Archiv der Kategorie: Friedensbewegung

Ostermarsch 2024 in der Vorkriegszeit

Ostermarsch 2024 in Gelsenkirchen.

Auch in diesem Jahr findet wieder der Ostermarsch Rhein-Ruhr statt und führt an drei Tagen von Duisburg nach Dortmund einmal quer durch das Ruhrgebiet. Die mittlere Etappe von Essen nach Bochum findet seit Jahren als Fahrradkorso statt, der bei einem Zwischenhalt im Stadtgarten Gelsenkirchen mit Kaffee und Kuchen und der musikalischen Begleitung von Norbert Labatzki begrüßt wird.

Das Friedensforum Gelsenkirchen schreibt dazu: „Nicht Kriegstüchtigkeit, sondern Friedensfähigkeit ist die Herausforderung für unser Land. Wir sind unterwegs für Frieden und Abrüstung, ehe diese Kriege eskalieren und es zu spät für die Menschheit ist. Wir sind überzeugt, dass Kriege nur durch Verhandlungen beendet werden können. Wir brauchen keine Kriegstüchtigkeit, die nun sogar in die Schulen getragen werden soll. Das Töten in der Ukraine, in Gaza und in vielen Konfliktherden muss gestoppt werden. Wir sollten uns aktiv für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure einsetzen. Angesichts der Gefahr eines Atomkriegs sollten alle US-Atombomben aus Büchel in der Eifel abgezogen werden. Die Aufrüstung verschlingt Milliarden, die im sozialen Bereich, in der Pflege, in der Bildung und beim Klimaschutz viel dringender benötigt werden.“

Der Veranstalter hatte in diesem Jahr als Redner Johannes Gertz von Pax Christi zum Thema „Kriegsdienstverweigerung – Wir sagen Nein zum Töten“ gewonnen. In seiner bemerkenswerten Rede ging er unter anderem auch auf Christa Wolfs „Kassandra“ ein. Wann der Krieg beginne, lasse sich klar bestimmen, doch woran merke man, das der „Vorkrieg“ beginne? Nun, wer dem Redner gut zuhörte, konnte genügend Anzeichen erkennen, nach der wir uns wieder in der Vorkriegszeit befinden.

Johannes Gertz, Pax Christi, beim Ostermarsch 2024 in Gelsenkirchen.

Hier noch ein paar fotografische Eindrücke …

PS: Eigentlich hatte ich mich in diesem Blog bereits aus Gelsenkirchen verabschiedet, aber da der Abschied schwer fällt, hier aus besonderem Anlass dieser Beitrag.

Einseitige Friedenserklärung

Lieder, Songs und Chansons wider den Krieg spielten und sangen heute im Garten vom LaLok eine ganz bunte Mischung befreundeter musikalischer Menschen aus Gelsenkirchen, Bochum, Dülmen und Duisburg, die auch als Friedenschor Dülmen oder Bad Buskers Bochum auftreten. Aus Köln kam außerdem der Liedermacher Stefan Kuntz dazu. Leider konnte aus gesundheitlichen Gründen Leo nicht auftreten, so dass das Programm improvisiert werden musste, was aber dennoch gut gelang. Es wurde ein schöner Abend für die Gäste, die den reichlich versteckten Veranstaltungsort gefunden hatten. Spätestens bei der Zugabe mit „Denen wo’s gut geht“ sangen (fast) alle mit, auch Leo.

Denen wo's gut geht

Denen wo's gut geht
- ging's besser,
ging's denen besser,
wo's weniger gut geht,
- was aber nicht geht,
ohne dass denen's
weniger gut geht,
- wo's gut geht.
Drum geht wenig nur,
dass es denen
- besser geht,
wo's weniger gut geht
und drum geht's auch
denen nicht besser
- wo's gut geht!

PS: Eigentlich hatte ich mich in diesem Blog bereits verabschiedet, aber da der Abschied schwer fällt, hier nochmal aus besonderem Anlass dieser Beitrag.

