichen Urheber und Unterstützer hervorgehoben werden. Bernd Matzkowski z. B. war bei der Debatte zum Ratsantrag seinerzeit besonders eifrig, um das Projekt Stolpersteine – weil es von den Linken initiiert war – zu hintertreiben.

Traurig, dass jetzt das eifersüchtige Gezänk über die Urheberschaft, einschließlich der Verunglimpfung der Person Andreas Jordans, die Genugtuung darüber, dass endlich auch in Gelsenkirchen eine spezielle Form würdigen Gedenkens durch Stolpersteine möglich ist, in den Hintergrund drängt.

Ursula Möllenberg (war bis 2009 für die PDS/Linkspartei.PDS/DIE LINKE im Rat der Stadt Gelsenkirchen)

Stolperstein für Charles Ganty verlegt

Bei „leichtem Schneegriesel“ (O-Ton Wetterbericht) verlegte Gunter Demnig heute im Schatten der Zeche Nordstern den Stolperstein für den belgischen Zwangsarbeiter Charles Ganty. Das bereits in vielen Städten im In- und Ausland bekannte Erinnerungsprojekt des Künstlers Gunter Demnig sieht vor, das die in das Pflaster eingelassenen Steine mit kurzen biografischen Angaben an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern.

Die Verlegung begann ganz profan mit Hammer und Meißel. Sehr schnell stellte Gunter Demnig fest, dass der Boden zu hart gefroren war, um ihn mit reiner Körperkraft aufzustemmen. Während Andreas Jordan Strom organisierte, versuchte sich Tomas Grohé selbst mit Hammer und Meißel, …

… bis der Aktionskünstler dem Pflaster mit einem stärkeren Werkzeug zu Leibe rückte …

… und schließlich nach einigen Arbeiten den Stein in das Pflaster einsetzen konnte.

Nachdem Heike Jordan die Messingplatte gesäubert hatte, berichtete Andreas Jordan den Anwesenden kurz von Charles Ganty.

Charles Ganty stammt aus Charleroi in Belgien und wurde 1940 als Zivilarbeiter nach Deutschland dienstverpflichtet. Er war ab Januar 1941 Arbeiter auf der Zeche „Nordstern“. Wegen Arbeitssabotage von der Gestapo zunächst in ein „Arbeitserziehungslager“ eingewiesen, nach Verpflichtung zu politischem Wohlverhalten entlassen und wegen kritischer Äußerungen am 31.08.1942 erneut festgenommen, wurde er am 21.05.1943 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 7.9.1943 in Plötzensee ermordet.

Charles Ganty gehört neben Erich Lange und Paul Bukowski zu den drei von den Nazis ermordeten Menschen, die die damalige PDS im Rat der Stadt 2005 beispielhaft vorgeschlagen hatte, um für sie  „Stolpersteine für Widerstandskämpfer“ zu verlegen. Die Mehrheit im Rat der Stadt hatte sich damals für das Konzept der Erinnerungsorte durch das Institut für Stadtgeschichte entschieden und die Verlegung von Stolpersteinen auf private Initiativen verwiesen.

Bei der Verlegung waren rund 15 Menschen anwesend, neben den Organisatoren Heike und Andreas Jordan von Gelsenzentrum e.V. auch mehrere Mitglieder der Linken Alternative, die die Patenschaft für diesen Stein übernommen hatte, zwei Mitglieder der Gelsenkirchener Geschichten und der frühere Betriebsrat auf der Zeche Nordstein, Reinhold Adam.

Geschichte vor der Haustür

stolpersteinBereits seit 2005 hat sich die damalige PDS und spätere DIE LINKE im Rat der Stadt dafür stark gemacht,„Stolpersteine für Widerstandskämpfer“ in Gelsenkirchen einzusetzen. Das bereits in vielen Städten im In- und Ausland bekannte Erinnerungsprojekt des Künstlers Gunter Demnig sieht vor, das die in das Pflaster eingelassenen Steine mit kurzen biografischen Angaben an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. „Stolpersteine“ heißen sie nicht, weil man buchstäblich darüber fällt und sich weh tut, sondern weil man aufmerksam wird, wie (räumlich) nah die (zeitlich) ferne Geschichte doch ist.

