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Rede zum Ostermarsch 2021 in Gelsenkirchen

Susanne Franke beim diesjährigen Ostermarsch-Empfang im Stadtgarten Gelsenkirchen vor dem antifaschistischen Mahnmal.

Dokumentation der Ostermarsch-Rede von Susanne Franke, Schalker Fan-Initiative e.V., Schalker gegen Rassismus und Diskriminierung

Soziale Abrüstung
Es gilt das gesprochene Wort

Vielen Dank an das Friedensforum Gelsenkirchen dafür, dass ich diese Rede halten darf.
Dank noch mehr dafür, dass mich die Frage so sehr ans Nachdenken brachte.

1965 in Gelsenkirchen geboren, lief ich Anfang der 80er Jahre bei den Ostermärschen mit, mit meiner Schwester, meinem Schwager, mit Freunden. In der Zeit des „Kalten Krieges“ zwischen den zwei dominanten Blöcken Nato und Warschauer Pakt.

Im Kalten Krieg war das Thema Rüstung omnipräsent. Auch politisch nicht interessierte Menschen kannten Waffennamen, kannten die „Pershing“ und „Cruise Missile“. 1981 kam die Platte “Red Skies over Paradise” von Fischer Z raus, mit dem Song „Cruise Missiles“ und dem Titelsong, der wirklich die Sorge vieler junger Leute beschrieb: „Unten in ihren Bunkern unter dem Meer drücken die Männer die Knöpfe, denen ich völlig egal bin.“

Die große Bewegung, Bewegung auch im wörtlichen Sinn, die die internationale Rüstungspolitik in Deutschland auslöste, gibt es jetzt nicht mehr. Und das nicht, weil das Thema keine Relevanz mehr hätte. Der Aufruf zum Ostermarsch benennt ja die Problemfelder klar, zum Beispiel, in welchem Verhältnis der Militäretat zum Gesundsheitsetat steht, dass der UN-Atomwaffenverbotsvertrag nicht unterzeichnet ist, oder dass natürlich Rüstung und Klimawandel etwas miteinander zu tun haben.

Wie sich die „Eindeutigkeit“ der gemeinsamen Ziele (wenn auch nicht der gemeinsamen Mittel) in den 80er aufgefächert hat, zeigt der Aufruf auch: Er reicht vom Widerstand gegen die Hochrüstung bis zu dem gegen rechte Ideologien und Organisationen. Die sind die auch in Gelsenkirchen immer wieder sichtbar und aktiv, wenn auch nicht dominant.

All dies bringt jetzt keine Zehntausende (oder gar Hunderttausende) in die Diskussion – und auch nicht auf die Straßen. Die gesellschaftspolitische Entwicklung und Dynamik hinter dieser Veränderung kann ich nicht angemessen analysieren, nur den Faden der persönlichen Reflexion wieder aufnehmen. Während ich also zum ersten Mal seit langem wieder für eine Veranstaltung der Friedensbewegung in Gelsenkirchen bin, bin ich regelmäßig als Aktive der Schalker Fan-Initiative hier.

Die wurde 1992 als „Schalker gegen Rassismus“ gegründet, um das Parkstadion zur „nazifreien Zone“ zu machen, und um die rassistischen Gesänge gegen Spieler zu verbannen. Das Zeitgefühl der frühen 90er spiegelt sich in den Unwörtern des Jahres:
1991 ausländerfrei
1992 ethnische Säuberung
1993 Überfremdung
Und das waren nicht nur Worte, das waren auch Taten – die rechtsextremen Angriffe gegen eingewanderte Menschen und Asylbewerber nahmen zu. Wir alle erinnern uns Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen.

Der meist verbalen aggressiven Ausgrenzung in den Stadien wollten die Aktiven der Fan-Initiative ein Wir entgegenstellen. Ein Wir, dass Fans jeder Herkunft einschliesst. Zumindest mal in der Schalker Fanszene. Und, so die weiteren Ziele: Mit möglichst viel kommunikativer Ausstrahlung in die Medien, Wirkung in die Stadt, und in andere Fanszenen.

Der Start war fast einfach: Eine Entscheidung, ein Name, ein Logo, ein Banner – die öffentlichen Auftritte der Schalker gegen Rassismus, ihre Aussagen und Flugblätter brachten viel mediale Aufmerksamkeit und nach und nach auch die Unterstützung von Spielern, und Bürgern der Stadt Gelsenkirchen. Es wurde klar, wie viel mehr Themen dazu gehörten. Und natürlich, wie sehr der respektvolle Umgang untereinander eine klare Haltung gegen Sexismus beinhalten muss, auch beim Bier im Stadion. Wie viel dafür selbst heute noch zu tun ist, hat das Programm hier in Gelsenkirchen um die Wanderausstellung „fan.tastic females“ gezeigt: Alle Frauen im Austausch kannten dumme und dennoch schmerzhafte (mindestens) verbale Übergriffe. Also arbeitet auch in diesen Wochen eine Gruppe von Frauen aus der Fanszene und der Geschäftsstelle des Vereins miteinander an Ideen und Maßnahmen für Gleichstellung.

Nur mit Partnern konnte die Fan-Initiative dann wirklich nachhaltig und vielfältig werden. Viele davon kennen wir aus dem Fußballumfeld, wie das Fanprojekt oder andere Fanorganisationen.

Andere, nicht so „typische“, fanden wir in der Stadt, und wir sind sehr dankbar dafür. So wie „The Point“, das schwul-lesbische Jugendzentrum in Gelsenkirchen. Vor 15 Jahren gab es wenig Problembewusstsein, wenn immer wieder Beschimpfungen wie „schwule Sau“ gerufen wurden. (Einige haben’s ja heute noch nicht verstanden…) Im Oktober 2006 begann die Zusammenarbeit mit der Posteraktion „Out auf Schalke. Schwule und Lesben gibt es in jedem Stadion“. Wieder einmal fanden wir Unterstützung, und konnten die Aktion zum Beispiel vor einem Heimspiel im Stadion präsentieren.
Wie wichtig das Thema aber war, zeigte die Tatsache, dass das Aktionsplakat geändert werden musste. Die Mutter einer Minderjährigen stimmte der Veröffentlichung nicht zu, aus Sorge um die Reaktionen ihres sozialen Umfeldes. Ihre Entscheidung brachte uns in logistische Nöte – und hatte natürlich unser volles Verständnis.

Auch die Jüdische Gemeinde ist ein wichtiger Partner für die Fan-Initiative, mit vielen guten gemeinsamen Veranstaltungen. 2011 waren viele Menschen überrascht, die Wanderausstellung „Tatort Stadion“ in der Synagoge zu besuchen. Und viele davon waren noch nie in einer Synagoge gewesen, und freuten sich – neben der Ausstellung selbst – über die Offenheit der Gemeinde, die Nähe und die Informationen.

Nicht übereinander, sondern miteinander reden galt auch für die Begegnungen mit geflüchteten Menschen in Gelsenkirchen. Mit dem Fanprojekt wurde zweimal „The world is cooking“ veranstaltet, bei dem geflüchtete Menschen für Gäste kochten, und ins Gespräch kamen. Fußball spielten wir natürlich auch miteinander.

Unsere Aktivitäten wissen um die Begrenzung ihrer Reichweite, und verstehen sich nicht als klassische Friedensarbeit. Im guten Fall bilden sie die Basis dafür, gemeinsam Kraft für die großen Themen zu entwickeln.

Und so freue ich mich, heute in meiner Heimatstadt mit dem Aufruf zum Ostermarsch sagen zu dürfen:
Den menschenfeindlichen Umtrieben von AfD, der NPD, PEGIDA und der RECHTEN, von Identitären und Reichsbürgern stellen wir uns entgegen!

Glück auf,
und friedliche Ostern.

Schalker Fani-Ini mit zerschmetterten Hakenkreuzen.

Spontane Kundgebung des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung

Aktionsbündnis vor dem Hans-Sachs-Haus am Wahlabend.

Am Wahlabend versammelten wir uns mit rund 80 Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener vor dem Hans-Sachs-Haus um gegen den Rechtsruck in Europa zu demonstrieren. Zum Glück sind unsere schlimmsten Befürchtungen nicht wahr geworden. So hatte die AfD bundesweit nicht, wie einzelne vor der Wahl vermuteten, 15 oder 20 Prozent erreicht, sie hatte nicht einmal das Ergebnis der letzten Bundestagswahl erzielt. Doch auch 11 Prozent sind 11 Prozent zuviel! So haben sich genügend Leute zusammengefunden, um ihren Unmut über das Ergebnis der AfD zum Ausdruck zu bringen. Auch in Gelsenkirchen konnte die AfD ihr Ergebnis der Bundestagswahl nur knapp halten, statt 17 Prozent kam sie auf 16,4 Prozent.