Einseitige Friedenserklärung im La Lok libre

Einen wundervollen Abend gestalteten die „Üblichen Verdächtigen“ Leo und Karmelita gemeinsam mit dem Friedenschor Dülmen im La Lok libre in Gelsenkirchen-Schalke. Vier Jahre ist es jetzt her, seit ich 2018 zuletzt Leo und Karmelita im La Lok libre gehört habe. Krankheit und die Corona-Pandemie verhinderten weitere Auftritte. Am gestrigen Freitag traten die beiden innerhalb eines gemeinsamen Programms mit dem Dülmener Chor und den Bad Buskers aus Bochum auf, wobei sowohl Leo und Karmelita als auch die Bochumer gleichzeitig auch Mitglied des Chors sind.

So traten die beiden zweimal alleine und zweimal im Friedenschor Dülmen auf und dazwischen auch noch die Bad Buskers. Durch diese Zusammensetzung kam eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Musikern und Musikinstrumenten zustande. Neben Gitarre, Bass und Percussioninstrumenten auch Posaune, Flöte und ein Dudelsack. Wir hatten ganz vorne vor der „Bühne“ einen sehr guten Sitzplatz und konnten die Musiker nicht nur hören, sondern ihnen auch beim Spielen begeistert zusehen.

Auch im Publikum fanden sich die üblichen Verdächtigen wieder, die „mundgesungene und handgespielte“ Musik schätzen und bei dem einen oder anderen altbekannten Friedenslied mitsangen. Wie immer kann und will ich mich nicht als Musikkritiker betätigen. Ich habe jedes der Lieder, nicht nur von Leo und Karmelita, geschätzt, die die Musiker in unterschiedlicher Zusammensetzung vorgetragen haben. Tränen hat mir das Lied „Der Traum vom Frieden“ in die Augen getrieben, dass ich nach langer Zeit mal wieder gehört habe. Auch „Das Kälbchen“ wie „Das Mädchen von Hiroshima“ hatte ich lange nicht gehört. Und beim abschließenden „Give Peace a Chance“ sang das gesamte Publikum mit.

Das Konzert hatte trotz aller Freude die es machte einen ernsten Hintergrund und erinnert an die vergessenen und verschütteten Lehren und Erfahrungen aus der eigenen Geschichte angesichts der kriegerischen Eskalation in Europa, die das Leben nicht nur der Menschen in der Ukraine, sondern darüber hinaus in der ganzen Welt bedroht. Dafür gilt Hildegard, Katrin, Karmelita und Leo aus Gelsenkirchen, Klaus, Margret, Michael und Rieke aus Dülmen sowie Iris, Frank und Stefan aus Bochum mein herzliches Dankeschön. Die gesammelten Spenden des Abends gingen an das La Lok libre.

Hier noch ein paar Fotos von meiner Handykamera, die dazu gespielte Musik kann ich leider leider nicht anbieten …

Weihnachtlicher Friedensstand

Fast hätte man ihn mit einem Stand des Weihnachtsmarktes verwechseln können, den Infostand des Friedensforums Gelsenkirchen heute neben der Altstadtkirche. Das Friedensforum hatte zwei kleine Weihnachtsbäume mit Wünschen geschmückt, den Wünschen der Bundeswehr nach mehr Aufrüstung, und den Wünschen aus der Friedensbewegung. Hier ein paar Bilder davon.

13. Herbstlicher Gelsenkirchener Abgesang wider die heraufziehende Kälte

Nach dem Corona-Loch und trotz gesundheitlicher Probleme ergibt sich nach 4 Jahren Pause für Karmelita Gaertig und Leo Kowald wieder die Möglichkeit, den „Herbstlichen Gelsenkirchener Abgesang“ im LaLoK durchzuführen, dieses Mal unterstützt vom Friedenschor Dülmen, der seit Jahren Aktionen gegen das Militärlager „Tower Baracks“ in Dülmen kulturell begleitet.

Das Konzert „Einseitige Friedenserklärung“ steht ganz unter dem Eindruck der Eskalation kriegerischer Politik in Europa, die inzwischen das Leben der Menschen auf der ganzen Erde bedroht und den Weg in eine bessere Zukunft verstellt. Es soll an die verschütteten und vergessenen eigenen Lehren und Erfahrungen aus der Geschichte erinnern, um neue Wege zum Frieden, heraus aus der tödlichen Gewaltspirale, zu finden.

