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Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland

Neuauflage von Allan Mersons „Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland“.

Es ist zugleich erstaunlich wie bezeichnend, dass es nur eine umfassende Darstellung über den Kommunistischen Widerstand in Nazi-Deutschland gibt, und diese nicht von einem deutschen, sondern von einem britischen Historiker stammt. Angesichts des aus dem Dritten Reich in die junge Bundesrepublik „hinübergeretteten“ Antikommunismus eigentlich kein Wunder, denn, schon wer sich nur objektiv mit Kommunist:innen beschäftigte, galt oft schon als solcher. Franz Josef Degenhardt hat das – in einem anderen Zusammenhang zwar – in einem seiner Lieder sehr schön auf den Begriff gebracht: „Also sie berufen sich hier pausenlos auf’s Grundgesetz / Sagen sie mal / Sind sie eigentlich Kommunist?“ So war es der britische Historiker Allan Merson, der 1985 „Communist Resistance in Nazi Germany“ veröffentlichte. Die deutsche Übersetzung folgte 14 Jahre später, 1999 im Pahl-Rugenstein-Verlag. 2020 hat der Neue Impulse Verlag das inzwischen vergriffene Werk erneut zugänglich gemacht. Dass beides DKP-nahe Verlage sind, zeigt einmal mehr das herrschende Vorurteil. Hier nun die Würdigung von einem Leser, der weder Kommunist noch Antikommunist ist.

Merson gliedert seine Darstellung in vier große Kapitel. Zunächst stellt er den „Übergang in die Illegalität 1933“ dar, um sich dann der „Strategie der revolutionären Massenaktionen 1933-1935“ zu widmen. Dabei spart er nicht, neben der sachlichen Darstellung der Fakten, mit seiner Kritik an der ultralinken Politik der KPD gegenüber der SPD, die als „Sozialfaschisten“ diffamiert wurden sowie ihrer Fehleinschätzung im Jahre 1933, die Hitler-Regierung sei nicht von langer Dauer und eine revolutionäre Situation, die zu einem Sowjet-Deutschland führe, stünde unmittelbar bevor. Er zeigt auch, wie angreifbar die inzwischen verbotene KPD wurde, solange sie versuchte, ihren Parteiapparat in der Illegalität ohne Veränderung konspirativ beizubehalten. Wurde die KPD zunächst durch eine zentrale Leitung innerhalb Deutschlands aufrechterhalten, geschah dies schließlich weniger verwundbar und dezentral durch Abschnittsleitungen aus den benachbarten Ländern. Die Folgen der Fehleinschätzung der politischen Lage waren verheerend für die Kommunisten, von denen viele im ungleichen Kampf verschlissen, verhaftet, gefoltert und ermordet wurden bzw. in Konzentrationslager wanderten. Zugleich würdigt Merson immer wieder die Einsatzbereitschaft und Loyalität ihrer überzeugten Anhänger, die die Nazis kaum brechen konnte.

„Eine neue Perspektive 1936-1939“ schildert, wie die KPD im Untergrund nicht in der Lage war, ihre Politik zu verändern, sondern die Veränderung von außen durch die Kommunistische Internationale entstand. Bündnis- und Volksfrontpolitik und ein antifaschistisches, demokratisches Deutschland wurden die neuen Ziele, getragen von der Analyse, das es aktuell keine revolutionäre Situation gäbe. Zur Tragik der Geschichte wurden verpasste Chancen in der Verständigung zwischen SPD und KPD auf der Ebene der im Exil befindlichen Parteiführungen, während der Widerstand vor Ort und in den Konzentrationslagern oftmals weiter war. Schuld daran war der späte Perspektivwechsel der KPD zu einem Zeitpunkt, als die Exil-SPD schon wieder nicht mehr bereit für ein solches Bündnis war. Merson geht auch auf die Wirkung des Nichtangriffspaktes zwischen Nazi-Deutschland und der Sowjetunion vom August 1939 ein, der zu Verwirrung unter den deutschen Kommunisten geführt habe, aber nicht zu einem Ende ihrer Widerstandstätigkeit, wie die Lageberichte der Gestapo bezeugten.

