Archiv für den Monat November 2015

Bündnis gegen Krieg und Faschismus tagt

Werner-Goldschmidt-Salon – Parteibüro von Die Linke und Veranstaltungsort, benannt nach dem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer Werner Goldschmidt

Werner-Goldschmidt-Salon – Parteibüro von Die Linke und Veranstaltungsort, benannt nach dem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer Werner Goldschmidt. Hier trifft sich auch das Bündnis gegen Krieg und Faschismus.

Zum ersten Mal seit seinem Bestehen nahm sich das Bündnis gegen Krieg und Faschismus am gestrigen Freitag die Zeit, auf die zurückliegenden Aktivitäten zurückzublicken. Ging es in den vorangegangenen Treffen immer darum, teilweise unter Zeitdruck, die nächste Aktion zu planen, konnten wir uns dieses Mal den „Luxus“ erlauben, in Ruhe den Antikriegstag, die Protestdemonstration gegen ProNRW und die Gedenkveranstaltung auf der Wanner Straße 119 am 9. November zu reflektieren. Die erfolgreiche Blockade der neofaschistischen „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 an der Stadtgrenze, gemeinsam mit anderen demokratischen Kräften, war ebenso wie die erfolgreiche Begleitung der AfD-Infostände kein Thema. In beiden Fällen war die Zufriedenheit mit unserem Erfolg offensichtlich.

Unsere Gedenkkundgebung vor dem Haus Wanner Straße 119, wo wir, während der „Schweigezug“ der „Demokratischen Initiative“ (DI) weiterzog, an die Familie Schönenberg und die Ereignisse in der sogenannten „Reichskristallnacht“ erinnerten und daraus Schlüsse für die Gegenwart zogen, wurde insgesamt als Erfolg gewertet. Der Offene Brief, den die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) an den Oberbürgermeister und Schirmherrn der DI, Frank Baranowski, geschrieben hatte, hatte in Verbindung mit der öffentlichen Wirkung dazu geführt, dass die Abschlusskundgebung nicht mehr am Nazi-Schwert stattfand, so dass auch wir an der Abschlusskundgebung, die auf den Alten Jüdischen Friedhof verlegt worden war, guten Gewissens teilnehmen konnten.

Auch im nach hinein wurde noch Kritik aus den Reihen der DI selbst an der nicht stattgefundenen Diskussion über die Route laut. Aus Gesprächen wissen wir, dass die stille Zustimmung an unserer Kritik größer war, als die tatsächliche Zahl der Teilnehmer unserer Teilveranstaltung vermuten lässt. Die Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken nutzten im Unterschied zu uns die Veranstaltung der DI am Nazi-Schwert, um dort mit einem Transparent Kritik zu äußern. Auf der Tagesordnung bleibt, nicht bei der angeblichen „Neu-Kontextualisierung“ des Nazi-Schwerts durch die DI stehen zu bleiben, sondern aus dem Denkmal in Verbindung mit weiteren künstlerischen Installationen tatsächlich ein „antifaschistisches Gesamtkunstwerk“ (VVN-BdA) werden zu lassen. Die textbasierten Bestandteile der „Neu-Kontextualisierung“ können dafür nur ein erster Schritt sein.

Teilweise kritisch wurde der Erfolg der Protestveranstaltung gegen die sogenannte „Mahnwache“ von ProNRW am 31. Oktober auf dem Bahnhofvorplatz gesehen. Unsere Kundgebung war viel zu sehr auf uns selbst gerichtet und viel zu wenig auf die akustische Störung der Kundgebung von ProNRW. Hier wurde für die Zukunft zum Beispiel der verstärkte Einsatz lauter Sprechchöre, der Einsatz von Trillerpfeifen etc. vorgeschlagen.

Breite Kritik, die vor allem Selbstkritik an unserer gemeinsam durchgeführten Veranstaltung war, wurde an der Kundgebung zum Antikriegstag am 1. September auf dem Preuteplatz laut. Kritisiert wurde unter anderem die äußere Form, die wenig ansprechend auf die breite Bevölkerung wirkt. Kritisiert wurde auch, dass der Bündnis-Charakter in der Außenwirkung dadurch verloren geht, dass die einzelnen Parteien und Organisationen überdeutlich wahrnehmbar sind. Als Erfolg ist in jedem Fall zu werten, dass wir die Veranstaltung seit nunmehr fünf Jahren durchführen, ohne dass es zu Zerwürfnissen gekommen ist. Wir wollen an einer gemeinsamen, öffentlichen Bündnis-Veranstaltung festhalten und uns für die Vorbereitung des nächsten, gemeinsamen Antikriegstages mehr Zeit nehmen und bereits im März 2016 mit der Vorplanung beginnen. Auch der Kontaktversuch zum Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der seit zwei Jahren wieder eine eigene Veranstaltung durchführt, soll fortgesetzt werden.