Das Konzert findet am Freitag, 9. Dezember 2022, ab 20 Uhr im LALOK-libre, Dresdener Str. 87/Ecke Grillostraße in 45881 Gelsenkirchen-Schalke statt. Einlass ist bereits eine halbe Stunde früher.

Der Eintritt ist frei, am Schluss geht ein Hut rum für die Auslagen der Künstler.

Infostand zum Krieg in der Ukraine

Unter dem Motto „Verhandeln statt töten, sofortiger Waffenstillstand“ führt das kleine aber feine Friedensforum Gelsenkirchen einen Infostand am 4. November 2022 von 16 bis 18 Uhr auf dem Heinrich-König-Platz (gegenüber der Eisdiele Graziella) durch. Thema ist natürlich der Krieg, der seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands in der Ukraine tobt.

In seiner Ankündigung schreibt das Friedensforum unter anderem: „Jede Verlängerung des Krieges birgt die Gefahr einer Eskalation. Statt Lösungen in militärischen Kategorien zu suchen, fordern wir diplomatische Wege, die gegenwärtig überhaupt nicht erwogen werden. Unmittelbare Kriegsfolgen sind Preissteigerungen und Energieverknappung. 100 Mrd. für die Aufrüstung, gleichzeitig eine jährliche Erhöhung der Rüstungsausgaben für weitere Kriege. Damit sind wir nicht einverstanden. Das Geld fehlt im Bildungsbereich, Gesundheitswesen, ÖPNV, im kommunalen Haushalt.“

Allein diese Ankündigung verbunden mit dem Satz „Wir zahlen nicht für eure Kriege!“ führte schon zu einer heftigen Reaktion. Dies zeigt, wie verhärtet die Fronten nicht nur in der Ukraine sind und wie gering die Bereitschaft ist, andere Positionen überhaupt nur anzuhören. Die Mitglieder des Friedensforums zeigen sich jedoch weiterhin gesprächsbereit und werben für ihre Position – nicht nur aber auch am 4. November.

Antikriegstag auf dem Margarethe-Zingler-Platz

Antikriegstag 2022 auf dem Margarethe-Zingler-Platz.

Unter dem Motto „Ukraine-Krieg – verhandeln statt weiter töten“ führte das Friedensforum Gelsenkirchen heute auf dem Margarethe-Zingler-Platz seine Mahnwache anlässlich des diesjährigen Antikriegstages durch. Der Antikriegstag erinnert in jedem Jahr an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland am 1. September 1939 und ruft dazu auf, sich auch in der Gegenwart für den Frieden einzusetzen. Der Margarethe-Zingler-Platz ist nach der von den Nazis verfolgten sozialdemokratischen Widerstandskämpferin Margarethe Zingler benannt und gehört zu den fünf innerstädtischen Plätzen, die an verfolgte Gegner und Opfer der Nazis erinnern.

Antikriegstag 2022 auf dem Margarethe-Zingler-Platz.

Auf insgesamt drei Schautafeln wurde mit Fotos und kurzen Texten eine Darstellung des Straßentheaterstückes gezeigt, das während der diesjährigen Friedensfahrradtour der DFG-VK NRW in drei verschiedenen Städten im August aufgeführt worden ist. Es basiert auf der Idee aus dem Brechtschen Theaterstücks „Der kaukasische Kreidekreis“ und zeigt, wie die Ukraine zwischen Ost und West zerrissen wird. Die Mitglieder des Friedensforums führten mit den vorbeikommenden Passanten Gespräche und machten dabei deutlich, dass Gewalt keine Lösung ist.

Hier eine kleine Fotogalerie.

Antikriegstag 2022 in Gelsenkirchen (mit Updates)

Der Antikriegstag erinnert in jedem Jahr an die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Nazi-Deutschland am 1. September 1939 und ruft dazu auf, sich auch in der Gegenwart für den Frieden einzusetzen. Seit 1957 rufen Friedensgruppen und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu Kundgebungen auf. In diesem Jahr stehen die Veranstaltungen vor allem unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der massiven Aufrüstung der Bundeswehr mit dem 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm – auch in Gelsenkirchen.

