Archiv für den Monat März 2020

„In Europa gehen die Lichter aus …“

Kleine Ursache – große Wirkung. Gemeinfreie Illustration des SARS-CoV-2 vom 30.01.2020, geschaffen vom Centers for Disease Control and Prevention (CDC).

Genau 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten und über 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs steht die Welt vor einer völlig neuen Herausforderung. Klimawandel, Kriege und Nationalismus sowie ein amerikanischer Fake-News-Präsident haben die wenigsten gestört, doch eine auf einen winzigen Virus beruhende Naturkatastrophe setzt einen Mechanismus in Gang, der die Welt wie wir sie kennen rapide verändert. Längst überrascht es mich nicht mehr, dass in diesen Tagen der Deutsche Gewerkschaftsbund seine 1.-Mai-Kundgebungen für dieses Jahr absagt, auch der Ostermarsch wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Eine geplante Protestkundgebung gegen das militärische Manöver „Defender 2020“ ist ebenso abgesagt worden wie das militärische Manöver selbst.

Berühmt ist das Zitat des britischen Außenministers des Jahres 1914, zu deutsch etwa: „Die Lampen gehen in ganz Europa aus, wir werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“ Angesichts der Ereignisse Anfang August 1914, als das Räderwerk der Mobilmachungen in den Ersten Weltkrieg mündete, im Rückblick auf die historischen Ereignisse sicherlich eine hellsichtige Beschreibung. In der Gegenwart, im März 2020, wurde das öffentliche Leben innerhalb kurzer Zeit und in einer Weise und in ganz Europa eingeschränkt, wie es die meisten Menschen noch nie erlebt haben. In Deutschland folgten innerhalb weniger Tage der flächendeckenden Schließung von Schulen, Kindertagesstätten und aller für die Grundversorgung nicht notwendiger Geschäfte und Einrichtungen, der Schließung von Bildungs-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, der Absage öffentlicher Veranstaltungen, der Schließung von Grenzen und der Einführung physischer Abstandsregelungen in Teilen des Landes ausgesprochene Ausgangsbeschränkungen. In Gelsenkirchen sind seit heute Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen unter freiem Himmel untersagt.

Nicht das ich falsch verstanden werde: nach allem, was wir wissen, sind diese Einschränkungen notwendig, um eine schnelle Verbreitung des Virus und eine Überlastung der Krankenhauskapazitäten zu verhindern. In China und in Italien ist zu besichtigen, was passieren kann, wenn auf diese Naturkatastrophe nicht schnell genug reagiert wird. An Beispielen aus der Geschichte der Spanischen Grippe der Jahre 1918 bis 1920, einer weitgehend unbekannten Pandemie im Ausgang des Ersten Weltkriegs, kann man ebensolche Schlüsse ziehen: eine schnelle Einschränkung aller öffentlichen physischen Kontakte hilft offenbar, die schnelle Verbreitung des Virus zu verhindern, so dass bei einer langsamen Verbreitung mehr Menschen medizinische Hilfe zu Teil werden kann. Die Verhinderung einer schnellen Ausbreitung kann daher Leben retten.

Doch anders als in der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise können wir nun sehen, dass nicht die Banken, sondern ausgerechnet die schlechtbezahlten Arbeitsplätze „systemrelevant“ sind. Und damit meine ich nicht nur das medizinische Personal in den Krankenhäusern, sondern gerade auch die einfache Verkäuferin im Supermarkt, die die von panischen Hamsterkäufern geräuberten Regale wieder auffüllen muss. Beides Bereiche, die die neoliberale Politik seit langem gebeutelt hat. Angesichts dieser Tatsache kann ich mir eine klammheimliche Freude über die Kursstürze an den Börsen nicht verkneifen.

Wer ist AfD-Mann Martin Jansen?

„Keine Alternative für Deutschland“. Die Ausstellung der VVN-BdA zeigt das rechtsextreme Gesicht der AfD.