In rund drei Stunden konnten wir am gestrigen Freitag fast alle wichtigen Fragen besprechen. Verschieben mussten wir nur einmal mehr das Thema Flüchtlinge in Gelsenkirchen. Doch hier gilt, wie bei allen Themen: Verschoben ist nicht vergessen!

Eindrücke von 1,5 Gedenkveranstaltungen am 9. November 2015

Alter Jüdischer Friedhof in Gelsenkirchen-Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße wenige Tage zuvor.

Alter Jüdischer Friedhof in Gelsenkirchen-Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße (Archivbild).

Auf der Abschlusskundgebung der „Demokratischen Initiative“ hat Oberbürgermeister Baranowski ein paar schöne Worte gefunden. Seine Rede begann mit der Schilderung von Flüchtlingen, die kein Land wollte und vor denen die Länder ihre Grenzen schlossen. Und es überraschte nicht, dass er an diesem Datum an die Flüchtlinge der 1930er Jahre erinnerte, die Deutschland verlassen mussten, weil sie hier verfolgt wurden – und erst dann an die gegenwärtigen Flüchtlinge, die nach Deutschland fliehen. Er erinnerte auch daran, dass das Asylrecht des Grundgesetzes ein Individualrecht ist, das keine „Kontingente“ oder Obergrenzen kennt.

Gleichzeitig war die Abschlusskundgebung als große Notlösung zu erkennen. Es war einfach nicht genügend Platz für alle Kundgebungsteilnehmer auf dem Friedhof, wo viele vor und zwischen Grabsteinen standen. Viele standen im Eingang herum und hörten von dort der durch einen kurzen Stromausfall unterbrochenen Rede. Aber über diesen Ort will ich gar nicht meckern, weil ich mich freue, dass zumindest die Abschlusskundgebung nicht am Nazi-Schwert stattgefunden hat. Auch wenn ich die Kundgebung auf dem Friedhof gespenstig fand, und es besser gefunden hätte, wenn sie vor dem Friedhof stattgefunden hätte.

Flublatt zum 9. November 2015

Flublatt zum 9. November 2015

Dieses Nazi-Schwert, welches ich in den vergangenen Wochen oft an seinem neuen Standort für diesen Blog fotografiert habe, an einem 9. November nach seiner Umsetzung erneut der Öffentlichkeit zu übergeben, ist und bleibt eine unglaubliche Peinlichkeit. Dagegen haben wir mit rund 40 Teilnehmern unsere Kundgebung als „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ gesetzt und gedachten stattdessen vor dem Wohn- und Geschäftshaus Wanner Straße 119 beispielhaft der jüdischen Familie, die dort am 9. November 1938 die Schrecken der sogenannten „Reichspogromnacht“ am eigenen Leib erlitten hat. Zwei Mitglieder der Familie Schönenberg wurden von den Nazis später ermordet, ein Mitglied überlebte durch Flucht. Heike und Andreas Jordan, die hier zu den Anwesenden sprachen, setzten mit ihren Worten ein Zeichen, das Vergangenheit und Gegenwart miteinander verband. Sie taten es glaubwürdig, weil sie sich nicht nur in Sonntagsreden gegen Rechtsextremisten engagieren.

Sehenswert war übrigens, wie eine Gruppe junger Leute, die zuerst bei uns stehen blieben, dann von jemanden abgeholt und zur „richtigen“ Kundgebung geholt wurden. (Wie ich später erfahren habe, handelte es sich um Jugendliche von SJD-Die Falken, die sich verspätet hatten und auf der Suche nach der Kundgebung der DI waren, um an den von den Falken organisierten Protest am Nazi-Schwert teilzunehmen.)

Wohn- und Geschäftshaus Wanner Straße 119 in Gelsenkirchen-Bulmke wenige Tage zuvor.