Diese Kundgebung war zugleich die letzte und eine spontane Veranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Aktionswochen für ein friedliches, demokratisches und weltoffenes Europa“ des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung. Vom 8. Mai 2019, dem Tag der Befreiung Europas vom Faschismus, bis zum 26. Mai 2019, dem letzten Tag der Wahl zum Europaparlament haben wir mit verschiedenen Veranstaltungen einen Bogen zwischen den beiden Ereignissen gespannt und ermuntert, zur Wahl zu gehen und nicht die AfD zu wählen. Unsere Position fasst die Bündnisrede zusammen, deren Redemanuskript ich hier dokumentiere. Es gilt wie immer das gesprochene Wort.

„Wir haben uns heute versammelt, um unseren Unmut über die heutigen Wahlen zum EU-Parlament auszudrücken. Die AFD ist laut aktueller Hochrechnungen mit 11% in das EU-Parlament eingezogen. In Gelsenkirchen konnten sie sogar 16,4% erreichen.
Die AFD hat es damit unter dem Deckmantel einer angeblich alternativen Politik geschafft ihren Einfluss im EU Parlament weiter zu vergrößern und können so ihre menschenfeindlichen Scheinlösungen in Brüssel einbringen. Damit droht das politische Klima in Europa 74 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz wieder deutlich nach rechts zu rücken.
Wir sehen unsere heute selbstverständlichen Freiheiten durch diesen Wahlausgang bedroht. Bedroht durch die menschenverachtende Politik rechtspopulistischer, rassistischer und faschistischer Parteien und Bewegungen. Rechte Gruppierungen in ganz Europa nutzen die alltäglichen Sorgen und die oft verständliche Unzufriedenheit vieler Menschen mit der aktuellen Politik, um erneut die gleichen reaktionären Inhalte von „damals“ zu predigen: Ausgrenzung fremder oder unangepasster Teile der Bevölkerung, Hass auf Arme und vermeintlich schwächere, Abbau von Arbeitnehmer*innen, Fokussierung auf Rüstung und Krieg statt auf friedlichen Austausch, Verständigung und Klimaschutz.
Wir als Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung wollen uns auch in Zukunft wehren und es nicht hinnehmen, dass in Europa und auch in unserer Stadt ein Klima der ethnischen oder sozialen Ausgrenzung und des Fremdenhasses herrscht und mit den gleichen furchtbaren Parolen wie früher versucht wird die Politik der Zukunft zu gestalten.
Wir werden uns auch in Zukunft aktiv gegen Ausgrenzung und Fremdenhass stellen, rechte Aktivitäten nicht unkommentiert lassen und für eine Gesellschaft eintreten, die frei, offen und solidarisch ist, so dass alle Menschen ohne Angst leben können.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“

Dem ist nichts hinzuzufügen.  – Wir sehen uns demnächst wieder!

„Damit Vergangenheit nicht Zukunft wird!“

Ein altes, aber noch immer aktuelles Transparent der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, hier von jungen Antifaschisten durch die Essener Innenstadt getragen. (Foto: Thorsten Jannoff)

Eine beeindruckende Gedenkveranstaltung, die nicht in der Vergangenheit stehen blieb, sondern auch die Gegenwart in den Blick nahm, fand heute Abend in der Essener Innenstadt statt. Rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren dem gemeinsamen Aufruf von vier Institutionen, dem antirassistischen und antifaschistischen Bündnis „Essen stellt sich quer“, der Alten Synagoge Essen, dem Schauspiel Essen (Grillo-Theater) und der VVN-BdA gefolgt. Die Veranstaltung stand unter dem Motto: „80 Jahre Pogromnacht – Nie Wieder! Damit Vergangenheit nicht Zukunft wird!“

Die Veranstaltung begann um 18 Uhr auf dem Edmund-Körner-Platz neben der Alten Synagoge Essen mit Reden von Sonja Neuhaus für „Essen stellt sich quer“ und dem Leiter der Alten Synagoge, Uri Kaufmann. Von hier aus führte die Gedenkdemonstration durch die bereits geschmückte Essener Innenstadt zum Theaterplatz (Grillo-Theater), wo die Abschlusskundgebung stattfand. Hier betonte Christian Tombeil, Intendant des Schauspiel Essen, die Freiheit der Kunst und stellte die „Erklärung der Vielen“ vor.

Die Rednerinnen und Redner schilderten schlaglichtartig die historischen Ereignisse und zeigten gefährliche Parallelen in unserer Gegenwart auf. In mehreren Reden wurde Bezug auf aktuelle Umfrageergebnisse über wachsende rechtsextreme Einstellungen genommen. Der Schwur von Buchenwald wurde ebenso zitiert wie Auszüge aus Bertolt Brechts Rede für den Frieden vorgetragen wurden.

Joshi Stiegle, Schüler des Maria-Wächtler-Gymnasiums, berichtete über Eindrücke von Besuchen an den von den Nazis errichteten Vernichtungsorten im damals Deutsch besetzten Polen und rief dazu auf, die Vergangenheit nicht zu vergessen. Zum Abschluss sprach Rosel Vadehra-Jonas für die VVN-BdA (Redetext weiter unten ergänzt).

Bemerkenswert fand ich, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gedenkveranstaltung, übrigens eine bunte Mischung von jung und alt, bis zum Schluß blieben und aufmerksam den Rednerinnen und Rednern folgten. Die Kundgebung endete gegen 19.30 Uhr und die Veranstaltung löste sich nur sehr langsam auf. Fast schien es mir, als sollte der Widerstand gegen den aufkommenden Rechtsextremismus gleich beginnen.

Die Alte Synagoge Essen als Kundgebungsort zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 – hier am 09. November 2017.

Zum 09. November 2018 – 80 Jahre Reichspogromnacht
von Rosel Vadehra-Jonas (VVN-BdA)

Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

mit der heutigen Veranstaltung wollen wir erinnern und mahnen.

Wir erinnern an das Judenpogrom in unserem Land im November vor 80 Jahren, an die Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger und jüdische Einrichtungen, Synagogen, Geschäfte und private Wohnungen. Wir wollen an die Opfer erinnern und Ihrer gedenken. Allein im Zusammenhang mit den Ausschreitungen vom 7. – 10, November 1938 wurden in Deutschland nach Schätzungen von Historikern 1.300 – 1.500 jüdische Menschen umgebracht oder in den Tod getrieben und rund 30.000 in Konzentrationslager verschleppt.

Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war der vorläufige Höhepunkt einer unfassbaren Entwicklung. Ihre Bilanz waren rund 6 Millionen grausam ermordeter Jüdinnen und Juden und ein Krieg, der mehr als 50 Millionen Menschenleben forderte.

Diese unheilvolle Entwicklung hatte eine Vorgeschichte. Sie begann bereits in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem rasanten Anwachsen einer neugegründeten rechtsextremen Partei. Diese Partei, die NSDAP, wurde zunächst nicht erst genommen; am allerwenigsten ihr Führer. Doch sie schaffte es mit Demagogie, mit populistischen Phrasen und Versprechungen, Wähler zu beeindrucken. Dabei scheute sie vor Gewalt nicht zurück. Ich erinnere an die organisierten Aktionen der SA seit den zwanziger Jahren, an die von ihr provozierten Saalschlachten und Straßenkämpfe mit politischen Gegnern. Es war die gleiche SA, mit deren Hilfe 1933 der Boykott jüdischer Geschäfte, Kanzleien und Arztpraxen durchgesetzt wurde und die aktiv an den Ausschreitungen im November 1938 mitwirkte.

Als Sündenböcke für die desolate Lage der Bevölkerung während der Weltwirtschaftskrise wurden damals von der neuen Partei der Marxismus und das internationale Judentum angeprangert und zu Feindbildern gemacht.

Heute haben wir in Deutschland wieder eine neu rechtsextreme Partei, die innerhalb kurzer Zeit in den Bundestag und in alle Landtage einziehen konnte, während die etablierten Parteien das Vertrauen vieler Wähler verlieren.

Mit populistischen Parolen, die teilweise dem Nazijargon entliehen sind, geht sie auf Stimmenfang. Opfer des Naziregimes werden verunglimpft. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin wurde als Denkmal der Schande bezeichnet. Erst kürzlich wurde Graf Staufenberg, einer der führenden Persönlichkeiten beim Attentatsversuch auf Hitler, als Feigling beschimpft.

Im Bundestag hat die AfD als stärkste Fraktion der Opposition inzwischen ein Forum, das es ihr ermöglicht, ihre Parolen medienwirksam zu verbreiten. Ich erinnere an Begriffe wie Kopftuchmädchen und messerstechende Männer im Zusammenhang mit der Debatte um Zuwanderung. Gestern im Bundestag hetzt die AfD, aus dem Nationalstaat solle eine Siedlungsgebiet für Einwanderer aus allen Krisengebieten der Welt gemacht werden.