Am Vorabend des Antikriegstages, Mittwoch, 31. August 2022, findet um 19 Uhr ein Diskussionsabend „Vergessene Kriege“ der Partei DIE LINKE als Online-Veranstaltung statt. Andrej Hunko, seit 2009 für DIE LINKE im Deutschen Bundestag, wird über aktuell stattfindende Kriege wie z.B. im Jemen berichten und sich auch zur aktuellen Situation im Ukraine-Krieg äußern. Wer teilnehmen möchte muss nur eine E-Mail an vorstand@dielinke-gelsenkirchen.de oder linksfraktion@gelsenkirchen.de senden und erhält dann den Link für die Teilnahme per Zoom.

Am Donnerstag, dem 1. September findet ab 16 Uhr auf dem Platz der Alten Synagoge, Georgstraße 2, 45879 Gelsenkirchen, die traditionelle Kundgebung des DGB Gelsenkirchens gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen statt. Nach der Begrüßung durch den DGB-Vorsitzenden Mark Rosendahl und Grußworten von Anja Weber (DGB-NRW) und Karin Welge (Oberbürgermeisterin) sind Beiträge der DGB-Jugend sowie von Judith Neuwald-Tasbach (Jüdische Gemeinde) angekündigt, sowie ein Musikbeitrag von Chris Formella.

Ebenfalls für Donnerstag, 1. September ruft das Bündnis gegen Krieg und Faschismus zu einer Kundgebung ab 17.30 Uhr auf dem Neumarkt in Gelsenkirchen auf. Im Aufruf „Stoppt den Krieg in der Ukraine – Verhindern wir den III. Weltkrieg!“, der sich nicht auf die Seite einer Kriegspartei stellt, sondern auf die Seite der Menschen in aller Welt, wird vor der Gefahr eines Dritten Weltkrieges gewarnt, die explodierenden Gewinne der großen Rüstungs-, Energie- und Dax-Konzerne nebst galoppierender Energiepreise und Inflation angeprangert und darauf hingewiesen, dass es bei allen Kriegen der letzten Jahrzehnte letztlich nur um Profite und Macht ging.

Hildegards Theaterstück im August 2022 auf dem Markt in Rheydt. Nach der Geschichte vom kaukasischen Kreidekreis (Bert Brecht) streiten sich Putin und Selenskji um die Ukraine. Profiteur ist die Rüstungsindustrie, Leidtragende die Bevölkerung (Foto: Friedensfreunde Dülmen).

Am Freitag, dem 2. September 2022 führt das Friedensforum Gelsenkirchen von 16.00 bis 18.00 Uhr einen Infostand am Hauptmarkt gegenüber der Hauptstraße durch. Unter dem Motto „Ukraine-Krieg – verhandeln – statt weiter töten“ wird eine bildliche Darstellung eines Straßentheaterstücks (siehe Foto) gezeigt. Dieses wurde während der Friedensfahrradtour der DFG/VK NRW in 3 Städten im August 2022 aufgeführt.

Ebenfalls am Freitag findet von 18.00 Uhr bis 21.45 Uhr ein weiteres Laut gegen Rechts Konzert statt – dieses Mal im Stadtgarten Gelsenkirchen.

Die ursprünglich für Samstag, 3. September 2022 geplante Fahrradtour der VVN-BdA Gelsenkirchen zu Kriegerdenkmalen muss leider wegen einer Terminüberschneidung verschoben werden. Sie wird zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden und dann vom DGB-Haus der Jugend über verschiedene Denkmale in Alt-Gelsenkirchen zum Westfriedhof in Heßler führen. Stattdessen fahren Mitglieder der VVN-BdA wie schon in früheren Jahren nach Stukenbrock. Dort wird seit 1967 auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof durch den Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ den bestatteten sowjetischen Kriegsgefangenen gedacht. Die Überlebenden, die nicht von den Nazis durch Hunger und Arbeit ermordet worden waren, hatten unmittelbar nach der Befreiung einen Obelisken errichtet, der in kastrierter Form noch heute steht und Ort der Gedenkfeier ist.