Drei Namen werden seit 2006 vorgeschlagen:

Erich Lange, ein junger Antifaschist, gilt als erstes Opfer der Nazis in Gelsenkirchen.
In dem in einem Kurs der VHS 1979/81 entstandenen „Beispiele der Verfolgung und des Widerstands in Gelsenkirchen“ wird sein Schicksal als Antifaschist beschrieben, der den Hass der Nazis in besonderem Maße deshalb auf sich gezogen hatte, weil er vor 1932 Mitglied der SS und ab 1932 Mitglied im Kampfbund der Antifaschisten war.
Erich wurde in der Nacht vom 21./22.3.1933 nach einem Fackelzug der SS, der als Siegeszug für den Wahlsieg bei den Stadtparlamentswahlen, in denen die NSDAP 40 % erreichte, viehisch misshandelt und totgeschlagen. Der Tatort war Am Rundhöfchen, wo auch der Stolperstein eingelassen werden soll.

Paul Bukowski, Bergmann auf der Zeche Zollverein und Mitglied der KPD, wohnte in der Zollvereinstraße 4. Paul schloss sich 1943 der Zielasko-Widerstandsgruppe an, die im gleichen Jahr von der Gestapo aufgedeckt und deren insgesamt 44 Mitglieder verhaftet wurden. Paul Bukowski wurde im August 1944, zusammen mit Fritz Rahkob zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der Stolperstein soll am Ort des ehemaligen oder noch bestehenden Wohnhauses verlegt werden.

Charles Ganty aus Charleroi in Belgien wurde 1940 als Zivilarbeiter nach Deutschland dienstverpflichtet und war ab Januar 1941 Arbeiter auf der Zeche „Nordstern“. Wegen Arbeitssabotage von der Gestapo zunächst in ein „Arbeitserziehungslager“ eingewiesen, nach Verpflichtung zu politischem Wohlverhalten entlassen und wegen kritischer Äußerungen am 31.08.42 erneut festgenommen, wurde er am 21.05.43 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 7.9.43 in Plötzensee ermordet. Als Ort für den Stolperstein von Charles Ganty haben wir uns den Eingang zum Gelände des Nordsternparks gedacht.

Die Stolperstein-Patenschaft für Erich Lange hat die Gelsenkirchener VVN übernommen, die Patenschaften für Paul Bukowski und Charles Ganty hat Die Linke Alternative übernommen.

Bauskandal Hans-Sachs-Haus

Gelsenkirchen, dem ähnlich anderen Ruhrgebietsstädten, wenig an identitätsstiftender historischer Bausubstanz erhalten blieb, ist an einem dicken Bauskandal entlang geschrammt. Dass es nicht zur Vollendung des nach den Worten des ehem. Bauministers Dr. Christoph Zöpel „größte(n) Bauskandal(s) in Deutschland“, nämlich dem vollständigen Abriss des Hauses, gekommen ist, verdankt es der kleinen Fraktion Die Linke-AUF-Gelsenkirchen im Stadtrat. Die nachfolgende Chronologie verdeutlicht die Sorglosigkeit im Umgang mit Steuergeldern durch die bürgerlichen Parteien und die butterweiche Opposition durch die SPD.

Das Hans-Sachs-Haus, unser Rathaus, das im Stil des sogenannten „Backstein-Expressionismus“ von dem Folkwang-Lehrer und Architekten Alfred Fischer in den 1920er Jahren erbaut wurde, sollte renoviert, und nach den Worten des damaligen CDU-Oberbürgermeisters Wittke, in Konkurrenz zu Renommierobjekten anderer Ruhrgebietsstädte, aufgemotzt werden. Finanziert mithilfe eines PPP-Projektes; voraussichtliche Kosten: 44 Mio DM.

Im November 2002 entscheidet der Rat mehrheitlich für den Abschluss des PPP-Vertrags mit der Investorengruppe Deutsche Bank/Heitkamp/Imtech ohne ein einziges Gegenangebot. Einstiegsangebot der Investorengruppe: 33,5 Mio €. Der Vertrag sieht die Abzahlung in Form von Miete vor. Der Rat entscheidet sich gegen eine Sanierung in eigener Regie mit der Begründung, das PPP-Projekt sei billiger und es sei eine Deckelung der Kosten gesichert. Hinter dem Rücken des Rates wird drei Wochen später bei Vertragsabschluss ein zusätzlicher Generalunternehmer-Zuschlag in Höhe von 16 % vereinbart – zusätzlicher Kostenpunkt: 8 Mio €. Zusätzlich wird – ebenfalls in Unkenntnis des Rates – in einer 205-Punkte-Liste zur Klärung strittiger Fragen das Bestandsrisiko von der Stadt übernommen. Diese Liste wird nach Beschlussfassung durch den Rat dem Vertrag beigefügt.