Wohn- und Geschäftshaus Wanner Straße 119 in Gelsenkirchen-Bulmke (Archivbild).

Wie ich im Verlauf des heutigen Tages erfahren habe, war das Nazi-Schwert von einer „aktionsgruppe kunst und kampf“ über Nacht angemalt worden. Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt strafbar mache, weil ich es gut finde, das jemand meine Idee geklaut hat. Ich hätte mich das sowieso nicht getraut. Gestern nachmittag stand es noch ordentlich am Platz, flankiert von zwei frisch gepflanzten Bäumen rechts und links, die schön in Reih und Glied stehen, das Beet akkurat geharkt. Was soll ich dazu sagen außer „typisch deutsch“? Fehlt nur noch der Gartenzaun, die Latten schwarzrotgold gestrichen, um an das demokratische Deutschland zu gemahnen? Der „Demokratischen Initiative“ traue ich inzwischen jede „Neu-Kontextualisierung“ zu.

Auf der Abschlusskundgebung der „Demokratischen Initiative“ hat Oberbürgermeister Baranowski nicht nur schöne Worte gefunden. Er sprach davon, wie wichtig Engagement gegen Rechts ist und erinnerte mit einem „wir“ an den 1. Mai 2015 in Rotthausen. Allerdings erwähnte er nicht, wer an der Stadtgrenze den Aufmarsch der „Die Rechte“ erfolgreich blockiert hat, während die „Demokratische Initiative“ sich an eine bereits geplante Kundgebung auf dem Ernst-Käsemann-Platz anhängte. Doch nur eine Sonntagsrede …  wenn auch an einem Montag.

Supplement

Ein Bericht über beide Veranstaltungen gibt es auch in der lokalen WAZ. Interessant an diesem Beitrag ist die Auffassung des Historikers Prof. Dr. Wilfried Reininghaus, der die „erinnerungspolitische Würdigung“ des Nazi-Schwerts vornahm, dass die Farbattacke eine Verweigerung des Diskurses sei. Ich finde, das genaue Gegenteil ist der Fall: die Farbattacke ist Teil des Diskurses – und zeigt einmal mehr, dass zu viele Historiker und zu wenige Künstler an der Denkmalaufstellung beteiligt waren. Dies habe ich übrigens schon zuvor hier geschrieben. – Sehr nachdenklich äußert sich Patrick Jedamzik (Bündnis 90/Die Grünen) in seinem Blog. So wie ich seinen Beitrag lese, hat es innerhalb der „Demokratischen Initiative“ keine nennenswerte Diskussion über die diesjährige Route zum Nazi-Schwert gegeben. Auch fand er den Besuch am Schwert „einfach seltsam und nichts sagend“. Schön, dass es einige nachdenkliche Stimmen mehr gibt. Es wäre dieser Stadt zu wünschen, dass sie gehört werden.

„Wir gehen nicht zum Nazi-Schwert!“ – Bündnis gegen Krieg und Faschismus wählt am 9. November eigene Route

Inschrift am sogenannten "Kriegerdenkmal Schalker Verein"

Inschrift am sogenannten „Kriegerdenkmal Schalker Verein“

Wie schon durch die in der WAZ veröffentlichte Pressemitteilung bekannt gemacht, wählt das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ für den Gedenktag an die Verbrechen der sogenannten „Reichskristallnacht“ eine andere Route als die „Demokratische Initiative“ (DI). Der Hintergrund dürfte durch den Offenen Brief der VVN-BdA und die Berichterstattung der WAZ zur Genüge bekannt sein. Ein Denkmal für die gefallenen Soldaten eines Krieges kann einfach kein geeignetes Denkmal für jüdische Opfer der Nazis sein. Denkmal und Gedenkveranstaltung zum 9. November passen thematisch nicht zueinander.

Das Bündnis trifft sich wie die DI an der Hammerschmidtstraße, wird jedoch auf keinen Fall das Nazi-Schwert besuchen, sondern stattdessen das Wohnhaus in der Wanner Straße 119 und dort beispielhaft an die Familie Schönenberg erinnern. Dort betrieben Selma und ihre Tochter Erna Schönenberg ein von den Eltern übernommenes Geschäft für Manufakturwaren und Herrenbekleidung, bis es in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 – wie auch ihre Wohnung – von den Nazis zerstört wurde. Selma starb 1942 bereits auf dem Transport nach Auschwitz, Erna wurde 1943 in Auschwitz ermordet. Nur Sohn Günter gelang im August 1938 die Flucht nach Holland und 1943 nach Frankreich. Er überlebte den Völkermord und wanderte 1947 in die USA aus.