Die Gelsenkirchener AfD kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Zuletzt wurde der 57jährige Martin Jansen, ehemaliges CDU-Mitglied, Polizeibeamter und AfD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Gelsenkirchen durch seine Dienstvorgesetzte, Polizeipräsidentin Frau Britta Zur, in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter wegen des Verdachts volksverhetzender Äußerungen vom Dienst suspendiert. Zuvor war die Gelsenkirchener AfD wegen eines Hitler-Merkel-Vergleichs auf ihrer Facebook-Seite in die Schlagzeilen geraten. Dass es sich bei der AfD um eine in immer größer werdenden Teilen rechtsextreme Partei handelt, ist dagegen keine Neuigkeit.

Die Gelsenkirchener AfD hatte zur Kommunalwahl 2014 auf Anhieb 5 % der Stimmen und 3 Sitze im Rat der Stadt erlangt. Bereits im Juli 2014 sortierte sie sich selbst in das Rechtsaußenlager ein, als sie mit der rechtsextremen Kleinpartei ProNRW gemeinsam abstimmte, um sich Sitze in den Gremien zu sichern. Der Gelsenkirchener AfD-Bundestagsabgeordnete Jörg Schneider ist zugleich Mitglied der schlagenden Hamburger Burschenschaft Germania, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch beobachtet wird. Über die „Qualität“ der Facebook-Posts der Gelsenkirchener AfD hatte ich beispielhaft vor einiger Zeit hier ausführlich berichtet.

In der Pressemeldung der Polizei wird Frau Zur wie folgt zitiert: „Ich erwarte von allen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jederzeit ein klares Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und ein aktives Eintreten für die Grundwerte unserer Verfassung“. „Mir ist wichtig, dass die erhobenen Vorwürfe lückenlos aufgeklärt werden“.

Im Ratsinformationssystem der Stadt ist zu erfahren, dass Martin Jansen Polizeibeamter/Diplom-Verwaltungswirt ist. Seine aktuelle Partei, die AfD, vertritt er seit 2014 in der Bezirksvertretung West, im Haupt-, Finanz-, Beteiligungs- und Personalausschuss, im Betriebsausschuss gkd-el und im Rat der Stadt. Fraktionsvorsitzender ist er seit 2018, als aus der seit 2015 bestehenden Ratsgruppe nach der Rückkehr von Hartmut Preuß erneut eine Fraktion wurde. Weder die Gründe für die Auflösung noch für die Wiederbegründung der AfD-Ratsfraktion sind öffentlich bekannt.

Etwas mehr über den Mann erfährt man auf den Seiten der Gelsenkirchener Geschichten, die ihm einen eigenen Forumsplatz in der Rubrik „Persönlichkeiten“ eingeräumt hatte. 2009 sei der „Beckhausener Kriminalhauptkommissar, der sonst seinen Dienst im Polizeipräsidium Buer leistet“, mit der „Service Medal” geehrt worden, weil er seit Ende 2006 zusammen mit anderen Polizeibeamten in Afghanistan zum Aufbau tragfähiger und effektiver Polizeistrukturen beigetragen habe. Und ein Jahr später erfuhren die Leser der Gelsenkirchener Geschichten, dass Martin Jansen die CDU in Beckhausen führe. Der nächste Eintrag folgt erst 10 Jahre später, nämlich in diesem Jahr und mit einem Hinweis auf die jüngsten Schlagzeilen.

Was dazwischen passiert ist, warum er von der CDU in die AfD gewechselt ist, ist aus den Gelsenkirchener Geschichten verständlicherweise nicht zu erfahren. Handelt es sich bei Martin Jansen um einen Karrieristen, der in der jungen AfD bessere Aufstiegschancen für sich sah? Handelt es sich um einen Menschen mit einem mehr oder weniger geschlossenen rechtsextremen Weltbild, der in der AfD ist, weil sie so ist wie sie ist? Wir wissen, dass sich die AfD seit ihrer Gründung als euroskeptische Partei kontinuierlich nach rechts außen bewegt und Teile inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Während andere die AfD verlassen haben, ist Martin Jansen in der AfD geblieben. Das spricht m.E. dafür, dass er ihre Positionen im Grunde teilt.

Erinnern lässt sich nicht verbieten!

Einzelpersonen legten im Laufe des Tages Blumen und Kränze nieder.