Das letzte Großkapitel „Der Zweite Weltkrieg“ schildert – im Rückblick gesehen – vergebliche Bemühungen der im Geheimen agierenden Kommunist:innen und verbündeten Widerstandskämpfer:innen, den Faschismus von innen heraus zu besiegen, sowie Bemühungen, Alternativen außerhalb Deutschlands wie mit dem Nationalkomitee „Freies Deutschland“ zu gründen. Am Ende wurde der Faschismus durch die siegreichen Armeen der Alliierten militärisch besiegt.
Merson beschäftigt auch die Frage, warum es in Deutschland anders als in anderen von Nazi-Deutschland besetzten Ländern keine Partisanentätigkeit gab, keinen bewaffneten Aufstand, keine Revolte der Massen. Er führt dies nicht allein auf den unglaublich gesteigeren Terror der Nazis im letzten Kriegswinter 1944/45 zurück und schon gar nicht auf militaristische und obrigkeitsstaatliche Traditionen, sondern auf die Korrumption des deutschen Volkes und eines großen Teils der Arbeiterklasse durch Ideen und Praktiken der Nazis. Die Schaffung rassistischer Hierarchien durch den Einsatz von ausländischen Zwangsarbeiter:innen, die Behandlung insbesondere der sowjetischen Kriegsgefangenen sowie zwölf Jahre massiver antisowjetischer Propaganda führten, so Merson, zu der weit verbreiteten Überzeugung, dass „ein Sieg der antifaschistischen Mächte die totale Zerstörung Deutschlands bedeuten würde, und daß einem nichts blieb, wofür man arbeiten oder worauf man hoffen konnte“ (S. 277/278).

Das Erbe des kommunistischen Widerstands sieht Merson, er schreibt dies 1985, in der DDR aufgehoben, die kein wurzelloses Gebilde sei, das aus der Besetzung der Sowjetunion hervorgegangen sei, sondern seine Wurzeln in der Erfahrung der deutschen Arbeiterklasse habe und vor allem in deren Widerstandsbewegung gegen die Nazityrannei. Allerdings habe das deutsche Volk sich nicht selbst vom Faschismus befreien können, dies haben ausländische Mächte getan. Die deutschen Kommunisten haben ihr Programm unter Bedingungen umsetzen müssen, die andere für sie geschaffen haben und zudem in einem geteilten Deutschland. Merson schließt mit der Erkenntnis der Begrenzung seines Werks durch die Quellenlage: „Die ganze Geschichte des kommunistischen Widerstands wird man nie erfahren. Aber was bekannt ist, reicht aus, um klar herauszustellen, daß es sich nicht um die Geschichte einiger weniger Heldinnen und Helden handelt (…), sondern um einen ungebrochenen, zwölf Jahre währenden Kampf von vielen tausend einfachen, arbeitenden Menschen. Das stellt das moralische Erbe der Partei dar (…).“ (S. 295)

Es ist erfreulich, dass diese einzige, umfassende Darstellung des Widerstandes der KPD in Nazi-Deutschland wieder zugänglich ist. Den Brückenschlag von 1985 zu heute unternimmt ein aktuelles Vorwort von Ralf Jungmann, auch die früheren Vorworte sind enthalten. Zugleich entschuldigt sich der Verlag dafür, das aufgrund fehlender Druckvorlagen ein 1:1-Nachdruck der ersten deutschen Ausgabe von 1999 nicht möglich war und diese Ausgabe nur aufgrund der „in verschiedenen Stadien der redaktionellen Endbearbeitung fertiggestellten Textdateien“ (S. 6) zustande kam, die anhand des gedruckten Buches sorgfältig überprüft worden sind. Auf dieses Buch aufmerksam gemacht hat mich übrigens diese Besprechung in der „antifa“, dem Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur.

„Wer nicht feiert, hat verloren!“ – Aktionswoche 8. Mai beginnt am 2. Mai mit einer Fahrrad-Demo zum Widerstand in Gelsenkirchen

Mit einer Fahrrad-Demo von Gelsenkirchen-Buer über Horst, Schalke und Bulmke in die Innenstadt von Alt-Gelsenkirchen beginnt am morgigen 2. Mai das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung seine Aktionswoche um den 8. Mai. Wie schon im letzten Jahr unterstützt das Bündnis die Forderung von Esther Bejarano, Überlebende des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, des Konzentrationslagers Ravensbrück und eines Todesmarsches, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum bundesweiten Feiertag zu erheben. Nach der kontaktlosen Menschenkette im vergangenen Jahr will das Bündnis in diesem Jahr mit einer Reihe von Aktionen zeigen, wie ein solcher Feiertag als Bildungstag genutzt werden kann. Die Fahrrad-Demo „Widerstand in Gelsenkirchen gegen den Faschismus“ ist ein Teil davon.

