Archiv für den Monat Juni 2021

Mahnwache erinnert an den Beginn des Vernichtungskrieges vor 80 Jahren

Mahnwache auf dem Heinrich-König-Platz am 22. Juni 2021 zur Erinnerung und Mahnung.

Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941 begann mit dem Überfall des faschistischen Deutschlands auf die Sowjetunion ein beispielloser Vernichtungs- und Eroberungskrieg, der alles bis dahin dagewesene in den Schatten stellte. In ganz Deutschland gab es zu diesem Anlass Veranstaltungen von Antifaschist:innen und aus der Friedensbewegung. In Gelsenkirchen riefen das Friedensforum Gelsenkirchen, die VVN-BdA Gelsenkirchen und die örtliche DIE LINKE zu einer Mahnwache auf.

In den Reden, die Hildegard Meier für das Friedensforum, Knut Maßmann für die VVN-BdA, Bettina Peipe für DIE LINKE und Heinz-Peter Thermann für die DKP hielten, wurde an die Vergangenheit erinnert, die gegenwärtige Politik – nicht nur der NATO – kritisiert und eine aktive Friedenspolitik auf Augenhöhe mit Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion angemahnt.

Die Gelsenkirchener VVN-BdA zeigte aus diesem Anlass ein traditionelles Transparent.

Spontan sprach Hartmut Hering (DIE LINKE) und erinnerte an den Einsatz der sowjetischen Zwangsarbeiter in Gelsenkirchen und kritisierte das lange Verdrängen der Ereignisse und die späte und beschämend niedrige Entschädigung der vormaligen „Ostarbeiter“:innen.

Das Friedensforum Gelsenkirchen hat sich zudem vorgenommen in den nächsten Tagen Gräber der sowjetischen Zwangsarbeiter:innen auf dem Westfriedhof in Heßler zu schmücken, analog zu unserer Aktion vom 1. November des vergangenen Jahres. Wir empfehlen die Nachahmung auf den anderen Friedhöfen, denn es gibt überall in Gelsenkirchen Gräber für Zwangsarbeiter:innen, die in unserer Stadt – wie überall im deutschen Nazi-Reich – zu Tode geschunden wurden.

Rechtschreibung und Denkmalschutz

Stadtgarten Gelsenkirchen mit Blick auf das zentrale antifaschistische Mahnmal der Stadt.

Wahrscheinlich ist nur mir aufgefallen, dass die Stadt Gelsenkirchen nach Jahrzehnten stillschweigend einen Rechtschreibfehler am zentralen antifaschistischen Mahnmal im Stadtgarten berichtigt hat. Wie der Denkmalschutz dazu steht ist mir nicht bekannt.

Der Anlass dazu war wohl die Reinigungsaktion, nachdem im Sommer 2019 das Mahnmal von rechtsradikalen Dummbeuteln unter anderem mit „Türken raus“, „Hitler kommt zurück“ und einem Hakenkreuz beschmiert worden war. Vermutlich war die Farbe so in die Ränder der Schrifttafeln eingesickert, dass man lieber gleich die kompletten Schrifttafeln, die seit 1950 an die großen deutschen Konzentrationslager erinnern, durch neue ersetzt hat.

Ich weiß natürlich nicht, ob es sich um einen Flüchtigkeitsfehler gehandelt hatte oder die Namen der Konzentrationslager 1950 noch nicht im allgemeinen Bewußtsein waren, wie sie es heute sind. Jedenfalls wurde bis 2019 das KZ Neuengamme fälschlicherweise als „Neuengramme“ bezeichnet. Dieser Zustand hat nun ein Ende.

Links „Neuengramme“ aufgenommen 2017, rechts richtig geschrieben Neuengamme, aufgenommen 2021.