In den letzten Jahren hat sich etwas verändert in unserem Land. Die Parallelen zu den zwanziger Jahren sind erschreckend.

Antisemitische Ausschreitungen gab es im Nachkriegsdeutschland leider immer wieder. Jetzt sind neue Feindbilder dazu gekommen: die Migranten und der Islam. Heute haben Menschen in Deutschland wieder Angst vor Xenophobie, Antisemitismus und Rassenhass.

Heute gibt es wieder martialische Aufmärsche von Rechtsextremisten bei denen der Hitlergruß gezeigt wird. Mit Slogans wie ‚Deutschland den Deutschen. Ausländer raus. ‘ wird Rassenhass geschürt.

Der Brandanschlag von Solingen und die Morde des NSU machen deutlich, dass sich der Hass nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen Menschen richtet, die vor Jahrzehnten als Arbeitskräfte angeworben wurden, und die seitdem hier arbeiten, Steuern zahlen, in die Sozialversicherung einzahle, ihren Kindern eine qualifizierte Ausbildung ermöglichen, d.h. gegen Menschen, die in unsere Gesellschaft integriert sind – so wie vor 1933 die Juden in Deutschland.

Weitgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit gibt es in einer Reihe von Städten rechte Kampfsportclubs, in denen junge Männer darin trainiert werden, einen Gegner mit körperlicher Gewalt auszuschaltet. Die Regeln sportlicher Fairness bleiben dabei außer Acht. (Vgl. Monitor vom ?.10.2018). Was könnte geschehen, wenn diese Leute Aufzüge von Rechtsextremen begleiten und sie ihre Kräfte an Gegendemonstranten messen würden!

Besorgniserregend ist, dass Menschen, deren Aufgabe es sein sollte, die Demokratie zu schützen, Mitglieder des Verfassungsschutzes oder der Polizei, an rechtsextremen Aufmärschen mitwirken – nicht etwa als Ordnungskräfte oder als verdeckte Ermittler, sondern als Sympathisanten der Veranstalter oder auch als ein aktives Mitglied der AfD. (FAZ vom 21.09.2018)

Der inzwischen in den einstweiligen Ruhestand versetzt Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat in diesen Tagen in seiner aufschlussreichen Abschiedsrede vor den Chefs aller europäischen Inlandsgeheimdienste gezeigt, welcher Geist beim Verfassungsschutz vorherrscht. Er sprach von ‚linkradikalen Kräften in der SPD‘, von
‚Falschberichterstattung‘, die Meldungen über eine Hetzjagd auf Ausländer in Chemnitz seien frei erfunden. (Spiegel Online,05.11.18)

Als 1938 die Synagogen brannten hat die Bevölkerung tatenlos zugesehen. Viele haben Beifall geklatscht. Zu Recht fragen sich Nachgeborene: Wie war das möglich? Darauf gibt es eine Antwort: Die Menschen in Deutschland waren entweder überzeugte Nazis oder willfährige Mitläufer. Oder aber sie schwiegen aus Angst vor Verfolgung.

Hitler wurde am 30. Januar zum Reichskanzler ernannt. Bereits nach wenigen Tagen begann der Terror gegen alle, die sich den Nazis widersetzten. Im Februar 1933 gab es die ersten Massenverhaftungen. Eine Anmerkung am Rande: Auch meine Mutter gehörte zu denjenigen, die damals verhaftet wurden. Ohne Begründung, ohne rechtsstaatliches Verfahren, ohne Urteil war sie 4 Wochen lang inhaftiert.

1933 wurden die ersten Konzentrationslager errichtet. Die ersten, die diese Lager füllten, waren die politischen Gegner des Naziregimes; unter ihnen auch ein Bruder meiner Mutter, den man im Alter von 19 Jahren in das KZ Breitenau bei Kassel verschleppte. So wurde die Bevölkerung eingeschüchtert.

1938 war die Opposition in Deutschland ausgeschaltet. Die Gegner des Regimes – soweit sie noch am Leben waren – befanden sich entweder im Zuchthaus, im KZ oder in der Emigration. In Abwandlung eines bekannten Spruchs von Martin Niemöller kann man sagen: Als die Synagogen brannten, war keiner mehr da, der protestiert hätte.

Heute ist unsere Demokratie wieder in Gefahr. Erst vorgestern wurde eine Studie der Universität Leipzig vorgestellt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung zunimmt und dass rechtsextreme Gruppen verstärkt in der Öffentlichkeit auftreten. (ARD Tagesschau; 07.11.2018, 20.00 Uhr)

Politik, Behörden und Justiz müssen handeln und mit allen verfügbaren Mitteln der bedrohlichen Rechtsentwicklung Einhalt gebieten.

Die NPD wurde vom Verfassungsgericht nicht verboten, weil sie so unbedeutend sei. Dieses Argument kann heute nicht mehr gebracht werden angesichts der Wahlergebnisse der AfD und des Zulaufs von Pegida und ähnlichen Gruppen. Es genügt nicht, von Wutbürgern zu sprechen und Verständnis zu zeigen für die Sorgen der ‚normalen‘ Bürger, die sich rechtsradikalen Aufmärschen anschließen), Auch die Nazis kamen legal an die Macht. Volksverhetzung und das Zeigen von Nazisymbolen oder des Hitlergrußes sind strafbare Handlungen, die geahndet werden müssen.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen, dass kriminelle Delikte – von wem auch immer sie begangen werden – ohne Wenn und Aber zu bestrafen sind. Sie dürfen aber keineswegs zu einer pauschalen Verurteilung aller Migranten missbraucht werden.

Im Zusammenhang mit der Debatte um Flüchtlinge und Asylrecht sollten wir gerade heute, am Jahrestag der Reichspogromnacht daran erinnern, dass zahllose Deutsche nur deshalb die Zeit des Naziterrors überleben konnten, weil es ihnen gelang, ins Ausland zu fliehen und dort Aufnahme fanden.

Mit unserer heutigen Zusammenkunft wollen wir erinnern und mahnen. Wir wollen unsere Besorgnis über die zunehmende Intoleranz in Deutschland zum Ausdruck bringen. Wir wollen Stellung beziehen gegen Antisemitismus, Xenophobie, Rassismus, Dabei sollten uns die Menschen, die sich einst dem Naziregime entgegenstellten, Vorbild sein.

Rosel Vadehra-Jonas wurde 1940 in Dörnigheim am Main geboren, sie ist Diplom-Volkswirtin und war bis 1977 als Dozentin in der Erwachsenenbildung des DGB tätig. Sie hat zwei Kinder und wohnt in Essen. Ihre Familie wurde von den Nazis verfolgt. Fünf nahe Angehörige wurden inhaftiert, die Mutter u.a. im KZ Ravensbrück, ein Onkel im KZ Breitenau und im KZ Buchenwald, danach kam er „zur Bewährung“ ins Strafbataillon 999. Von 1990 bis 1994 war Rosel Vadehra-Jonas Bundessprecherin der VVN-BdA und von 1997 bis 2007 Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V., wo sie sich auch heute noch engagiert.

Stolpersteine für die Familie Nussbaum verlegt

Im Gedenken wieder vereint: Stolpersteine für die Familie Nussbaum vor der Hildegardstraße 21.

– Wortbeitrag von Knut Maßmann während der Verlegung –

Die Eheleute David und Malka Nussbaum stammten aus Galizien, dem Teil Polens, der bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Österreich-Ungarn gehört hatte. David Nussbaum wurde am 25. Mai 1901 in Rozniatow geboren, Malka Nussbaum, geborene Rechtschaffen am 14. Mai 1903 in Pacykow.

Mit der Wiedergründung eines unabhängigen polnischen Staates wurden sie aufgrund ihres Geburtsortes polnische Staatsbürger. Galizien war eine bitterarme Region. Aufgrund von Armut und Diskriminierung hatten zahlreiche Juden das Land in Richtung USA verlassen. Ein kleiner Teil wandte sich nach Deutschland, darunter jene, die nicht genügend Geld für die Reise nach Übersee besaßen.

Wir wissen nicht, was die Eheleute nach Gelsenkirchen führte. Wir wissen, dass sie hier lebten und in unserer Stadt ihre drei Kinder geboren wurden: am 27. November 1928 die älteste Tochter Ruth, am 21. November 1930 der Sohn Siegfried und am 2. Oktober 1937 als jüngstes Kind Mirjam.

Das Haus Hildegardstraße 21 – der letzte frei gewählte Wohnort der Familie Nussbaum..