Startpunkt ist die Goldbergstraße 84 vor dem Haus der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, wo zugleich an die Zerschlagung der freien Gewerkschaften am 2. Mai 1933 durch die Nazis erinnert werden wird. Danach geht es zu insgesamt neun Orten, die an den unterschiedlichen Widerstand in Gelsenkirchen erinnern. Zunächst in Buer zur Schlenkhoffstraße, die an den Widerstand vor 1933 und aus der SPD erinnert, und dann in einer längeren Fahrt nach Horst zum Rudolf-Bertram-Platz vor dem St.-Josef-Hospital, der an den Retter von 17 jüdischen Zwangsarbeiterinnen erinnert. In Horst werden noch Stolpersteine für den kommunistischen Widerstandskämpfer Johann Eichenauer und für den belgischen Zwangsarbeiter Charles Ganty aufgesucht.

Einer der Zwischenhalte ist die Schlenkhoffstraße in Gelsenkirchen-Buer.

Von Horst geht es weiter in den Stadtteil Schalke, hier erinnern zwei Stolpersteine in der Liebfrauenstraße an die beiden kommunistischen Widerstandskämpfer Rudolf Littek und Fritz Rahkob, wobei auch die Ehefrau Emma Rahkob nicht vergessen werden wird. Über das Alfred-Zingler-Haus, wo eine Erinnerungsortetafel an das sozialdemokratische Ehepaar Margarethe und Alfred Zingler erinnert, geht es in die Innenstadt zum Heinrich-König-Platz. Hier wird an den Widerstand aus der katholischen wie der evangelischen Kirche erinnert und an den Ernst-Käsemann-Platz im Stadtteil Rotthausen hingewiesen, der leider nicht in die Tour aufgenommen werden konnte. Nach dem Besuch des Stolpersteins für Erich Lange, einem jungen Mann der vor der Machtübertragung an die Nazis 1933 von der SS zum Kampfbund gegen den Faschismus übergetreten war, geht es zum letzten Halt vor dem Werner-Goldschmidt-Salon, der an einen jüdischen Widerstandskämpfer erinnert.

Die Strecke ist sehr anspruchsvoll, sie umfasst etwa 20 Kilometer und schon die reine Fahrtzeit ohne Zwischenhalte würde schon bei einer gemächlichen Fahrt rund 90 Minuten dauern. Beginn der Fahrrad-Demo ist 10.30 Uhr in Buer, die Abfahrt ist für 11.00 Uhr geplant. Voraussichtliche Ankunft in Gelsenkirchen ist für etwa 14 Uhr geplant, im Werner-Goldschmidt-Salon wird es die Möglichkeit geben, die Toilette zu benutzen.

Die Demonstration ist von der Polizei genehmigt und wird mit den üblichen Hygienemaßnahmen (Abstand halten, Mundschutz während der Zwischenhalte) durchgeführt. Kurze Ansprachen während der Zwischenhalte werden über ein Megafon erfolgen, damit die Abstände auch eingehalten werden können. Ferner ist geplant, diese Tour später auch als individuelle Tour im Internet anzubieten.

Als weitere Aktivitäten sind zwei Online-Podiumsdebatten zur Historischen Verantwortung am 7. Mai sowie zum aktuellen faschistischen Terror am 8. Mai vorgesehen, sowie drei Stadtrundgänge in Gelsenkirchen, Buer und Horst am 9. bzw. 13. Mai. Zwei geplante Filmvorführungen, die vor den Podiumsdiskussionen geplant waren, musste das Bündnis leider auf einen späteren Termin verschieben, da sie unter den derzeitigen Einschränkungen nicht durchgeführt werden können. Eine Programmübersicht (Flyer) kann von der Seite der VVN-BdA Gelsenkirchen heruntergeladen werden, weitere Informationen und eine Übersicht sind hier zu finden.

Vortrag über Wilhelm Tenholt, GESTAPO-Leitstelle Recklinghausen und Gelsenkirchen 1933-1936

Zeichnung eines Gerichtsreporters von Wilhelm Tenholt während des Verfahrens im Gerichtssaal 1949.

Zeichnung eines Gerichtsreporters von Wilhelm Tenholt während des Verfahrens im Gerichtssaal 1949.