Alter Jüdischer Friedhof Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße. Hier plant die "Demokratische Initiative" ihre Abschlusskundgebung am 9. November 2015.

Alter Jüdischer Friedhof Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße. Hier plant die „Demokratische Initiative“ ihre Abschlusskundgebung am 9. November 2015.

Zur Abschlusskundgebung um 19 Uhr am Alten Jüdischen Friedhof in Bulmke schließt sich das Bündnis der Kundgebung der DI wieder an. Trotz aller Kritik an der diesjährigen Gedenkveranstaltung hält das Bündnis eine gemeinsame Veranstaltung für die Stadtgesellschaft für so wichtig, dass es die Abschlusskundgebung mit der Rede des Oberbürgermeisters Frank Baranowski nicht boykottieren will.

Mit einem eigenen Flugblatt wird das Bündnis die Forderung der VVN-BdA unterstützen, „… aus dem Nazi-Schwert durch eine wirklich radikale Verfremdung ein antifaschistisches Gesamtkunstwerk“ zu gestalten, indem Gelsenkirchener Künstler „… das wertlose Schandmal durch künstlerische Installationen phantasievoll und kreativ…“ einrahmen und kommentieren.

Bündnis gegen Krieg und Faschismus

Das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ hat sich aus dem Antikriegstagsbündnis gegründet, welches seit 2011 regelmäßig eine öffentliche Kundgebung zum Antikriegstag durchführt. Anlass für die Umbenennung war der geplante Aufmarsch der faschistischen Partei „Die Rechte“, die am 1. Mai 2015 von Essen-Kray nach Gelsenkirchen-Rotthausen marschieren wollte. Das Bündnis rief zu einer Gegenkundgebung an der Stadtgrenze auf, in dessen Verlauf gemeinsam mit weiteren demokratischen Kräften der Aufmarsch der aus Dortmund stammenden Faschisten erfolgreich blockiert werden konnte.

Werner-Goldschmidt-Salon – Parteibüro von Die Linke und Veranstaltungsort, benannt nach dem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer Werner Goldschmidt

Werner-Goldschmidt-Salon – Parteibüro von Die Linke und Veranstaltungsort, benannt nach dem Gelsenkirchener und jüdischen Widerstandskämpfer Werner Goldschmidt. Hier trifft sich auch das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“.

Beim „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ handelt es sich um ein lockeres Personenbündnis, dass sich von Fall zu Fall engagiert, zuletzt am 31.10.2015 gegen ProNRW. Die einzelnen Personen kommen aus verschiedenen Parteien und Organisationen; zur Zeit sind das Die Linke, die DKP, die MLPD sowie die Piratenpartei, das kommunale Wahlbündnis AUF Gelsenkirchen, die VVN-BdA und der Verein Gelsenzentrum. Auch ein Mitglied der SPD nimmt regelmäßig an den Treffen teil.

Alternative zur Herbstoffensive

Wahlplakat der sogenannten “Alternative für Deutschland” zur Kommunalwahl in Gelsenkirchen 2014

Wahlplakat der sogenannten “Alternative für Deutschland” zur Kommunalwahl in Gelsenkirchen 2014

Der für den heutigen Samstag angekündigte Infostand der sogenannten „Alternative für Deutschland“ im Stadtteil Erle fiel ebenso aus, wie schon der angekündigte Stand in Gelsenkirchen-Resse am vergangenen Samstag nicht stattgefunden hatte.

Damit ist die großartig angekündigte „Herbstoffensive 2015“ der AfD an ihrem Ende angelangt. Unsere Aktivitäten am vorletzten Samstag in Rotthausen hat die AfD wohl erfolgreich verschreckt. Wir haben natürlich keine Idee, welche Alternative zur Herbstoffensive die sogenannte „Alternative für Deutschland“ gewählt hat. Möglicherweise schleichen ihre Mitglieder von nun an mit ihren blauen Kappen durch die Straßen der Stadt und stecken heimlich Flyer in Briefkästen. Sie nennen es wohl „Mut zur Wahrheit“.