Die Sonne schien hell und freundlich als ich heute gegen Mittag den Friedhof Horst-Süd erreichte. Die von der Stadt Gelsenkirchen mit Bezug auf die Friedhofssatzung verbotene antifaschistische Gedenkfeier von mehreren nicht nur linken Organisationen anlässlich des 100. Jahrestages von Kapp-Putsch und Märzrevolution 1920 fand nicht statt.

Stattdessen fanden zahlreiche Einzelpersonen ihren Weg hierhin und legten Blumen und Kränze am antifaschistischen Mahnmal nieder, das Moorsoldatenlied auf den Lippen. Einzelne Besucher fanden auch den Weg zum Mahnmal für die sowjetischen Zwangsarbeiter und zum Grab- und Mahnmal für die jüdischen Frauen des KZ-Außenlagers Gelsenberg.

Erinnern lässt sich nicht verbieten!

Stadt Gelsenkirchen verbietet antifaschistische Gedenkfeier!

1947/48 auf dem Friedhof Horst-Süd von der VVN errichtetes Denkmal für den antifaschistischen Arbeiterwiderstand, zur Erinnerung an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der Roten Ruhrarmee und ergänzt um Horster Widerstandskämpfer 1933-1945, insbesondere der Franz-Zielasko-Gruppe.

Die für Samstag, 14.03.2020 ab 14.00 Uhr geplante Gedenkfeier zu Ehren der 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch ermordeten Arbeiter der Roten Ruhrarmee wird vom Veranstalterkreis abgesagt. Die Stadt Gelsenkirchen hatte unter Berufung auf die Friedhofssatzung eine Gedenkveranstaltung unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 Euro verboten. Mit dem Generalstreik und der Märzrevolution hatten vor 100 Jahren auch Gelsenkirchener Arbeiter den rechtsradikalen Kapp-Putsch zum Scheitern gebracht und damit die Weimarer Republik vor ihren Feinden gerettet. Genutzt hat ihnen das nichts. Viele revolutionäre Arbeiter fielen anschließend dem Terror von Reichswehr und Freikorps zum Opfer.

Die von der Stadtverwaltung verhängte Nutzungsuntersagung auf städtischen Friedhöfen stößt beim Kreis der Veranstalter auf völliges Unverständnis. Wenn andere – auch nicht-kirchliche – Veranstalter Gedenkfeiern durchführen können, dann dürfte es für ein antifaschistisches Gedenken keine Ausnahmeregelung geben. Das gilt um so mehr in der heutigen Zeit, in der es von Tag zu Tag notwendiger wird, Flagge zu zeigen gegen Faschismus und rechten Terror. Die geplante Gedenkfeier sollte aus diesem Grund auch die Opfer unter den jüdischen KZ-Sklavenarbeiterinnen und den sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern mit einschließen, denen auf dem Friedhof Horst-Süd ebenfalls Denkmale gewidmet sind.

Auf Unverständnis stößt die Entscheidung der Stadt auch deshalb, weil würdige Gedenkfeiern zu Ehren der ermordeten Bergarbeiter und der dort ebenfalls bestatteten Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime bereits seit Jahren auf dem Friedhof Horst-Süd ohne Beanstandungen durchgeführt worden sind. Außerdem finden zum 100. Jahrestag der Märzrevolution in zahlreichen Städten Gedenkfeiern und Veranstaltungen dieser Art statt, auch auf Friedhöfen, und nicht selten unter Beteiligung städtischer Repräsentanten.

In Gelsenkirchen wird es dagegen an diesem Samstag keine würdevolle Gedenkfeier geben, statt dessen werden zahlreiche Einzelpersonen ab 14 Uhr an den Gedenksteinen Blumen niederlegen, den Opfern des rechten Terrors von vor 100 Jahren still die Ehre erweisen und sich ihren Teil über eine bornierte Stadtverwaltung denken.

Von Lenin-Denkmalen und Nazi-Schwertern

Ein Denkmal als touristisches Ziel: Karl Marx und Friedrich-Engels in Berlin-Mitte, besucht vom Autor dieses Beitrags im Juli 2008.