Vater David Nussbaum und die jüngste Tochter Mirjam wurden im Rahmen der sogenannten „Polenaktion“ 1938 nach Polen ausgewiesen. Dabei wurden innerhalb von 3 Tagen rund 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit im gesamten Deutschen Reich verhaftet und nach Polen abgeschoben. Auslöser war eine Änderung des polnischen Passgesetzes, mit dem Polen die im Ausland lebenden jüdischen Staatsbürger auszubürgern beabsichtigte.

In Gelsenkirchen betraf die Aktion rund 80 jüdische Menschen jeden Alters.

Die größte Anzahl wurde über den Grenzübergang Bentschen/Zbazyn nach Polen abgeschoben, wo die überforderten polnischen Behörden sie zunächst in Eisenbahnwaggons festgehalten und in ehemaligen Kasernen und Ställen untergebracht haben. Zeitzeugen berichten von chaotischen Zuständen.

Nach diplomatischen Verhandlungen zwischen Nazi-Deutschland und Polen durften die Ausgewiesenen noch einmal an ihren früheren Wohnort zurückkehren um mit ihren Familien, persönlichen Gegenständen, evtl. der Wohnungs- oder Werkstatteinrichtung nach Polen auszureisen. Die Kosten mussten die Betroffenen selbst tragen.

Die heute nicht mehr vorhandene Wasserstraße mündete etwa hier in die Bismarckstraße. Das Haus mit der Nummer 16 befand sich unweit der Einmündung und wurde vermutlich im Krieg zerstört.

Vermutlich im Zusammenhang damit steht ein Umzug der Familie. Am 17. Juni 1939 zogen sie in die Wassergasse 16 um. Die Straße lag früher zwischen Paulinenstraße und Liboriusstraße und führte von der Kronprinzenstraße (das ist heute die Dresdener Straße) zur Bismarckstraße. Sie war noch bis 1955 in den Adressbüchern verzeichnet und ist heute überbaut.

Warum die Ausreise nach Polen im Fall der Familie Nussbaum nicht geschehen ist, wissen wir nicht. Vermutlich hat der Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 die Ausreise der Familie verhindert.

Was wir wissen ist, dass David Nussbaum nach einem Erlass vom 9. September 1939 in sogenannter „Schutzhaft“ genommen wurde und ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht wurde. Dort verstarb er am 9. Juni 1940, keine 40 Jahre alt, an einer Lungenentzündung.

Florastraße 84, hier wurde 2009 ein Stolperstein für Regine Spanier verlegt, einer der ersten Stolpersteine in Gelsenkirchen.

Am 30. August 1940 müssen Malka Nussbaum und ihre drei Kinder Ruth, Siegfried und Mirjam in ein sogenanntes „Judenhaus“ umziehen, in dem die Nazis vor Deportation und Vernichtung die jüdische Bevölkerung auf engem Raum konzentrierte. Sie ziehen in das Haus der Familie Spanier, Franz-Seldte-Strasse 84 (das ist heute Florastrasse 84) und leben Briefen zufolge in deren Wohnzimmer.

Die Familie Nussbaum findet Erwähnung in einem Brief der Tochter von Regina Spanier. Gertrud Reifeisen schreibt am 20. August 1940 in einem Brief an ihre Tochter Ilse, die mit einem der Kindertransporte nach Schweden reisen konnte und so überlebte: „… Du kennst ja wohl noch die Ruth Nussbaum. Der Mann war ja mit Vati zusammen fort und ist gestorben. Also die Frau mit den 3 Kindern ziehen zu uns in die Wohnung. Das kleinste Mädelchen ist 3 Jahre alt, und ein niedliches Kind. Es ist ja nicht sehr angenehm für Oma, denn die Unruhe wird groß werden, aber es lässt sich nicht ändern.“

Noch in zwei weiteren Briefen findet die Familie Nussbaum Erwähnung. Am 2. September 1940 schreibt Gertrud Reifeisen: „… Ruth und Siegfried sind ja große Kinder und machen wenig Unruhe, aber die kleine Mirjam ist – wie alle kleinen – sehr unruhig. Und außerdem fehlt uns der Raum sehr …“ Am 12. Dezember 1940 schreibt sie über die wohltuende Ruhe, da die kleine Mirjam mit einer harmlosen Nierenerkrankung seit 14 Tagen im Krankenhaus liege.

Waggon der Deutschen Reichsbahn. Hier ein Ausstellungsstück in der Gedenkstätte Radegast, Lodz.

Am 27. Januar 1942 werden Malka Nussbaum und ihre drei Kinder wie weitere rund 360 Juden aus Gelsenkirchen mit dem ersten Sammeltransport in das Ghetto Riga deportiert, nachdem sie zuvor in der Ausstellungshalle am Wildenbruchplatz zusammengepfercht worden waren. Der Zug der Deutschen Reichsbahn (heute Deutsche Bahn AG) fuhr in Gelsenkirchen vom Güterbahnhof ab und erreichte Riga am 1. Februar 1942.

Im Ghetto Riga lebten auf engstem Raum zuerst lettische Juden, nach ihrer Ermordung Juden aus Deutschland. Fast alle wurden im Ghetto, in den angrenzenden Wäldern oder benachbarten Konzentrationslagern von deutscher und lettischer SS ermordet.

Malka Nussbaum und Ihre Tochter Ruth wurden spätestens Anfang November 1943 im Zuge der Auflösung des Ghettos ermordet. Für die beiden jüngsten Kinder, Siegfried und Mirjam, ist als „Todesort“ nicht das Ghetto Riga, sondern „Riga-Jungfernhof, Außenlager Ghetto Riga“ angegeben. Dabei handelt es sich um ein drei bis vier Kilometer von Riga entferntes heruntergekommenes Gut mit Gutshaus, Scheunen, Baracken und Viehställen beim Dorf Jumpravmuiža.

Heute führen wir die Familie im Gedenken wieder zusammen.

„Deutsche Großmachtträume platzen lassen!“

Ulli Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, spricht auf dem Ostermarsch Rhein Ruhr 2017 am Mahnmal für die Opfer des Faschismus.

Dokumentation der Rede zum Ostermarsch 2017 in Gelsenkirchen        
Von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA

„Schon einmal hat man dem deutschen Volk den Vorwurf gemacht, geschwiegen zu haben, wo mutige Worte und Taten notwendig waren. In den Konzentrationslagern – wie Bergen-Belsen – kamen Millionen Menschen ums Leben. Bei Fortsetzung der Versuchsexplosionen und der atomaren Aufrüstung aber drohen der gesamten Menschheit Vernichtung. Dieser Gefahr gilt es durch eine unüberhörbare, totale Absage an alle Atomkriegs-Vorbereitungen in Ost und West zu begegnen.“

So lautete der Aufruf zum ersten deutschen Ostermarsch der Atomwaffengegner, der vor 1960 von Hamburg zum Raketenübungsplatz bei Bergen-Belsen führte. Ich war einer der Mitorganisatoren. Ich freue mich, heute hier sprechen zu dürfen. Der Ostermarsch war immer ein Marsch für den Frieden, wie einer fürs Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges, so wie heute auch an dieser Gedenkstätte. Wir ehren hier die unzähligen Opfer, und bekräftigen: Nie wieder!

Unser Ostermarsch hat sich stets vor allem an die Verantwortlichen im eigenen Land gewandt und die Verantwortung von uns Deutsche betont. Angesichts der heutigen Regierungspolitik mit dem Plan, die Rüstung zu verdoppeln, um Deutschlands führende Rolle zu betonen und die EU zur von Deutschland dominierten Militärmacht umzubauen, sagen wir: Die deutschen Großmachtträume platzen lassen!

Nach der Befreiung von Krieg und Faschismus im Mai 1945 wurde das Völkerrecht neu geschrieben. Es gilt noch heute – wird aber ständig gebrochen, wie jetzt mit US-Marschflugkörpern, die in Syrien einschlugen. Ein unaufgeklärtes abscheuliches Kriegsverbrechen wurde genutzt als Vorwand zur abscheulichen gefährlichen Eskalation.

Diese ungeheure gefährlich Eskalation des Krieges wurde von der Kanzlerin und dem Außenminister wie der Verteidigungsministerin begrüßt.

Ist das gemeint, wenn die Kanzlerin von der Beseitigung der Fluchtursachen spricht? Die Hauptursache für die Flüchtlingsströme – das sind die Kriege. Und nun wird sich das Leid und die Zahl der Flüchtlinge vergrößern, wie die Bereitschaft zur Hilfe durch das offizielle Deutschland und durch die EU immer mehr abnimmt. Das ist äußerst bedauerlich.