Erfolgreiche Herbstoffensive 2015 der Natur, die Verteilung von Flug-Blätter klappt hervorragend.

Phantasielose Denkmalkultur

Das "Kriegerdenkmal Schalker Verein" (1937) und die "Göttin der Wasserwirtschaft" (1992)

Das „Kriegerdenkmal Schalker Verein“ (1937) und die „Göttin der Wasserwirtschaft“ (1992)

„Ein Mahnmal mit Erklärungsbedarf“ titelte die lokale WAZ am 04.11.2015 zur Auseinandersetzung um das Nazi-Schwert. Wie recht sie hat – und wie eingeschränkt doch diese Frage – nicht nur von der WAZ – angegangen wird. Der Redakteur Jörn Stender schreibt: „Ein schwarzer, polierter Stein mit der Inschrift ‚Die Toten mahnen zum Frieden‘ steht bereits neben dem Denkmal. ‚In der Hoffnung, dass Aufklärung hilft‘ wird es laut Goch noch eine Texttafel geben.“ Texttafel, Inschrift – kommt denn niemand in dieser Stadtverwaltung, niemand in dieser „Demokratischen Initiative“ auf die Idee, dass man häßliche Nazi-Kunst auch künstlerisch kommentieren kann?

Dabei liegt ein möglicher Ansatz mit dem Denkmal anders umzugehen doch so nahe. Jörn Stender schreibt: „Einen Steinwurf entfernt steht, aus Rohren zusammen gedengelt, die bunte ‚Göttin der Wasserwirtschaft‘. Eine Skulptur, nicht schön, aber unumstritten.“ Gegen diese, wie er in seinem heute abgedruckten Leserbrief schreibt „beleidigende Wertung“, wehrt sich der Schöpfer der Göttin, der Künstler Achim Wagner. „Wenn man Ihren Artikel liest, kommt man zu dem Eindruck, dass Herr Nietsch und Herr Franke zwar Nazikunst schufen, ihre Arbeit jedoch nicht zusammengedengelt und im Gegensatz zur Göttin der Wasserwirtschaft auf jeden Fall ‚richtige‘ Kunst waren.“ Und weiter schreibt er, dass an seiner Arbeit nichts zusammengehämmert sei, „sie ist geschweißt, geschraubt, gepflastert, farblich gestaltet und besitzt im Gegensatz zu etwas ‚Zusammengeklopptem‘ die Eigenschaft, Jahrzehnte zu überdauern.“ Auch die „Göttin der Wasserwirtschaft“ ist auf dem Schalker Verein entstanden und sie erinnert an tausende verschwundene Arbeitsplätze. Für ihre Verlagerung gab Saint Gobain allerdings keinen müden Euro aus.

Doch vielleicht sind oder waren bei der Frage der Denkmalsaufstellung zu viele Historiker – und zu wenige Künstler beteiligt? Wie würde es beispielsweise wirken, wenn die „Göttin der Wasserwirtschaft“ aus dem Jahre 1992 dem „Kriegerdenkmal Schalker Verein“ aus dem Jahre 1937 direkt gegenübergestellt worden wäre? Beide sind auf dem Schalker Verein entstanden, beide sind unterschiedlicher, als man es sich nur vorstellen kann. Abstrakte Kunst, von den Nazis als „entartete Kunst“ ausgesondert direkt gegenüber dem platten Schwert aus Gussstahl? Oder welche anderen Ideen könnten Künstler dieser Stadt beitragen, um durch künstlerische Installationen aus dem Denkmal ein „antifaschistisches Gesamtkunstwerk“ (VVN-BdA) zu machen?

Denn die Forderung der Gelsenkirchener Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) an den Oberbürgermeister und Schirmherrn der „Demokratischen Initiative“, Frank Baranowski, besteht nach wie vor: „Daher fordern wir Sie nicht nur erneut auf, die Kundgebung der ‚Demokratischen Initiative‘ am 9. November 2015 an einen anderen Ort zu verlegen, sondern auch, sich dafür einzusetzen, dass aus dem Nazi-Schwert durch eine wirklich radikale Verfremdung ein antifaschistisches Gesamtkunstwerk wird. Hierzu bedarf es einer Aufforderung an die Künstler und Bürger der Stadt, um das wertlose Schandmal durch ganz unterschiedliche Installationen phantasievoll und kreativ einzurahmen und zu kommentieren. Dies mindert nicht den Denkmalwert, schafft aber eine klare Aussage aus der Gegenwart zum Objekt der Nazi-Barbarei.“

Kunst im öffentlichen Raum

Zwei Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum in Gelsenkirchen.