Am Sonntag, dem 4. September 2022 lädt die AG „Laufend erinnern“ auf den Westfriedhof in Heßler, Grawenhof 25, 45883 Gelsenkirchen ein. Treffpunkt ist 14 Uhr am Haupteingang des Friedhofs. Im Zentrum stehen die Kriegsgräber von NS-Opfern, die in den Jahren 1941 bis 1944 hier bestattet wurden. Seit 2019 recherchiert und informiert die Arbeitsgruppe der Schalker Fan-Initiative – Schalker gegen Rassismus, Diskriminierung, Sexismus und Homophobie – egal wo! – in Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadtgeschichte über ihre Schicksale. Am 4. September wollen die AG-Mitglieder an die Menschen erinnern und gemeinsam gedenken.

Eine bundesweite Terminübersicht zum Antikriegstag 2022 findet sich übrigens beim Netzwerk Friedenskooperative.

Updates Stand 26.08.2022

Warum wir keine „neue“ Friedensbewegung brauchen!

Die Entstehung der Friedenstaube. Archivfoto der Friedensdemonstration 2014 zur Ukraine (Foto: Andreas Jordan)

Anfang April kurz vor dem diesjährigen Ostermarsch, erhielt ich den Aufruf „Für eine neue Friedensbewegung gegen jede imperialistische Aggression!“ Darin fordert das Internationalistische Bündnis, das heißt MLPD & Freunde, eine „Front“ aufzubauen „um einen 3. Weltkrieg zu verhindern!“ Zugleich wird die bestehende Friedensbewegung diffamiert. So heißt es weit unten im Text: „Denn die alte Friedensbewegung ist gescheitert, weil sie sich überwiegend auf die Seite Russlands geschlagen hat.“

Ich kann mich noch gut an die Friedensbewegung der 1980er Jahre erinnern, die breit und bunt war und in der hunderttausende Menschen gegen die NATO-Nachrüstung demonstrierten. Die Motive und Weltanschauungen der Friedensbewegten damals waren unterschiedlich, und das war der Schlüssel für eine breite Bewegung. Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Pazifisten und viele andere unterschiedliche Menschen demonstrierten gemeinsam gegen die Politik der Nachrüstung, die die SPD mit Helmut Schmidt begonnen und die CDU mit Helmut Kohl fortgesetzt hatte.

Die Breite dieser Friedensbewegung ist verloren gegangen, heute ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden ehemaligen Machtblöcke NATO und Warschauer Pakt sich nicht mehr im geteilten Deutschland gegenüberstehen und viele Menschen hier sich nicht mehr direkt betroffen fühlen. Der Warschauer Pakt hat sich nach 1990 aufgelöst und die NATO sich nach Osteuropa ausgedehnt und zahlreiche ehemalige Staaten des Warschauer Paktes aufgenommen. Diese Politik wird aus den Reihen der Friedensbewegung aus verschiedenen Gründen kritisch gesehen. Daraus den Schluss zu ziehen, sie hätte sich überwiegend auf die Seite Russlands geschlagen und sei deswegen gescheitert, ist in doppelter Hinsicht falsch.

Abgesehen von diesem Detail, der die bestehende Friedensbewegung im Gleichschritt mit zahlreichen Mainstreammedien unter der Hand als „Putinversteher“ diffamiert und spaltet statt zusammenzuführen, bietet der gesamte Aufruf mit seinen ideologischen Scheuklappen und einer in Teilen antiqierten Sprache, die aus den Arbeiterkämpfen der letzten beiden Jahrhunderten stammt, keine Basis für eine breite und bunte Friedensbewegung im 21. Jahrhundert, sondern nur für eine der vielen Organisationen im Umkreis der MLPD, also für ihr selbstgewähltes Ghetto. Das ist schade, denn angesichts der bekannten und im Aufruf beschriebenen Entwicklung ist eine breite und bunte Friedensbewegung so nötig wie nur irgendwas.

Endlich wieder Ostfront!

„No war“ – Kein Krieg, eines der ältesten Transparente des Friedensforums Gelsenkirchen.