Frau Merkels Zustimmung zu Marschflugkörpern ist nicht neu. Heute knüpft sie an ihr kriegerisches Konzept an, das sie auf der Münchner sog. Sicherheitskonferenz im Jahr 2004 verkündete:

“Um die Politik anderer Nationen zu beeinflussen, um den Interessen und Werten der eigenen Nation zu dienen, müssen alle Mittel in Betracht gezogen werden, von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.“

Bundesregierung und Bundespräsident erzählen der Öffentlichkeit, dass die Politik des amerikanischen Präsidenten Trump größere Anstrengungen Europas – und besonders Deutschlands – für die “Sicherheit” erfordert. Die Menschen sollen denken, die Regierung sei besorgt wegen der abenteuerlichen Politik Trumps. Das trifft aber nicht zu. Trumps Forderung nach mehr Rüstung der europäischen NATO-Staaten, wird als Steilvorlage angesehen, um die bereits im 2016 vorgestellten „Weißbuch“ der Bundeswehr angekündigten umfassenden Aufrüstungsprojekte der Großen Koalition offensiv umzusetzen. Beide Bundespräsidenten, der alte wie der neue, forderten, dass Deutschland „größere Verantwortung“ für die militärische Stärke des Westens übernimmt. Das bedeutet Krieg.

1945/46 als das neue Völkerrecht geschrieben wurde, hieß es: Wir wollen den „Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit“, wie es im Schwur von Buchenwald hieß, und wir wollen die Verpflichtung Deutschlands zum Frieden, denn in der völkerrechtlichen Festlegung der Potsdamer Konferenz der alliierten Siegermächte heißt es: „Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören.“

Die politische Entwicklung muss uns alle zum Handeln, zum Widerstand gegen Kriegsbeteiligung und weitere Aufrüstung veranlassen.

Auch die innenpolitische Entwicklung ist alarmierend. Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugunsten der klar als faschistisch erkannten NPD haben wir eine faktische Legalisierung einer NSDAP-Nachfolgepartei. Mit dem Spruch von Karlsruhe wird den braunen Schlägern und Brandstiftern viel Ermunterung zuteil. Mit den Bewegungen wie Pegida und AfD haben wir eine massenhafte Entwicklung hin zu einer den Faschismus unterstützenden Tendenz. So etwas gab es auch in den zwanziger Jahren, und 1933 bildete Hitler dann seine Regierung zusammen mit nur drei Nazis und acht Ministern aus völkisch-konservativen Kreisen.

Jetzt lese ich in der „Welt“, man müsse Frau Petrys Strömung in der AfD stützen, dann könne diese bei künftigen Koalitionen mitwirken.  Nächste Woche wollen Antifaschisten, Demokraten und Antirassisten in Köln massenhaft gegen den AfD-Parteitag angehen – wir sollten diesen Protest unterstützen.

Wir befinden uns in der Zeit des Wahlkampfes zum Landtag in Düsseldorf. Das Schweigen über die Tatsache, dass NRW zum hauptsächlichen Aufmarschgebiet für sehr aktuell drohende Kriege gemacht wird, ist im Wahlkampf und darüber hinaus zu brechen.

Auch in NRW, in Kalkar und Uedem am Niederrhein werden die Cyber- und Drohnenkriege geplant. Eine neue Teilstreitkraft soll es ermöglichen, Kriege zu führen und zu gewinnen – so ein ehemalige Nato-Kommandeurs aus USA, Breedlove.

Kalkar ist ein gefährlicher Ort. Aber auch die anderen militärischen Einrichtungen in NRW, so die in Münster und Dülmen. Von Münster sind tausend deutsche Soldaten und Soldaten anderer NATO-Staaten unter deutscher Führung nach Litauen geschickt worden, ran an die russische Grenze. „Speerspitze“ nennt sich das. Dort wurden sie vom Oberbefehlshaber der streng auf Kalten Krieg und Feindschaft gegen Russland ausgerichteten litauischen Armee mit den Worten empfangen: „Wir schaffen jetzt die Strukturen für die Zeit des Krieges.“

Wir sagen: Wir wollen keine Strukturen des Krieges. Die NATO-Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen sind zu beseitigen. Dafür sollten sich die Landtagsabgeordneten einsetzen. Wir regen an, sich in der Arbeit für den Frieden an unserer. Landesverfassung zu orientieren. Artikel 7 der Landesverfassung verlangt die Erziehung „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung”. Deshalb: Der Kooperationsvertrag der Landesregierung mit der Bundeswehr muss gekündigt werden. Die Bundeswehr soll auch nicht in Hochschulen, Schulen, Arbeitsagenturen, Ausbildungsmessen und Jobcentern werben dürfen. Forschung an Hochschulen zu Rüstungszwecken ist zu verbieten, Zivilklauseln an allen Bildungseinrichtungen sind verbindlich einzuführen.

Zu diesen Wahlen verlangen wir, dass die Verfassung ernst genommen wird. Artikel 26 und 27 der NRW-Landesverfassung gebieten die Entmachtung der marktbeherrschenden Konzerne. Auf der Grundlage dieser Artikel müssen Betriebe wie z.B. Thyssen-Krupp oder Rheinmetall vergesellschaftet werden, um damit ihr kriegerisches Wirken als Rüstungskonzern zu beenden. Ganz aktuell ist an die IG Farben Nachfolger zu erinnern. So hat Bayer einen Teufelspakt mit einem Konzern der USA, Monsanto, der mit Gefährdung von Umwelt und Gesundheit der Menschen bekannt wurde, geschlossen. Derselbe Bayerkonzern hat sich mit einer großen Spende am Wahlkampf für den erzreaktionären Donald Trump in den USA beteiligt.

Vor einem Jahr hat unser Freund Knut Maßmann hier an dieser Stelle die Tatsache verurteilt, dass ein Kriegerdenkmal aus der Nazizeit, aufgebaut vor dem Schalker Verein, nun einen neuen Platz auf jenem Gelände gefunden hat. Man hätte jedoch das Nazi-Schwert verschrotten sollen. Aber Denkmale für den Krieg werden bewahrt: Hingegen droht der Schwur von Buchenwald, dieses geistige Denkmal und große antifaschistische Kulturerbe, geschreddert zu werden. Dieser Schwur wurde nun von einem „Verfassungsschutzverbund“ des Bundes und der Länder als verfassungsfeindlich und Ausdruck der „kommunistischen Faschismusdefinition“ eingestuft.

Den Kampf erst einzustellen, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Und den Nazismus mit seinen Wurzeln zu vernichten! Dazu riefen im April 1945 die überlebenden Widerstandskämpfer mit ihrem Schwur von Buchenwald auf. Dazu ist noch viel zu tun. Die Rüstungsindustrie, die Thyssen-Krupp, die Rheinmetall und andere sind wieder ganz groß im Geschäft wie einst, als sie sich mit Hitler verbanden und dann reicher aus dem Krieg herauskamen als sie hineingingen.

Sie verbünden sich wieder mit grausamen Diktaturen, denen sie, wie z.B. Saudi-Arabien, die Waffen liefern. Am  9. Mai wird in Berlin die Hauptversammlung von Rheinmetall stattfinden. Die Friedensbewegung ruft zum Protest.

Es ist viel zu tun! Wir wollen alle Rassisten stoppen, vor allem die AfD.

Wir fordern zumindest das Einfrieren des Rüstungshaushalts und die Beendigung aller Auslandseinsätze.
Wir fordern Solidarität mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen wollen. Stoppt die Abschiebungen, Refugees are welcome!

NEIN zum deutschen Streben nach militärischer Führung –

Deutsche Großmachtträume platzen lassen!

Ostermarsch Rhein Ruhr 2017 im Stadtgarten Gelsenkirchen am Mahnmal für die Opfer des Faschismus.

Stolperstein zum Gedenken an Rosalia Elise Galliner

Stolpersteine für das Ehepaar Dr. Siegfried Galliner und Rosalia Elise Galliner, geborene Stern, in der Munckelstraße 5 in Gelsenkirchen, auf der Straßenseite gegenüber dem Hans-Sachs-Haus.

Stolpersteine für das Ehepaar Dr. Siegfried Galliner und Rosalia Elise Galliner, geborene Stern, in der Munckelstraße 5 in Gelsenkirchen, auf der Straßenseite gegenüber dem Hans-Sachs-Haus.

Wortbeitrag von Knut Maßmann anlässlich der Stolpersteinverlegung.

Rosalia Elise Stern, genannt Rose, wurde am 29. Juli 1884 in Königshütte in Oberschlesien geboren. Sie heiratete den Rabbiner Dr. Siegfried Galliner am 28. Dezember 1914 in Königshütte. Das kinderlos gebliebene Ehepaar lebte in Gelsenkirchen.