Denkmalstreit in Gelsenkirchen. Reichlich Aufmerksamkeit erfährt derzeit eine 2,15 Meter hohe Lenin-Statue, die die MLPD, die Lenin in ihrem Namen führt, vor ihrem Zentralkomitee in Gelsenkirchen-Horst am 14. März 2020 aufstellen will. Diese Aufregung hätte ich mir gewünscht, als 2015 die Stadt Gelsenkirchen ein 1937 errichtetes und 6 Meter hohes faschistisches Kriegerdenkmal unter Denkmalschutz gestellt und an einen öffentlichen Weg gestellt hat. Zuletzt ist bekanntlich anlässlich der Vorgänge in Thüringen, wo ein faschistischer Politiker mit seiner Partei demokratischen Politikern Fallen stellt, besonders aus den Reihen der Christdemokraten betont worden, dass man gleichermaßen weder mit den ganz Linken noch mit den ganz Rechten zusammenarbeiten will. Doch scheint es nicht nur in Gelsenkirchen einen Unterschied zu machen, ob die Stadt ein Denkmal in faschistischer Ästhetik an einen öffentlichen Weg oder eine ganz weit linke Partei eine Lenin-Statue vor ihrem Sitz aufstellt. Auf dem rechten Auge blind?

Bis in die FAZ hat es der Denkmalstreit in Gelsenkirchen unter dem Titel „Lenin steht demnächst im Westen“ geschafft. Patrick Bahners zeigt sich in seinem Artikel amüsiert darüber, dass „die Partei seit 38 Jahren die ’systematische und beharrliche Kleinarbeit‘ zur Vorbereitung der Revolution verrichtet, mit der sie sich in ihrem Programm beauftragt hat.“ Hervorgegangen aus eine der vielen linken Splittergruppen der 1970er Jahre spielt die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands im bundesdeutschen Parteiensystem und auch in Gelsenkirchen keine Rolle. So erreichte sie zur Landtagswahl 2017 in Gelsenkirchen, am Sitz ihres Zentralkomitees, 0,49 % der Stimmen, dahinter verbergen sich 494 Wählerinnen und Wähler, vermutlich überwiegend die eigenen Parteimitglieder nebst Sympathisanten.

Gegen Lenin fand sich – nicht überraschend – eine ganz ganz große Koalition am 03. März 2020 in der Bezirksvertretung West im Rittersaal von Schloß Horst aus SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen … und AfD-Mann Martin Jansen zusammen, die für eine „Resolution für Rechtsstaat und Demokratie und gegen die Aufstellung einer Lenin-Statue in Gelsenkirchen-Horst durch die MLPD“ stimmten. Doch der zu dem Zeitpunkt bereits laufende Versuch der Stadtverwaltung, das Denkmal mit einem politisch motivierten und mit Schein-Argumenten des Denkmalschutzes begründeten Baustopp zu verhindern, scheiterte krachend am 5. März 2020 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Natürlich feierte die MLPD ihren Sieg und verkündete auf „Rote Fahne News“ – auch nicht überraschend – den „vollständigen politischen Sieg Lenins und der MLPD vor Gericht gegen SPD, B90/Grüne, CDU und den faktisch-politischen Amtsmissbrauch von OB Baranowski in Gelsenkirchen“ mit stolzgeschwellter Leninbrust und einem internationalen Pressespiegel.

Erinnerung an Karl Liebknecht in Berlin-Mitte und die Ausrufung der sozialistischen Republik am 9. November 1918, fotografiert im Juli 2008.

Tomas Grohé, Linke-Bezirksvertreter in Horst, kritisierte in der Sitzung der Bezirksvertretung „das antikommunistische Gezeter der vorliegenden Resolution“, das er „eher wie das hysterische Gegacker einer Hühnerschar, der ein ausgestopfter Fuchs vor den Zaun gestellt wurde“ empfände. Allerdings kritisierte er auch die Aufstellung einer Lenin-Statue und fände „für die Entwicklung unseres Landes viel provokativer und für politische Auseinandersetzungen nützlicher“ die Aufstellung einer „Statue von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht …, die von rechtsradikalen Militärs quasi in staatlichem Auftrag ermordet wurden.“

Als weitere Reaktion mokierte sich ein Kommentator unter einem WAZ-Artikel darüber, dass der Stadt sonst nix als der Denkmalschutz eingefallen sei. – Nun hatte der Denkmalschutz auch bei der Umstellung des faschistischen Nazi-Schwerts 2015 eine bedeutende Rolle gespielt, damals allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein an seinem alten Standort – zugewachsen und vergessen hinter den Torhäusern.