Kaum ist der Vertrag in Kraft, treten immer neue Bauschäden auf. Immer neue Gutachten und vor allem Nachtragskosten werden er-/gestellt. Bereits 4 Monate nach Vertragsabschluss, im April 2003, werden von der SPD erste Abrissforderungen laut. Für 800.000 € wird eine „Risikoanalyse“ der Bausubstanz erstellt, die die Einsturzgefährdung des Gebäudes und damit die Berechtigung deutlicher Nachforderungen belegen soll. Der Rat beschließt am 24. Februar 2004, an dem Projektvertrag festzuhalten und das Angebot der Investoren für eine Erhöhung der Baukosten auf 80 Mio € Baukosten anzunehmen. Damit würden die Gesamtkosten auf 133 Mio € steigen. Die SPD stimmt zwar dagegen, ein Drittel ihrer Abgeordneten bleibt jedoch der Abstimmung fern und in geheimer Abstimmung stimmen weitere Abgeordnete mit der CDU für den Fortbestand des Knebelvertrags.

Während des Umbaus des Hans-Sachs-Hauses zogen die verschiedenen Verwaltungsstellen um. Der „Vorstandbereich Finanzen“ und das „Immobilienmanagement“ der Stadt kamen damals bei der Deutschen Bank unter. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Nicht zuletzt wegen des HSH-Skandals verliert OB Wittke bei der Kommunalwahl im September 2004 sein Mandat an Frank Baranowski von der SPD.

Unsere Ratsgruppe Die Linke.PDS, inzwischen in einer Fraktion mit AUF, beantragt Akteneinsicht in die Verträge. Inzwischen gehen die Kostensteigerungen unvermindert fort. Der Antrag unserer Fraktion, die kritischen Ergebnisse unserer Akteneinsicht, die erstmals die gravierenden Abweichungen zwischen den der Beschlussfassung im Rat 2002 zugrunde liegenden und den vollständigen Vertragsunterlagen ans Licht holt, dem Rat vorzutragen, wird abgelehnt.

Millionen Euro fließen am Rat vorbei in die Taschen des Investors!

Wir gehen mit der Quintessenz aus der Akteneinsicht an die Öffentlichkeit „Millionen Euro fließen am Rat vorbei in die Taschen des Investors!“, was die Stadt – inzwischen unter SPD-Führung -, unter Androhung von 250.000 € Geldstrafe, erwirkt beim Landgericht Hamburg, untersagen lässt. Nach Widerspruch beim Landgericht, wird nach Verhandlung vom gleichen Gericht verfügt, dass die o. g. Behauptung zu Recht verbreitet werden darf.

Inzwischen wird aus dem Hans-Sachs-Haus durch den Investor auf der Suche nach weiteren irreparablen Bauschäden eine Bauruine gemacht. Im Oktober 2005 legt der Investor ein Kostenangebot von 143 Mio € vor. Das hätte im Verlauf von 25 Jahren die gigantische Summe von 238 Mio € ergeben. An diesem Punkt zieht die Haushaltsaufsicht in Person des Regierungspräsidenten die Reißleine und untersagt die weitere Finanzierung. Am 27. Oktober 2005 beschließt der Rat der Stadt die Kündigung des Vertrags und am 16. Dezember fällt in nichtöffentlicher Ratssitzung der gemeinsame Beschluss von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, das traditionsreiche Haus abzureißen.

Unsere Fraktion – als Einzige gegen den Beschluss stimmend -initiiert ein Bürgerbegehren und sammelt mit einer Bürgerinitiative über 10.000 Unterschriften dafür, dass der Skandal untersucht, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und umfassende Öffentlichkeit beim weiteren Verfahren hergestellt werde. Die Stadt erkennt zunächst die Rechtmäßigkeit des Begehrens an, um in der nächsten Ratssitzung das Bürgerbegehren zu kippen. Dass sie sich jedoch wesentliche Forderungen daraus zu Eigen zu machen muss, ist dem Umstand zu danken, dass die öffentliche Meinung inzwischen aufgebracht ist und Stimmen zur Rettung des Hauses immer lauter werden.

Die Mobilisierung der Öffentlichkeit durch Skandalisierung der Vorgänge ist hauptsächlich dem zähen Wirken unserer Fraktion zu verdanken. Die Beleidigungen, Diffamierungen und Herabsetzungen, die wir von Seiten der etablierten Ratsmehrheit dafür einzustecken hatten wären es für sich wert, publiziert zu werden, um den Umgang mit linker Opposition hierzulande zu illustrieren. Dass das Hans-Sachs-Haus nun, zumindest in seiner äußeren Erscheinung gerettet ist, sehen wir als Lohn dafür an. (UM)

Rekonstruierter erster Blog-Beitrag aus „Der rote Emscherbote“ (2009).