Die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden dürfte Rosalia Elise Galliner am eigenen Leib miterlebt haben. Zur Ausgrenzungspolitik der Nazis gehörte auch die Verschlechterung der medizinischen Versorgung der jüdischen Bevölkerung. Seit 1938 durften überhaupt nur noch wenige jüdische Ärzte ausschließlich jüdische Patienten behandeln. Jüdische Patienten wurden in kein nichtjüdisches Krankenhaus aufgenommen. Viele Apotheken gaben keine Medikamente an jüdische Kranke ab.

Die an Krebs erkrankte Rosalia Elise Galliner wurde daher nicht in Gelsenkirchen, sondern im Jüdischen Krankenhaus in Köln-Ehrenfeld, Ottostraße 85 aufgenommen. Dort starb sie am späten Abend des 20. Dezember 1938 an den Folgen ihrer Erkrankung.

Die schlechte medizinische Versorgung im Zuge der nazistischen Rassenpolitik hat sicherlich zu diesem frühen Tod beigetragen.

Rosalia Elise Galliner wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd beigesetzt. Auf dem Grabstein heißt es unter anderem in hebräisch: „… sie suchte ihr Leben lang mit ganzem Herzen für ihren Ehemann das Gute; in angenehmer Weise überwachte sie ihren Haushalt; erwies Gutes und Liebe ihr Leben lang; sittsam in jeder Hinsicht; ehrlich und bescheiden in allen ihren Handlungen; reines Herzens, gestorben in ihrem besten Alter … Möge ihre Seele gebündelt sein im Bündel des ewigen Lebens.“

Erinnerung an Widerstand und Verfolgung in Gelsenkirchen

Fast 30 Jahre alt: Gedenktafel auf dem Fritz-Rahkob-Platz aus dem Jahre 1987 (Foto Juni 2016).

Fast 30 Jahre alt: Gedenktafel auf dem Fritz-Rahkob-Platz aus dem Jahre 1987.

Rede von Knut Maßmann für die VVN-BdA Gelsenkirchen auf dem Fritz-Rahkob-Platz am 24.08.2016

Liebe Anwesende,

insgesamt vier innerstädtische Plätze wurden zwischen 1986 und 1988 nach Opfern und Gegnern des Nazi-Regimes benannt, um dauerhaft an Widerstand und Verfolgung in Gelsenkirchen zu erinnern.

Außer dem Fritz-Rahkob-Platz sind dies noch der Margarethe-Zingler-Platz, der Heinrich-König-Platz und der Leopold-Neuwald-Platz. Diese vier Plätze stehen stellvertretend für den kommunistischen, den sozialdemokratischen und den christlichen Widerstand sowie für die Verfolgung der jüdischen Gelsenkirchener.

Heute stehen wir am 72. Jahrestag seiner Ermordung auf dem Fritz-Rahkob-Platz. Wir wollen an ihn und an seinen Kampf gegen den Faschismus erinnern.

Friederich Rahkob wurde am 25. Juli 1885 in der damals selbständigen Gemeinde Rotthausen geboren. Er erkannte früh, dass in der Industrie des Ruhrgebiets höhere Löhne als in der Landwirtschaft gezahlt wurden. Als Bergmann wurde Fritz Rahkob 1905 in einer Arbeiterbewegung aktiv, die noch nicht in Sozialdemokraten und Kommunisten gespalten war. Nach einer zweijährigen Militärzeit im 1. Weltkrieg, die wegen einer Verwundung 1916 endete, kehrte er in seinen alten Beruf zurück und wurde während der Revolution 1918 Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates in Rotthausen und 1920 Mitglied der KPD, der Kommunistischen Partei Deutschlands.

Seit der Eingemeindung Rotthausens 1924 nahm Fritz Rahkob an den Arbeiterkämpfen in Gelsenkirchen teil, wurde Mitglied im Einheitsverband der Bergarbeiter in der RGO, der KPD-nahen Gewerkschaft. Nach einem schweren Arbeitsunfall musste er die Arbeit im Bergbau aufgeben. Die kommunistische Tageszeitung „Ruhr-Echo“ beschäftigte ihn erst als Kassierer, später im Versand.

Mit Beginn der Machtübernahme der Nazis im Jahre 1933 verbrachte der bekannte Kommunist Fritz Rahkob die Jahre von 1933 bis 1938 wie viele seiner Genossen in sogenannter „Schutzhaft“. Seine Ehefrau Emma Rahkob beteiligte sich während der Haft ihres Mannes aktiv am Widerstand. Dafür wurde sie am 20. November 1934 zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Entlassung arbeitete Fritz Rahkob auf der Baustelle eines Düsseldorfer Unternehmens und lernte Franz Zielasko kennen.

Franz Zielasko, Bergmann aus Gladbeck, Kämpfer in der „Roten Ruhrarmee“ 1920 gegen Kapp-Putsch und Freikorps, Mitglied erst der USPD (1918) und der SPD (1922) und später der KPD (1926/27), emigrierte 1932 in die Sowjetunion. Er kämpfte 1937 bis 1939 im Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Putschisten und wurde im März 1943 von der Sowjetunion mit dem Fallschirm über Polen abgesetzt, um im Ruhrgebiet Kontakt mit Gleichgesinnten aufzunehmen. In der festen Überzeugung, man müsse den Krieg und den Faschismus aktiv bekämpfen, schloss sich Rahkob der Widerstandsgruppe um Franz Zielasko an, der in mehreren Städten Kontakte knüpfte. Die Gruppe wurde verraten, im August 1943 verhaftete die Gestapo 45 Antifaschisten, darunter auch Fritz Rahkob.

Franz Zielasko wurde schon bei den Verhören brutal zu Tode gefoltert. Fritz Rahkob und andere Kameraden wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat u.a.“ vom sogenannten „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt. Am 24. August 1944 erfolgte in Stuttgart Rahkobs Hinrichtung durch Enthauptung, mit der zynischen Begründung, die Angeklagten seien es nicht wert, mit einer Kugel erschossen zu werden. Am Tag der Hinrichtung wurde auch seine Frau Emma verhaftet und erfuhr im Gestapo-Gefängnis von der Hinrichtung ihres Mannes. Kurz vor der Deportation in ein Konzentrationslager wurde sie von alliierten Truppen aus dem Münchener Polizeigefängnis befreit.

Rahkobs Kopf bewahrten die Nazis in Spiritus auf. Nach der Einäscherung am 1. Juli 1947 in Reutingen wurde die Urne von alliierte Soldaten nach Gelsenkirchen überführt, wo sie am 14. September 1947 feierlich auf dem Rotthauser Friedhof beigesetzt wurde.

Die Stadt Gelsenkirchen tat sich – wie übrigens die gesamte alte Bundesrepublik Deutschland – lange Zeit äußerst schwer mit der Erinnerung an kommunistische Widerstandskämpfer gegen Nazi-Deutschland. Erst 1987, über 30 Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft, und im nächsten Jahr genau 30 Jahre her, benannte der Rat der Stadt Gelsenkirchen diesen Platz nach Fritz Rahkob. Auf der Gedenktafel könnt ihr lesen: „Fritz Rahkob, kommunistischer Widerstandskämpfer, wurde am 24. August 1944 durch die Terrorjustiz des Naziregimes hingerichtet.“

Fritz Rahkob hat die Befreiung vom Faschismus im Jahre 1945 nicht mehr erlebt. Wir können uns heute glücklich schätzen, den Faschismus an der Macht nicht am eigenen Leib erlebt zu haben. Desto wachsamer müssen wir auf das Auftreten alter und neuer Nazis reagieren, in welcher Verkleidung sie auch immer erscheinen.

Lasst mich mit einem Zitat Theodor W. Adornos schließen, der, katholisch getauft, erst von den Nazis mit ihren sogenannten „Rassegesetzen“ zum Halbjuden gemacht wurde: „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten.“

Vielen Dank!

Rede zum Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 im Stadtgarten Gelsenkirchen

Für den Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 geschmücktes Mahnmal für die Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Für den Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 geschmücktes Mahnmal für die Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft

Rede von Knut Maßmann für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Gelsenkirchen

Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,

wie in jedem Jahr stehen wir am Ostersonntag vor dem Mahnmal für alle Opfer des Faschismus hier im Stadtgarten. Mahnmale und Denkmale sind wichtig, um die Erinnerung an die Zeit des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und vor seiner Wiederkehr zu warnen. Eine Wiederkehr, die nicht ausgeschlossen ist.

Die ersten Denkmale für die Opfer des Faschismus in Gelsenkirchen wurden von jüdischen Überlebenden errichtet: 1947 auf dem wiederhergestellten jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen-Buer. 1948 auf dem Horster Südfriedhof zur Erinnerung an 250 jüdische Zwangsarbeiterinnen aus Ungarn und aus Rumänien, die nicht in den Schutzbunker durften und aus diesem Grund Opfer eines Luftangriffes geworden sind.