Deutsche Befindlichkeiten oder Flüchtlinge in den „Gelsenkirchener Geschichten“

Der inzwischen gelöschte Diskussionsstrang "Flüchtlinge in Gelsenkirchen" in den "Gelsenkirchener Geschichten"

Der zum dritten Mal gesperrte Diskussionsstrang „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“ in den „Gelsenkirchener Geschichten“

Ein interessantes Beispiel für Nicht-Kommunikation bot bis gestern der Thread „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“ in den Gelsenkirchener Geschichten. Inzwischen wurde der Diskussionsverlauf zum dritten Mal gesperrt – wie ich hoffe, für immer. Aufgrund verschiedener geäußerter Kritik habe ich die Anzahl der Beispiele erweitert.

Als ich die Diskussion am letzten Juli-Tag eröffnete, ging es mir darum, Informationen über die Situation von Flüchtlingen in Gelsenkirchen zusammenzutragen, Daten, Fakten und Berichte. Natürlich war mir klar, dass es auch Stimmen geben würde, die Kritik an der Flüchtlingspolitik äußern würde. Mit den Entgleisungen, die folgten, hatte ich aber ehrlich gesagt nicht gerechnet.

Noch im Forumsrundbrief vom 1. Oktober 2015 konnte sich die „Verwaltung“ auf die Schulter klopfen und schreiben: “Zum Zeitpunkt, zu dem dieser Rundbrief entsteht, haben mehr als 200 User einen Beitrag zum Thema eingestellt und mehr als 18.000mal wurde diese Seite von GG-Usern angeklickt. Wir freuen uns (und klopfen 3mal auf Holz), dass die Beiträge und Meinungsäußerungen zum größten Teil sachlich geblieben sind und als persönliche Meinung ihre Berechtigung haben. Die Verwaltung musste sich nicht einmischen, um Beleidungen oder Pauschal-Verurteilungen zu untersagen oder zu entfernen.”

Doch damit war es innerhalb weniger Tage dauerhaft vorbei. Alle Versuche einzelner, zu Daten und Fakten bezogen auf Gelsenkirchen zurückzukehren, brachten keinen Erfolg, angesichts derer, die es nötig hatten, immer wieder ihre Parolen loszuwerden und sich dann wunderten, dass sie mit rechten Rattenfängern verwechselt oder in einen Topf geworfen werden.

Screenshot aus den "Gelsenkirchener Geschichten" - die Diskussion über die Flüchtlingsproblematik wurde zunehmend absurd.

Screenshot aus den „Gelsenkirchener Geschichten“ – ein Beispiel für die ins Absurde abgleitende Diskussion. Hier ein Link zur entsprechenden Seite.

Da wollte, um ein Beispiel für die ins Absurde abgleitende Diskussion zu nennen, jemand mit dem Pseudonym “Golden-Eagle”, der bis dahin nur wenige Beiträge geschrieben hatte, in der Flüchtlingspolitik Parallelen zur “Machtergreifung der Nationalsozialisten” sehen (siehe Screenshot oben). Ein anderes Beispiel: ein sich selbst als links bezeichnender mit dem Pseudonym „gelsenjung“ beharrte auf die Frage, ob für Flüchtlinge mehr Geld als für Hartz-IV-Empfänger ausgegeben wird (siehe Screenshot unten). Nun bin ich auch der Meinung, dass die Hartz-IV-Politik ungerecht ist, aber diese Ungerechtigkeit löst man nicht, indem man mit dem Finger auf jene zeigt, denen es noch schlechter geht und die aus ihrer Heimat geflüchtet sind.