Nicht unerwartet werden die Teilnehmenden der diesjährigen Ostermärsche mit den alten Argumenten aus der Zeit des Kalten Krieges wahlweise als naiv oder „fünfte Kolonne Moskaus“ beschimpft. Wäre ich bösartig, würde ich annehmen, dass sich die Politikerinnen und Politiker, die gerade Waffenlieferungen und militärische Aufrüstung das Wort reden, froh sind, dass es endlich wieder eine Ostfront gibt, und dass dieses mal nicht wir bis zum letzten deutschen Soldaten in Stalingrad, sondern nur die USA ihren Stellvertreterkrieg bis zum letzten Ukrainer führen. Ich bin aber nicht bösartig, sondern nur wütend über die aktuelle Situation und trauere um die ukrainischen Flüchtlinge und Toten.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ sei zynisch, habe ich gelesen. Wo in aller Welt wurde denn mit Waffen Frieden geschaffen? In Afghanistan, wo sich die westlichen Armeen nach 20 Jahren überstürzt vor den Taliban zurückgezogen und ihre Ortskräfte im Stich gelassen haben? Im Irak, wo sich nach dem Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten die barbarische Terrorarmee „Islamischer Staat“ gegründet und einen Völkermord an den Jesiden verübt hat? In Libyen, in Syrien, im Jemen, in Georgien, in Mali, auf Zypern, in Vietnam, in Korea … Überall auf der Welt gibt es Brandherde, Kriege, die mit Waffen geführt und nicht beendet werden. Denn Waffen beenden keinen Krieg, mit Waffen werden Kriege geführt. Es braucht Politik, Diplomatie und die Anerkennung gegenseitiger Interessen, um zu einem Frieden zwischen Staaten und Kriegsparteien zu kommen.

Behauptet wird auch, die Friedensbewegung oder der Ostermarsch habe den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine nicht verurteilt. Natürlich wird dieser Angriff verurteilt, genauso wie alle anderen völkerrechtswidrigen Kriege. Allerdings bleiben die Menschen, die sich für den Frieden engagieren, nicht bei der Verurteilung stehen, sondern interessieren sich für die Hintergründe, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Es gibt viele Stimmen, die ganz klar sagen, dass die Ausdehnung der NATO auf das Gebiet des früheren Warschauer Paktes und der früheren Sowjetunion und die fehlende Schaffung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur unter Einschluss von Russland die Voraussetzungen für die jetzige Situation geschaffen haben. Die Abschätzigkeit, mit der Russland von Seiten der USA als Regionalmacht behandelt worden ist, war ebensowenig hilfreich.

Bereits 1997 äußerten mehr als 40 ehemalige Senatoren, Regierungsmitglieder, Botschafter, Abrüstungs- und Militärexperten gegenüber dem damaligen US-Präsidenten Clinton ihre Bedenken bezüglich der Osterweiterung der NATO. Der Historiker und Diplomat George F. Kennan beurteilte sie 1997 als verhängnisvollen Fehler, weil sie erwarten lasse, „dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden.“ 1999 schrieb der konservative US-Politiker Pat Buchanan: „Indem wir die NATO in den Vorgarten Russlands verschieben, treten wir die Konfrontation des 21. Jahrhunderts los. …. Wenn der wachsende Unmut in Russland dazu führt, dass Jelzin durch einen antiamerikanischen Nationalisten ersetzt wird, dann liegt die volle Schuld bei einer hochmütigen US-Elite, die ihr Bestes getan hat, um Russland zu demütigen.“ Man kann über die Wortwahl („Vorgarten“) streiten, die eine Sicht auf die Welt wiedergibt, die ich nicht teile, aber die Gefahr der dann durchgeführten Politik hat er klar benannt.

Die in den 1990er Jahren befürchtete Situation ist eingetreten. Wir haben es inzwischen mit einem autoritär regierten Russland zu tun, das seine selbst definierte Interessensphäre mit militärischen Mitteln vor einer befürchteten weiteren Ausdehnung der NATO schützt. Der Frieden, der 1990 in Sicht gewesen ist, ist in weiter Ferne gerückt.

„sofort aufhören“ – Nur scheinbar ein neues Transparent des Friedensforums Gelsenkirchen.

Quelle für die Zitate zur NATO-Osterweiterung: https://de.wikipedia.org/wiki/NATO-Osterweiterung