Das Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft war auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und mit Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen im Stadtgarten errichtet und am 10. September 1950 feierlich der Öffentlichkeit übergeben worden. Der zweite Sonntag im September war damals der Gedenktag für die Opfer des Faschismus. Mit der Errichtung dieses Mahnmals wurde in der unmittelbaren Nachkriegszeit die Errichtung von Gedenkorten an die faschistische Barbarei abgeschlossen. Es hat heute noch seine Bedeutung als Warnung gegen Krieg und Faschismus und wird jährlich während des Ostermarschs und zum Antikriegstag besucht.

Für den Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 geschmücktes antifaschistisches Mahnmal im Stadtgarten.

Retten wir die (Innen-)Stadt vor der AfD!

Blick in die Demonstration gegen die AfD auf dem Neumarkt.

Das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung kann mit dem Ergebnis des heutigen Tages zufrieden sein. Etwa 60 Teilnehmende fanden sich trotz kurzfristiger Mobilisierung zur Gegenkundgebung auf dem Neumarkt ein und brachten ihre Inhalte inmitten der wiedereröffneten Außengastronomie der Innenstadt zu Geltung. Die AfD, die zeitgleich auf dem Heinrich-König-Platz ihre Kundgebung unter dem Motto „Rettet die Innenstadt“ abhielt, konnte wieder nur ihre üblichen Verdächtigen, etwa 30 Personen einsammeln. Eine besondere Atmosphäre entstand durch die Auftritte von Samba Kowski, die zwischen den Reden lateinamerikanische Rythmen ins Revier brachte.

Die Breite des Bündnisses wurde in der Auswahl der Redner:innen deutlich, nach dem Bündnissprecher Paul Erzkamp sprachen unter anderem Vertreter:innen der VVN-BdA, der Bündnisgrünen, der Jusos, der Falken, der DIE LINKE und von Fridays for Future. Sie alle verbindet trotz unterschiedlicher Schwerpunkte die Gegnerschaft zur Politik der AfD. Daher ist es gut, dass wir in Gelsenkirchen über ein so breites und zugleich aktives Bündnis gegen die AfD und andere rechtsextreme Organisationen verfügen. Und selbst die Kirche war auf unserer Seite, ich bin ziemlich sicher, dass das laute Glockengeläut die AfD in der Durchführung ihrer Kundgebung behindert haben dürfte.

Samba Kowski sorgten für kulturelles Klima zwischen den Reden.

Nach dem Abschluss der Gegendemo konnte man im Umfeld der AfD-Demo noch beobachten, wie eine kleine aber lautstarke Gruppe von Antifaschist:innen mit dem Skandieren von „Nazis raus!“ und „Haut ab!“ die zu Ende gehende AfD-Kundgebung aufmischte und Schlumpfine, die noch ein paar Schlussworte sagen wollte, in Rage brachte. Hat mir gefallen!

Die 30 „üblichen Verdächtigen“ der AfD-Demo auf dem Heinrich-König-Platz.

Mahnwache zum 80. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion

Transparent des Friedensforums Gelsenkirchen.

Pressemitteilung des Friedensforums Gelsenkirchen. Vor 80 Jahren überfiel die Hitlerwehrmacht die Sowjetunion. Der Angriff war lange vorbereitet unter dem harmlosen Namen „Unternehmen Barbarossa“. Mit allen Mitteln barbarischen Terrors gingen Soldaten und Generäle gegen die Zivilbevölkerung vor. Mindestens 27 Millionen Bürger:innen der Sowjetunion, 3 Millionen Kriegsgefangene kamen in diesem Krieg zu Tode. Es wurden 1.700 Städte und 70.000 Dörfer dem Erdboden gleich gemacht.