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über "Flüchtlinge in Gelsenkirchen"

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“

Und bezeichnenderweise beschäftigten sich Beiträge auch damit, dass man aufgrund der Kritik an der Flüchtlingspolitik als rechtsextrem bezeichnet wird, anstatt sich zu fragen, aufgrund welcher Argumente das wohl geschieht. Natürlich ist Kritik an der derzeitigen Flüchtlingspolitik erlaubt, schließlich leben wir in einer Demokratie. Aber wer zum Beispiel glaubt, die Flüchtlinge seien die Ursache für die sozialen Ungerechtigkeiten in dieser Republik, der muss sich gefallen lassen, als Dummkopf oder anderes bezeichnet zu werden. Leider stößt man bei klaren Antworten sehr schnell an die Grenzen der „Netiquette“ des Forums.

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über "Flüchtlinge in Gelsenkirchen"

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“

Auch die übliche Parole, nach der die Deutschen ausstürben, fand ihren Weg in diese Diskussion, als Antwort auf die Frage nach der Übernahme der Vormundschaft für einen minderjährigen Flüchtling (siehe Screenshot oben). Nicht mehr überraschen konnte mich dann die Empörung, dass ich in meinem Blog kritisch über die Diskussion berichtet hatte (siehe Screenshot unten).

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über "Flüchtlinge in Gelsenkirchen"

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“

Verständlicherweise bleibt für Berichte über Flüchtlingshilfe in diesem Umfeld kein Raum und kann nur anderswo erfolgen. Einen kleinen Beitrag dazu habe ich hier in meinem Blog versucht.

Screenshot Verwaltung

Screenshot mit einem weiteren Beispiel aus der Diskussion über „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“

Der Aufruf der „Verwaltung“ der Gelsenkirchener Geschichten (siehe Screenshot oben) blieb leider unerhört. Nach zweimaliger Sperre verschwand der komplette Diskussionsstrang zunächst, um gerade eben gesperrt wieder aufzutauchen. Schade, ich hatte gehofft, dass diese unsägliche Geschichte endlich ein Ende hat. Man kann schlussfolgern: die „Gelsenkirchener Geschichten“ sind für dieses Thema kein geeignetes Forum – und sie teilen sich dieses Problem mit vielen anderen Online-Foren. Spiegel Online schreibt zum gleichen Problem: “Leider erreichen uns zum Thema Flüchtlinge so viele unangemessene, beleidigende oder justiziable Forumsbeiträge, dass eine gewissenhafte Moderation nach den Regeln unserer Netiquette kaum mehr möglich ist. Deshalb gibt es nur unter ausgewählten Artikeln zu diesem Thema ein Forum. Wir bitten um Verständnis.”

Supplement

Meine Darstellung der problematischen Seiten der Diskussion im Thread „Flüchtlinge in Gelsenkirchen“ hier in meinem Blog wurde anschließend in den Gelsenkirchener Geschichten in Der Universalfred diskutiert. Dabei ging es allerdings weniger um den Inhalt, sondern vielmehr um rechtliche Fragen, wie den Nutzungsbedingungen der Gelsenkirchener Geschichten und das Zitatrecht nach dem Urheberrechtsgesetz. Einigen Diskutanten wurde wohl erst jetzt bewußt, dass sie im Forum der Gelsenkirchener Geschichten zitierfähige Veröffentlichungen tätigen. Offenbar gilt der berühmte Satz von Angela Merkel, „Das Internet ist für uns alle Neuland!“, auch für einige Nutzer des Internetforums Gelsenkirchener Geschichten.

Nazi-Schwert am neuen Standort – „Demokratische Initiative“ hält an Kundgebungsort zum 9. November fest

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein aus dem Jahre 1937 am neuen Standort im Jahre 2015

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein aus dem Jahre 1937 am neuen Standort im Jahre 2015

Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein aus dem Jahre 1937, offiziell als „Kriegerdenkmal Schalker Verein“ bezeichnet, ist an seinem neuen Standort aufgebaut. Und die aktuelle Pressemitteilung lässt keine Zweifel daran, dass die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“ tatsächlich an ihrer Absicht festhält, an diesem Schandmal eine Zwischenkundgebung während der Gedenkveranstaltung an den frühen Höhepunkt der Judenverfolgung 1938, der sogenannten „Reichskristallnacht“ abzuhalten. Peinlicher geht es kaum noch.

Die Gelsenkirchener Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) bleibt bei ihrer Position: ein Denkmal für die Toten eines Krieges kann kein geeigneter Ort für eine Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht sein. Außerdem strahlt das in nationalsozialistischer und kriegsverherrlichender Ästhetik errichtete Denkmal noch immer eine militaristische Botschaft aus, gegen die die geplante künstlerische Ergänzung nur verblassen wird.