Die Recklinghäuser Leitstelle der Geheimen Staatspolizei zählte zu den brutalsten Verhörorten in Westfalen im „Dritten Reich“. Der Kriminalrat Wilhelm Tenholt war nicht nur überzeugter Nazi und Leiter der Dienstelle, er war auch einer der gefürchtetsten Beamten. Die in sogenannte „Schutzhaft“ genommenen politischen Gegner wurden von ihm misshandelt und gefoltert, für einige Häftlinge endeten die Verhörmethoden tödlich. 1949 wurde Tenholt vor dem Bochumer Landgericht wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt, allerdings kurz vor dem KPD-Verbot mit dem Hinweis, ob man den gefolterten Kommunisten „alles glauben könne“, typischerweise begnadigt.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Instituts für Stadtgeschichte (ISG) wird der Referent Ortwin Bickhove-Swiderski Stationen des beruflichen Werdegangs Tenholts nachzeichnen und anhand eidesstattlicher Zeugenaussagen dessen Verbrechen deutlich machen. Wilhelm Tenholt war schon ab 1931 illegal Mitglied der NSDAP. Nach der Machtübertragung an die Nazis wurden hunderte von KPD-Mitgliedern im Recklinghäuser Polizeipräsidium brutal gefoltert. Außerdem war Tenholt verantwortlich für die Todessprünge des KPD-Reichstagsabgeordneten Albert Funk sowie des KPD-Funktionärs Vörding aus Coesfeld. Bei seinen Recherchen zu einer Buchveröffentlichung über Albert Funk hat Bickhove-Swiderski bisher unveröffentlichte Dokumente im Bundesarchiv in Berlin ausgewertet; außerdem liegen ihm 180 Aussagen ehemaliger KPD-Mitglieder vor. Diese Akte hat die Zeit des KPD-Verbotes von 1956 im Haus eines Recklinghäuser KPD-Funktionärs eingemauert überdauert.

In einer der Aussagen wird berichtet: „Während die anderen Kriminal-Beamten die Wohnung durchsuchten, wurde ich von T e n h o l d  verhört. Dabei versetzte er mir dauernd Faustschläge ins Gesicht. (…) Im Laufe des Verhörs, forderte T e n h o l d  meine Frau auf, die Brille abzunehmen, wonach er sie dann mehrere Male ins Gesicht schlug. Wir wurden beide, meine Frau und ich, verhaftet. (…) Noch am Vormittag desgleichen Tages, wurde ich zur Vernehmung vorgeführt. Im Vernehmungszimmer wurde ich kurzerhand über einen Tisch gestoßen und mit Knüppeln und Stahlruten geschlagen. Nach etwa 30 Schlägen, wurde ich von Tenhold aufgefordert, auszusagen. Da ich schwieg, begann die Prozedur von Neuem. Dieses wiederholte sich 5 Mal, wobei ich durchschnittlich jedes Mal 50 Schläge erhielt, die auf Rücken, Gesäß und Beine niedersausten. Neben Kommissar Tenhold waren noch 6 andere Männer im Vernehmungszimmer, von denen jedes Mal 4 schlugen . Auch Tenhold selbst beteiligte sich am Schlagen. Während dieser Vernehmung sagte Tenhold zu mir, dass ein Tag vorher einer durch s Fenster gegangen sei und ich ihm nachfolgen könnte. Bei der letzten Prozedur wurde ich ohnmächtig.“

Der Vortrag findet passenderweise in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“, im ehemaligen Polizeigebäude von 1907 in Gelsenkirchen-Erle statt. In der Nazi-Zeit war das Haus unter anderem Sitz der NSDAP-Ortsgruppenleitung Buer-Erle und der Erler SA. Nach dem Fund einer Wandinschrift mit dem Parteiprogramm der NSDAP von 1920 wurde diese unter Denkmalschutz gestellt und am 8. Mai 1994 im Haus eine Dokumentationsstätte mit einer Dauerausstellung über Gelsenkirchen im Nationalsozialismus eröffnet. Hier führt das ISG regelmäßig Veranstaltungen durch, um „mit ausgewiesenen Fachleuten verschiedene Themen aus der Geschichte des Nationalsozialismus und aus der politischen und pädagogischen Auseinandersetzung mit dem ‚Dritten Reich‘ öffentlich zu diskutieren.“

„Wilhelm Tenholt – Chef der Gestapoleitstelle Recklinghausen – Gelsenkirchen von 1933-1936“ von Ortwin Bickhove-Swiderski, Dülmen. Der Vortrag findet am Mittwoch, 24. Februar 2016, ab 19 Uhr in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“, Cranger Straße 323 in 45891 Gelsenkirchen statt. Die Einrichtung ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Linien 301, 342, 381, 397,398, Haltestelle „Marktstraße“) gut zu erreichen.