Deshalb erinnern zum 80. Jahrestag das Friedensforum Gelsenkirchen, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Gelsenkirchen und DIE LINKE. Gelsenkirchen mit einer gemeinsamen Mahnwache

am Dienstag, 22.06.2021 um 17.00 Uhr auf dem Heinrich-König-Platz vor der Treppe der Altstadtkirche

an diesen unvorstellbaren Vernichtungskrieg. Da von offizieller Seite kein angemessener und würdiger Gedenkakt stattfindet, wollen die Veranstalter erinnern und laden dazu alle Interessierten ein. Weil wir aus der Geschichte hier und jetzt lernen wollen, mahnen und warnen wir vor den kommenden Kriegen.

Die Veranstalter wollen aber nicht bei der Erinnerung an das Damals stehenbleiben. Sie haben eine Perspektive für die Gegenwart: Sie unterstützen 80 Jahre nach dem Angriff auf die UdSSR die Kampagne der evangelischen Kirche Baden „Sicherheit neu denken“. Frieden geht anders, so das Friedensforum, als durch Waffen und Militär. Frieden braucht Gespräche, Verhandlungen und wieder Abrüstungsverträge, die unsere Zukunft sicher macht.

Rettet die Innenstadt vor der AfD!

Aufruf des Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung.

Nicht unerwartet ruft die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ erneut zu einer Demonstration in der Gelsenkirchener Innenstadt auf. Schließlich steht die Bundestagswahl an, da möchte man Wählerstimmen einsammeln. In ihrem auf Facebook verbreiteten Aufruf vermengen sie wie üblich berechtigte Probleme mit ihren Vorurteilen und Ressentiments und verleugnen ihre eigene Rolle. Natürlich will die AfD, nachdem die sogenannte „Flüchtlingskrise“ wieder abgeebbt ist, mit neuen Themen punkten, dies sind die Corona-Pandemie und der unzulängliche Umgang unserer Regierungen damit. Als Konstante bleiben jedoch ihre Vorurteile gegenüber Migranten, bleiben Hass und Hetze gegen alles, was sich nicht bedingungslos ihren deutsch-völkischen Normen anpasst.

So liest sich dann auch der Gelsenkirchener Aufruf. Sie kritisieren den „langen Lockdown“ und dessen Folgen ohne zu benennen, wie schleppend die Entscheidungen der Politik im letzten Winter gewesen sind, hätte man doch mit einer schnellen Entscheidung für einen richtigen Lockdown die Zeit deutlich verkürzen können. Und ohne zu sagen, dass die AfD zu Beginn der Pandemie im letzten Jahr die Bundesregierung zuerst wegen ihrer zu laschen (welch ein Wortspiel, liebe CDU) Maßnahmen kritisiert hat, nur um dann innerhalb kürzester Zeit ins Lager der „Leerdenker“ zu wechseln, um hier Wählerstimmen zu generieren und zu vermitteln, dass es mit einer AfD-Regierung keinen Lockdown gegeben hätte. Die Ergebnisse solcher Politik sind in anderen Ländern mit neoliberalen, rechten Regierungschefs zu besichtigen.

Zu pass kommt der AfD dann auch noch die Beschwerde eines Buchhändlers vom Neumarkt, und so klagt die AfD über „Zusammenrottungen migrantischer Jugendlicher, Vermüllung und Lärmbelästigung“. Es ist absolut typisch für die Einstellung der AfD und einfach nur unverschämt, migrantische Jugendliche in eine Aufzählung mit Müll und Lärm einzureihen. Hier wird die Würde des Menschen aus Artikel 1 unseres Grundgesetzes, das die AfD ja angeblich hochhält, massiv verletzt. Aber so ist sie eben, die AfD: außen hui, innen pfui.

Diese Aufzählung erinnert mich zudem an eine Äußerung von Alexander Gauland (AfD), der die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, in Anatolien „entsorgen“ möchte. Sprachlich liegen Müll und entsorgen so nahe beieinander, dass wir uns vorstellen können, wie die AfD die Gelsenkirchener (und wahrscheinlich auch alle anderen) Innenstädte „säubern“ möchte. Wer nicht blind ist, kann dabei ihre historischen Vorbilder klar erkennen.