Ebenfalls 1948 folgte auf dem Horster Südfriedhof ein von der VVN errichtetes Denkmal für die 1944 ermordeten Mitglieder der antifaschistischen Zielasko-Gruppe. Es erinnert auch an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der Roten Ruhrarmee und steht an der Stelle eines von den Nazis zerstörten früheren Denkmals.

Das große Mahnmal, welches ihr hinter meinem Rücken seht, wurde ebenfalls von der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, und mit Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen errichtet. Es wurde am 10. September 1950, dem damals üblichen Gedenktag für die Opfer des Faschismus, feierlich der Öffentlichkeit und der Obhut der Stadt übergeben.

„Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ war die Lehre nach 1945. Doch was ist von dieser Lehre heute noch übrig geblieben?

Wir leben wieder in einem Land, das sich an Kriegen in aller Welt beteiligt. Stand Februar diesen Jahres befinden sich 3.000 bewaffnete Soldatinnen und Soldaten in mehr als 10 Staaten, im Mittelmeer und am Horn von Afrika im militärischen Einsatz.

Wir leben wieder in einem Land, in dem Rassismus und völkisches Gedankengut offen auftreten.
Wir müssen erleben, wie Flüchtlingsheime angezündet werden und der grölende Mob nicht nur mit unverhohlener Freude Beifall klatscht, sondern – wie in Bautzen – die Feuerwehr vom Löschen abhält.
In einer sächsischen Kleinstadt wurde über Stunden ein Bus mit Flüchtlingen blockiert, ohne dass die Polizei eingreift.

Die Polizei dagegen probt neue Einsatztechniken gegen Antifa-Demos. Ja, ihr habt richtig gehört. In diesem Monat probten rund 400 Beamte verschiedener Hundertschaften auf der Zeche Westerholt neue Einsatztechniken gegen eine Antifa-Demo, um Randalierer und Gewalttäter aus der Menge zu isolieren.

Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden bis Februar diesen Jahres bereits 151 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und ihre Bewohner gezählt. Das sind im Durchschnitt fast 3 Angriffe pro Tag. Dagegen wird nicht geprobt.

Eine Wortführerin von PEGIDA lobt den „Mut der Bürger“. Vertreter der AfD fordern „Grenzen zu und Feuer frei“. Die Politik kommt den Rechten entgegen, diskutiert Obergrenzen und Lager, beschließt Verschärfungen des Asylrechts und verkündet neue, vermeintlich sichere Herkunftsländer.

Auch im Gelsenkirchener Stadtparlament sitzen drei Vertreter der AfD. Sie agieren mit der rechtsextremen ProNRW* gemeinsam und machen deutlich, wo sie politisch stehen. Nämlich Rechtsaußen!

Zu Beginn meiner Rede sagte ich, Mahnmale und Denkmale sind wichtig, um die Erinnerung an die Zeit des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und vor seiner Wiederkehr zu warnen. Eine Wiederkehr, die nicht ausgeschlossen ist.

Auch 2015 wurde in Gelsenkirchen ein Denkmal der Öffentlichkeit übergeben. Allerdings kein antifaschistisches Denkmal, sondern im Gegenteil, ein Denkmal in kriegsverherrlichender und faschistischer Ästhetik. Ein 5 Meter hohes, lorbeergeschmücktes Schwert aus Gussstahl, angebracht an einer 6 Meter hohen Granitstele. Ein steil aufgerichteter Kriegsphallus.

Ursprünglich war er von den Nazis am 1. Mai 1937 auf dem Gelände des Schalker Vereins pompös eingeweiht worden. Mit der Inschrift „Sie starben für Deutschland“ stellten die Nazis die im Ersten Weltkrieg gefallenen Werksangehörigen in den Dienst ihrer innenpolitischen Kriegsvorbereitung. Einen Krieg, den wir heute unter dem Namen Zweiter Weltkrieg kennen und in dessen Schatten Vernichtungskrieg und Holocaust stattfanden.

Nach dem Verkauf des Schalker Vereins vor einigen Jahren und während der Umgestaltung des früheren Werksgeländes wurde das Nazi-Schwert wiederentdeckt. Es wurde unter Denkmalschutz gestellt und kurz vor dem 9. November 2015 an einen öffentlichen Weg umgesetzt. Hinzu kamen ein Stein mit der einfallslosen Inschrift „Die Toten mahnen zum Frieden“ und einer den historischen Hintergrund erläuternden Tafel. Doch weithin sichtbar bleibt der steil aufgerichtete Kriegsphallus der Nazis.

Dagegen fordert die Gelsenkirchener VVN eine öffentliche Diskussion und die Umgestaltung in ein antifaschistisches Denkmal. Gerade auf dem Gelände des Schalker Vereins bietet sich die Thematisierung von Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit, Widerstand und Bombenkrieg an, um aus der Geschichte zu lernen, dass und warum sie sich nicht wiederholen darf.
Etwas, das ist in unserer Zeit nötiger ist denn je!

Vielen Dank fürs Zuhören!

*mündlich erläutert: Pro NRW Gelsenkirchen hat sich Pro Deutschland angeschlossen, an der rechtsextremen Ausrichtung hat das nichts geändert.

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 im Stadtgarten Gelsenkirchen (Foto: Martin Gatzemeier)

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 – Knut Maßmann spricht für die VVN-BdA am Mahnmal (Foto: Martin Gatzemeier)

Redebeitrag zum Antikriegstag 2015 an Stolpersteinen der Familie Krämer

Stolpersteinverlegung für die Familie Krämer am 8. Oktober 2012

Stolpersteinverlegung für die Familie Krämer am 8. Oktober 2012

Seit dem 8. Oktober 2012 erinnern hier in der Von-der-Recke-Straße 10 vier Stolpersteine an die Familie Krämer, die weder in Polen noch in Deutschland eine Heimat finden durften. Darüber möchte ich euch kurz berichten.

Von der Reichspogromnacht 1938 haben alle schon gehört, die sogenannte „Polenaktion“ zwei Wochen vorher ist jedoch durch die nachfolgenden Ereignisse in Vergessenheit geraten.

Zwischen dem 27. und dem 29. Oktober 1938 wurden rund 17.000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im gesamten Deutschen Reich verhaftet und nach Polen abgeschoben. Auslöser war eine Änderung des polnischen Passgesetzes, mit dem Polen die im Ausland lebenden jüdischen Staatsbürger auszubürgern beabsichtigte.

In Gelsenkirchen betraf die Aktion rund 80 jüdische Menschen jeden Alters, darunter auch die Familie Krämer. Zur Familie gehören der 43jährige Familienvater, Selig Uscher Krämer, seine 38jährige Frau Perla Krämer sowie die beiden Kinder, der 12jährige Max und die 5jährige Charlotte.

Vater Krämer und seine Frau stammten aus Otynia in Galizien in Südpolen. Ihr Sohn Max war noch dort am 3. März 1926 geboren worden. 1930 kamen sie aus Rotterdam nach Gelsenkirchen, wo am 12. Januar 1933 Tochter Charlotte geboren wurde.
Vater Krämer wurde am 28. Oktober 1938 nach Zbazyn in Polen abgeschoben, während Frau und Kinder in das sogenannte „Judenhaus“ an der damaligen Hindenburgstraße 38 (heute Husemannstraße) übersiedeln mussten.

Der polnische Historiker Jerzy Tomaszewski beschreibt in seinem Buch „Auftakt zur Vernichtung“ (Osnabrück 2002), dass in einigen Orten ganze Familien ohne Rücksicht auf das Alter und den Gesundheitszustand der Familienangehörigen ausgewiesen wurden, während in anderen Orten nur die Männer verhaftet wurden. Manche wurden mitten in der Nacht von Gestapo, SA oder SS aus ihren Wohnungen gescheucht und im Nachthemd mitgenommen, anderen wurde es erlaubt, ein wenig Handgepäck und Lebensmittel mitzunehmen.

An Bargeld durfte aufgrund der Devisenbestimmungen pro Person maximal 10 Reichsmark mitgenommen werden. Die Verhafteten wurden auf Polizeiposten oder in Gefängnissen, Turnhallen, Synagogen, Kasernen oder anderen Gebäuden untergebracht und nach Stunden zur Abfahrt der Sonderzüge zum Bahnhof gebracht.

In der Mehrzahl handelte es sich bei den Ausgewiesenen um kleine Leute, Händler, Handwerker, Freiberufler, Arbeiter, die schon länger im Deutschen Reich lebten und deren Verbindung zum polnischen Staat oft nur formeller Art war.

Die Abschiebung über die polnische Grenze erfolgte unter denselben katastrophalen Bedingungen wie die gesamte Aktion. Die Transporte mit der Reichsbahn trafen auf kleine Grenzübergänge, die dem Ansturm nicht gewachsen waren. Daneben wurden Gruppen von Juden unter Zurücklassung ihrer wenigen Gepäckstücke und unter Umgehung aller Passformalitäten über die grüne Grenze gejagt.