Weitere Veranstaltungen im 1. Halbjahr 2016

Die Unterdrückung Andersdenkender in der Adenauerzeit im Film und im Zeitzeugengespräch

verboten-verfolgt-vergessenEs gibt sie noch, die vergessenen Kapitel der jüngeren Zeitgeschichte. In der noch jungen Bundesrepublik Deutschland, 1949 nur vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet, wurde bereits 1950 wieder der Aufbau einer Armee geplant. 1956 war es schließlich soweit und der Bundestag beschloss die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht. Gegen diese Politik gab es damals selbstverständlich öffentliche Proteste, die jedoch von der Regierung des Bundeskanzlers Adenauer sehr schnell kriminalisiert und deren Protagonisten massiv verfolgt wurden.

Das Strafrecht wurde durch ein „Blitzgesetz“ geändert. Alle Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen die Wiederbewaffnung und für freie Wahlen in ganz Deutschland (welches damals noch zweigeteilt war) einsetzten, konnten als Staatsfeinde verfolgt werden. Eine Volksbefragung der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) gegen die Wiederbewaffnung, an der bis dahin 9 Millionen Menschen teilgenommen hatten, wurde 1951 verboten. Schließlich wurde die KPD 1956 für verfassungswidrig erklärt, verboten und aufgelöst. Nur wenige Jahre nach Verfolgung und Ermordung zahlreicher Mitglieder und Anhänger der KPD durch die Nazis standen wirkliche und angebliche Kommunisten wieder im Fokus der Verfolgung, dieses Mal durch einen demokratischen Staat. In der Zeit von 1951 bis 1968 wurden durch die Strafverfolgungsbehörden etwa 200.000 Ermittlungsverfahren durchgeführt. Etwa 10.000 Betroffene wurden zu teils langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt, ihre Existenz damit zerstört. Schon das Lesen eines Kinderbuches aus der DDR war im demokratischen Staat strafbar. Es war übrigens die gleiche Zeit, in der alte Nazis in der Bundesrepublik Deutschland wieder rehabilitiert wurden und vielfach wieder auf ihre Posten eingesetzt wurden.

Gegenstand der Proteste und ihrer Verfolgung ist eine gemeinsame Veranstaltung der Gelsenkirchener VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten), des Vereins Gelsenzentrum e.V. und des Rosa-Luxemburg-Clubs Gelsenkirchen. Wir werden uns den Film „Verboten – verfolgt – vergessen“ von Daniel Burkholz ansehen und zwei Zeitzeugen, das Ehepaar Wils, wird von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Der Film von Daniel Burkholz dauert etwa 40 Minuten und entstand 2012 mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Filmveranstaltung und Zeitzeugengespräch finden am Montag, 12. Mai 2014 um 19.30 Uhr in der „die flora“, Florastraße 26 in 45879 Gelsenkirchen statt. Wer vorab mehr über den Film und die Zeitzeugen erfahren möchte, sei unter anderem auf den Blogeintrag von Anja Röhl verwiesen.

Stolpersteine für Erich Lange und Fritz Rahkob

Für 22 Opfer der Nazi-Diktatur werden im August 2011 Gunter Demnig und Gelsenzentrum Stolpersteine verlegen. Am 1. August wird Gunter Demnig insgesamt 18 Stolpersteine an 10 Orten in das Pflaster einfügen, 4 weitere Steine wird das Gelsenzentrum selbst am 20. August einsetzen. Die durch Patenschaften finanzierten Stolpersteine des Kölner Künstlers erinnern an im Nationalsozialismus verfolgte und ermordete Menschen. Dieses Mal werden auch Stolpersteine für den umstrittenen Erich Lange sowie für Fritz Rahkob verlegt werden.