Das faschistische Denkmal war 1937 auf dem Betriebsgelände des Schalker Vereins im Stadtteil Bulmke-Hüllen errichtet worden. Es entstand vermutlich als Auftragsarbeit der Werksleitung und wurde nach Entwürfen des Bildhauers Hubert Nietsch, der durch weitere nazi-affine Kunst bekannt ist, gestaltet. Eingeweiht wurde es inmitten eines sogenannten „Ehrenhofes“ mit einer Feier am 1. Mai 1937, den von der internationalen Arbeiterbewegung gestohlenen und von den Nazis zum „Tag der nationalen Arbeit“ umgedeuteten Mai-Feiertag. Die beiden Seiten der Stele sind mit „Unseren gefallenen Arbeitskameraden 1914 1918“ und „Sie starben für Deutschland“ beschriftet und zeigen überdeutlich den Zweck des Objektes, nämlich mit der Errichtung von Kriegerdenkmalen für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs den Eroberungs- und Vernichtungskrieg, den wir heute als Zweiten Weltkrieg kennen, ideologisch vorzubereiten. Dies wurde von den Nazis auch offen bei den Einweihungsreden ausgesprochen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Jahreszahlen „1939 1945“ hinzugefügt worden. Danach war das Nazi-Schwert völlig in Vergessenheit geraten und wuchs an einer unbeachteten Stelle hinter den Torhäusern zu. Erst nach dem Verkauf des Schalker Vereins an die Firma Saint-Gobain und aufgrund der Umgestaltung des Werksgeländes war es wieder in den öffentlichen Fokus geraten.

Am 4. März 2015 wurde die Eintragung in die Denkmalliste durch die Bezirksvertretung Gelsenkirchen-Mitte beschlossen. Die Beschlussvorlage enthält eine ausführliche Begründung des Denkmalwerts und nennt historische und kunstgeschichtliche Gründe, die für die „Erhaltung und Nutzung“ des Nazi-Schwerts sprächen. In derselben Sitzung wurde mit einer weiteren Beschlussvorlage die geplante Verlagerung des Denkmals an einen öffentlichen Fußweg vorgestellt. Als Grund wird angegeben, dass es am jetzigen Standort „einer Vermarktung und Entwicklung eines Gewerbe- und Industrieparks im Wege“ stünde. Die Kosten der Verlagerung in Höhe von rund 30.500 Euro würden sich der Eigentümer, die Firma Saint-Gobain und die Stadt Gelsenkirchen teilen. Mit der Standortverlagerung werde das Nazi-Schwert zugleich in einen neuen Kontext gestellt.

Am neuen Standort neben einem öffentlichen Weg soll das Nazi-Schwert nun zu Frieden und Völkerverständigung mahnen.

Doch der „neue Kontext“ bestand – ohne eine Änderung der Ästhetik – nur aus einer einfallslosen Ergänzung durch einen Steinblock mit der Aufschrift „Die Toten mahnen zum Frieden“ sowie einer erläuternden ISG-Erinnerungsortetafel.

War dieser Vorgang schon unverständlich und unerträglich genug, schaffte die etablierte Stadtgesellschaft noch eine völlig unerwartete Steigerung. So plante die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie“ (DI) ihre jährliche Veranstaltung am 9. November zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 an eben diesem faschistischen Kriegerdenkmal enden zu lassen. Nur aufgrund öffentlicher Kritik änderte die DI ihre Route ein wenig und hielt am faschistischen Kriegerdenkmal eine Zwischenkundgebung ab, die Abschlusskundgebung wurde auf den zufällig in der Nähe liegenden Alten Jüdischen Friedhof verlegt. Vom Schwert zum Friedhof, dazu fiel auch mir damals wie heute nichts mehr ein.

Mein Fazit frei nach Max Horkheimer: Wer aber von einem Kriegerdenkmal in faschistischer Ästhetik nicht reden will, sollte auch von einer Lenin-Statue schweigen.