Die größte Anzahl Menschen, etwa 9000, wurde über den Grenzübergang Bentschen/Zbazyn nach Polen abgeschoben, wo die überforderten polnischen Behörden sie zunächst in Eisenbahnwaggons festgehalten und in ehemaligen Kasernen und Ställen untergebracht haben.

Zeitzeugen berichten von chaotischen Zuständen. Einem Teil der Ausgewiesenen ist es gelungen, sich mit Freunden oder Verwandten in Verbindung zu setzen und nach Zentralpolen weiter zu reisen, die meisten, etwa 7000, mussten jedoch auf Beschluss der polnischen Regierung bleiben und wurden in Zbazyn interniert.

Zwischen dem Dritten Reich und Polen begannen diplomatische Verhandlungen über das Schicksal der Ausgewiesenen und der noch in Deutschland befindlichen Familienmitglieder. Die deutsche Seite setzte ihre Position durch, nach der die Ausgewiesenen noch einmal an ihren früheren Wohnort zurückkehren konnten, um mit ihren Familien, persönlichen Gegenständen, evtl. der Wohnungs- oder Werkstatteinrichtung nach Polen auszureisen. Die Kosten mussten die Betroffenen selbst tragen.

Zu ihnen gehörte auch Vater Krämer, der am 13. April 1939 vorübergehend nach Gelsenkirchen zurückkehrte. Die ganze Familie wurde dann im Mai 1939 im Einwohnermeldeamt „nach Polen abgemeldet“.

Keine 4 Monate später, am 1. September 1939, entfesselte Nazi-Deutschland mit seinem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Die Spuren der ausgewiesenen Juden verlieren sich zumeist in einem der unzähligen Ghettos. Zu vielen Opfern der „Polenaktion“ lassen sich jedoch bis heute keine genauen Aussagen treffen, ihre Schicksale bleiben auch nach heutigem Kenntnisstand ungewiss.

Dies betrifft auch die Familie Krämer. Ihre Spur verliert sich im Mai 1939, als sie Gelsenkirchen verlassen mussten.

Ganz ungewöhnliche Soldaten

Temporäres Denkmal für den unbekannten Deserteur am Antikriegstag 2014

Temporäres Denkmal für den unbekannten Deserteur am Antikriegstag 2014

Rede zum Antikriegstag am 01.09.2014 vor dem Denkmal am Grillo-Gymnasium

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Kameradinnen und Kameraden,
liebe Genossinnen und Genossen,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir erinnern am heutigen Antikriegstag gleich an zwei Weltkriege, in denen Deutschland eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Vor 75 Jahren, am 1. September 1939 entfesselte Nazi-Deutschland den Zweiten Weltkrieg, der bis 1945 mit einer unglaublichen Zerstörungswucht auf Deutschland zurückfiel und die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Deutschland weitgehend verdrängt hat.

Doch während man in Deutschland, wie gestern in unserer Nachbarstadt Herne eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärfen muss, finden in unseren westlichen Nachbarländern Belgien und Frankreich auch heute noch Bauern nicht explodierte Munition und menschliche Überreste aus dem dort so bezeichneten „Großen Krieg“.

Der Erste Weltkrieg begann vor 100 Jahren am 1. August 1914 mit der Kriegserklärung des Deutschen Kaiserreiches an das russische Zarenreich. Am 2. August 1914 besetzten Deutsche Truppen das neutrale Luxemburg und am 4. August 1914 begann der deutsche Überfall auf das neutrale Belgien.

Die deutschen Truppen drangen bis nach Nordostfrankreich vor, wo sich die gegnerischen Armeen eingruben und vier Jahre lang in Schützengräben gegenüberstanden und mit zu ihrer Zeit modernsten Waffen, mit Artillerie, mit Maschinengewehren, mit Handgranaten, mit Gas unglaubliche Zerstörungen anrichteten.

Auf verschiedenen Kriegsschauplätzen der Welt, in Belgien und Nordfrankreich, in Polen und Russland, auf dem Balkan und am Bosporus, im Nahen und Mittleren Osten, im Kaukasus, in Norditalien, in den afrikanischen Kolonien, zu Wasser, zu Lande und in der Luft kämpften schließlich 40 Nationen mit zusammen fast 70 Millionen Soldaten.

17 Millionen Soldaten fanden den Tod.

Sind sie einen Heldentod gestorben, wie es die nationalen Mythen der Krieg führenden Nationen so gerne sehen?
Nein!
Ihr Tod war kein Heldentod.
Der Krieg war ein sinnloses Massensterben, die Soldaten starben in sinn- und nutzlosen Materialschlachten eines durchindustrialisierten Krieges.

Es gab viele, die diesen sinnlosen Tod nicht wollten, sondern die leben wollten.

Weihnachten 1914 verbrüderten sich gegnerische Soldaten für kurze Zeit im sogenannten „Weihnachtsfrieden“, tauschten im Niemandsland zwischen den Schützengräben Geschenke mit den Soldaten der Gegenseite aus und sangen gemeinsam Weihnachtslieder.

Immer wieder gab es an den Fronten stillschweigende Vereinbarungen, nicht oder nur in ritualisierter Form aufeinander zu schießen.

Soldaten fügten sich Verletzungen oder Krankheiten zu oder simulierten deren Symptome um dem Krieg zu entkommen.

Dann gab es jene Soldaten, die ganz konsequent mit dem Militär brachen und sich durch sogenannte „Fahnenflucht“ entzogen. Schätzungen zufolge gab es auf deutscher Seite hunderttausend Deserteure während des Ersten Weltkrieges.
Sie waren nicht kriegsentscheidend, ihre Motive waren sehr unterschiedlich und sie waren sicherlich auch keine selbstlosen Helden.

Aber sie waren auch keine gewöhnlichen Soldaten, sondern Menschen, die sich für das Leben entschieden und gegen den Tod.

Ihnen wird selten gedacht, obwohl auch sie mutig sein mussten. Natürlich machten sie sich strafbar, nicht nur durch die Desertion, sondern auch durch die Verwendung gefälschter Papiere, durch Diebstahl von Nahrungsmitteln oder Geld. Doch was bedeuten Urkundenfälschung und Diebstahl im Vergleich zum Töten von Menschen, die man nicht kennt und die einem nichts getan haben?

Hundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges wollen wir heute an jene ganz ungewöhnlichen Soldaten erinnern, die NEIN zum Krieg sagten. Die sich für das Leben und gegen den Tod entschieden haben.

Wir tun dies hier mit einem temporären Denkmal.

Unser temporäre Denkmal besteht aus Pappe, Farbe und etwas Holz. Das Denkmal zeigt uns einen einzelnen Mann, denn Deserteure waren Einzelgänger.
Dieser Mann läuft, er läuft weg vor dem Krieg und läuft weg vor dem Tod. Er läuft zu auf das Leben. Und er freut sich, er freut sich, dass er dem Krieg und dem Tod entronnen ist.

Es handelt sich hier um einen Holzschnitt des belgischen Künstlers, Internationalisten und Pazifisten Frans Masereel aus dem Jahre 1919.
Genauer: um einen maßstäblich vergrößerten Ausschnitt.

Frans Masereel wurde in den 1920er Jahren berühmt durch sein pazifistisches und sozialkritisches Engagement. Er drückte sich in dieser Zeit künstlerisch mit expressionistischen Holzschnitten und Holzschnittzyklen aus.

1889 in Belgien geboren, verbrachte er mehrere Jahre in Deutschland, Frankreich, England und Tunesien. Bei Beginn des Ersten Weltkrieges kehrte er aus der Bretagne nach Belgien zurück, flieht jedoch vor den vormarschierenden deutschen Truppen.
In der Schweiz arbeitet er ehrenamtlich für das Rote Kreuz und veröffentlicht grafische Beiträge in Zeitschriften, über tausend gegen Krieg und gegen soziale Ungerechtigkeit.

Nach dem Krieg wird er mit seinen eindrucksvollen und emotionalen Holzschnittzyklen und weiteren Kunstwerken in vielen Ländern Europas, auch in der Sowjetunion, die er 1935 und 1937 bereist, berühmt.

1940 flieht er abermals vor den deutschen Truppen, dieses Mal aus Paris nach Südfrankreich. Er hält die Eindrücke auf der Flucht in zahlreichen Zeichnungen fest.
Wie auch im Ersten Weltkrieg engagiert er sich wieder mit seiner künstlerischen Arbeit gegen den Krieg und gegen die Unmenschlichkeit.

Wir gedenken heute mit diesem temporären Denkmal nach einem Holzschnitt von Fans Masereel dem unbekannten Deserteur beider Weltkriege.

Vielen Dank!