Statt konstruktiv und problemorientiert Lösungen zu suchen, setzt die AfD auf Hass und Hetze und will unter dem Motto „Rettet die Innenstädte“ auf dem Heinrich-König-Platz demonstrieren. Auch das ist unerträglich: eine rechte und in immer größer werdenden Teilen rechtsextreme Partei demonstriert auf dem Platz, der nach dem Vikar Heinrich König benannt ist, den die Nazis, dessen Gedankengut in vielen Äußerungen von AfDlern wiederzuerkennen ist, im KZ Dachau ermordet haben.

Dagegen ruft das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung zu einer Kundgebung unter dem Motto „Keine Stimme dem Hass! – Kundgebung für eine vielfältige und lebendige Innenstadt“ am Samstag, 19.06.2021 ab 10.30 Uhr – ebenfalls auf dem Heinrich-König-Platz auf dem Neumarkt – auf. Paul Erzkamp, Sprecher des Büdnnisses, fasst die Bündnis-Position klar zusammen: „Wir stehen für ein buntes und solidarisches Gelsenkirchen, in dem wir für Probleme miteinander Lösungen suchen und nicht gegeneinander. Den rassistischen Wahlkampf der AfD werden wir stören, durch Kreativität, Demokratie und Solidarität.“

Kleinere Korrekturen aufgrund neuerer Informationen.

Gunter Demnig verlegt wieder Stolpersteine in Gelsenkirchen

Gunter Demnig am 9. Februar 2010 in Gelsenkirchen. Hier verlegte er den Stolperstein für Charles Ganty im Schatten der Zeche Nordstern.

Ich kann gar nicht mehr zählen, zum wievielten Male der Kölner Bildhauer und Aktionskünstler Gunter Demnig nun nach Gelsenkirchen kommt um weitere Stolpersteine zu verlegen. Die letzte mit Demnig geplante Verlegung vom 20. März 2020 musste aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Ersatzweise hatte der Gelsenkirchener Organisator der Stolperstein-Verlegungen, Andreas Jordan (Gelsenzentrum e.V.) diese Stolpersteine – insgesamt 23 an acht Orten in der ganzen Stadt – am 18. April, am 8. Mai sowie am 25. Juni selbst verlegt.

Damit liegen im Gelsenkirchener Stadtgebiet nun 238 Stolpersteine sowie eine Stolperschwelle, die an Verfolgte und Ermordete aus der Zeit des Faschismus erinnern. Immer wieder muss daran erinnert werden, dass es sich dabei um kein städtisches Projekt handelt, sondern organisiert von Andreas Jordan um reines bürgerschaftliches Engagement. Die Finanzierung der Stolpersteine erfolgt nicht über Steuergelder, sondern durch Spenden. Seit 2009 kommt Gunter Demnig regelmäßig auch nach Gelsenkirchen, um mit eigenen Händen das „größte und dezentrale Denkmal Europas“ zu erweitern.

Der nächste Verlegetermin ist Freitag, der 18. Juni 2020. Hier sieht die Planung wie folgt aus:

11.30 Uhr für Familie Levie im Knappschaftshof 1,
12.15 Uhr für Familie Heymann auf der Karl-Meyer-Straße 29,
13.00 Uhr für Familie Goldblum in der Zeppelinallee 55,
13.45 Uhr für Familie Katzenstein in der Schalker Straße 174,
14.30 Uhr für Elias Finger Im Lörenkamp 2,
15.00 Uhr für Familie Alexander in der Von-Der-Recke-Straße 15 und um
15.30 Uhr für den Vikar Heinrich König an der Ecke Husemannstraße/Ahstraße.
Die Zeiten sind wie immer Näherungswerte und können sich um 20 Minuten vor oder zurück verschieben. Es gelten die dann gültigen Corona-Regeln.

Ergänzt um Ablaufplan und Verlinkung.