Für Erich Lange werden zwei Stolpersteine eingesetzt, einer davon an seinem letzten Wohnort, Schwanenstraße 6, und ein weiterer am Ort seiner brutalen Ermordung, der damaligen Litzmannstraße, heute Am Rundhöfchen. Erich Lange, geboren am 16. März 1913, hatte 1932 die SS verlassen und war zum „Kampfbund gegen den Faschismus“ übergelaufen. In der Nacht vom 21. auf den 22. März 1933 ist er von wenigstens einem SS-Mann ermordet worden. Die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung berichtete am 23. März 1933 in einer kurzen Meldung unter der Überschrift „Kommunistischer Funktionär erschossen“ über die Tat. Der Täter, ein SS-Mann, habe sich freiwillig der Polizei gestellt und aus Notwehr gehandelt. In den 1982 erschienenen „Beispiele(n) der Verfolgung und des Widerstandes“ wird die Ermordung als Racheakt eingeordnet (S. 22). Dafür spricht auch, dass die Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung Erich Lange als „Verräter an der nationalen Sache“ bezeichnete. Zeitzeugen erinnerten sich, dass seine Leiche in der Leichenhalle kaum wieder zu erkennen war und werteten seine Ermordung auch als Demonstration, mit der die SS zeigen wolle, wie sie mit politisch Andersdenkenden umzugehen gedachte. In der Gelsenkirchener WAZ ist zum 75. Jahrestag der Ermordung am 21. März 2008 ein Artikel über Erich Lange erschienen. Ein Bericht der Zeitzeugin Rosa Eck befindet sich auf YouTube.

Für Fritz Rahkob, der bereits seit 1987 durch die Benennung des gleichnamigen Platzes stellvertretend für den kommunistischen Arbeiterwiderstand gegen die Nazis geehrt wird (Bild oben von der Gedenkveranstaltung am 25. August 2008), wird der Stolperstein an der Liebfrauenstraße 38 in das Pflaster eingesetzt. Der am 25. Juli 1885 in der Gemeinde Rotthausen geborene Friederich Rahkob wurde bereits 1905 in der Arbeiterbewegung aktiv. Seit 1920 KPD-Mitglied verbrachte Fritz Rahkob die Jahre 1933 bis 1938 in sogenannter „Schutzhaft“. Auch seine Frau Emma Rahkob beteiligte sich während der Haft ihres Mannes am Widerstand und wurde dafür 1934 zu über 2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Fritz Rahkob schloss sich nach seiner Entlassung der Widerstandsgruppe um Franz Zielasko an, die verraten und im August 1943 verhaftet wurde. Während Zielasko schon bei den Verhören zu Tode gefoltert wurde, verurteilte der sogenannte „Volksgerichtshof“ Rahkob zum Tode. Das Urteil wurde am 24. August 1944 in Stuttgart durch Enthauptung vollstreckt. Seine Frau Emma wurde am Tag der Hinrichtung verhaftet, allerdings vor der Deportation und dem sicheren Tod in einem Konzentrationslager von Alliierten Truppen aus dem Münchener Polizeigefängnis befreit. Rahkobs Asche wurde erst am 14. September 1947 auf dem Rotthauser Friedhof in einer Urne beigesetzt.

Planung für Montag, 1. August 2011
14.00 Uhr, Küppersbuschstr. 25, Oskar Behrendt
14.15 Uhr, Schwanenstr. 6, Erich Lange
14.30 Uhr, Am Rundhöfchen, Erich Lange (Ort der Ermordung)
14.45 Uhr, Von-der-Recke-Str. 4, Isidor und Elfriede Wollenberg
15.00 Uhr, Im Lörenkamp 2, Isidor Kahn
15.15 Uhr, Liebfrauenstr. 38, Fritz Rahkob
15.30 Uhr, Vandalenstr. 14, Friederich Poburski
15.45 Uhr, Neuhüller Str. 27, Peter Heinen
16.00 Uhr, Plutostr. 7, Paul Kusz  (Korrektur: Hohenzollernstr. 272)
16.15 Uhr, Bismarckstr. 152, Moritz und Toni Meyer, Hermann, Martha, Heinrich, Käthe und Ruth Hirschhorn, Kurt Rosengarten

Planung für Samstag, 20. August 2011
10.30 Uhr, Im Bahnwinkel 10, Robert Mäusert
11.00 Uhr, Polsumer Str. 158, Astrid „Iri“ Steiner
11.30 Uhr, Königgrätzerstr. 20, Wilhelm Gorny
12.00 Uhr, Essener Str. 71, Andreas Schillak jun.

Der Vorbeter der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen wird am 1. August an den Verlegeorten Von-Der-Reckestraße 4, Im Lörenkamp 2 und an der Bismarckstraße 152 das El Male Rachamim zum Gedenken an die Toten der Shoa sprechen, an der Bismarckstraße wird Nobert Labatzki die Verlegung der Stolpersteine musikalisch begleiten.