Die VVN-BdA fordert Frank Baranowski als Oberbürgermeister und Schirmherrn der DI in ihrem Offenen Brief dazu auf, “sich dafür einzusetzen, dass aus dem Nazi-Schwert durch eine wirklich radikale Verfremdung ein antifaschistisches Gesamtkunstwerk wird. Hierzu bedarf es einer Aufforderung an die Künstler und Bürger der Stadt, um das wertlose Schandmal durch ganz unterschiedliche Installationen phantasievoll und kreativ einzurahmen und zu kommentieren. Dies mindert nicht den Denkmalwert, schafft aber eine klare Aussage aus der Gegenwart zum Objekt der Nazi-Barbarei.”

Alter Jüdischer Friedhof Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße. Hier plant die "Demokratische Initiative" ihre Abschlusskundgebung am 9. November 2015.

Alter Jüdischer Friedhof Bulmke an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße. Hier plant die „Demokratische Initiative“ ihre Abschlusskundgebung am 9. November 2015.

OB antwortet nicht

Bisher gibt es auf den Offenen Brief der Gelsenkirchener Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) an den Oberbürgermeister der Stadt Gelsenkirchen und Schirmherrn der Demokratischen Initiative (DI), Frank Baranowski (SPD), noch keine Antwort.

Fotomontage zur geplanten Kundgebung der "Demokratischen Initiative" zum Gedenken an die Pogrome in der sogenannten "Reichspogromnacht". In der Bildmitte der Alte Jüdische Friedhof Bulmke umrahmt von den Inschriften des Nazi-Schwerts vom Schalker Verein.

Fotomontage zur geplanten Kundgebung der „Demokratischen Initiative“ zum Gedenken an die Pogrome in der sogenannten „Reichspogromnacht“. In der Bildmitte der Alte Jüdische Friedhof Bulmke umrahmt von den Inschriften des Nazi-Schwerts vom Schalker Verein.

Wie hier nachzulesen ist, fordert die VVN-BdA den Oberbürgermeister und Schirmherrn der DI auf, die geplante Kundgebung zum Gedenken an die Pogrome in der sogenannten „Reichskristallnacht“ nicht am Kriegerdenkmal Schalker Verein durchzuführen. Ein Denkmal für die Toten eines Krieges kann kein geeigneter Ort für diese Gedenkveranstaltung sein. Außerdem strahlt das in nationalsozialistischer und kriegsverherrlichender Ästhetik errichtete Denkmal noch immer eine militaristische Botschaft aus, gegen die die geplante künstlerische Ergänzung nur verblassen wird.

In ihrem Flugblatt ruft die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“ zu einem Schweigezug auf, der um 18.30 Uhr auf dem Schulhof des Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasiums in der Hammerschmidtstraße beginnen soll, und vorbei am Alten Jüdischen Friedhof an der Ecke Wanner Straße/Oskarstraße zum „umgewidmeten Kriegerdenkmal“ auf dem Gelände des früheren Schalker Vereins führen soll.

Wie in einem Beitrag in den Gelsenkirchener Geschichten zu lesen ist, wurde diese Planung geändert. Der Schweigezug soll nun zuerst zum „umgewidmeten Kriegerdenkmal“ gehen, dort soll Prof. Dr. Reininghaus die „historische und erinnerungskulturelle Würdigung“ des Denkmals darstellen. Daran anschließend soll es zum gegenüberliegenden Alten Jüdischen Friedhof gehen, wo der Oberbürgermeister und Schirmherr der DI sprechen wird.

Sie können es einfach nicht lassen! Es ist schon faszinierend zu sehen, wie sehr die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“ an diesem ollen Nazi-Schwert hängt, mit dem die Nazis die Beschäftigten des Schalker Vereins mit der Erinnerung auf den Ersten zugleich auf den Zweiten Weltkrieg einstimmten.

Die VVN-BdA fordert dagegen Frank Baranowski als Oberbürgermeister und Schirmherrn der DI in ihrem Offenen Brief dazu auf, „sich dafür einzusetzen, dass aus dem Nazi-Schwert durch eine wirklich radikale Verfremdung ein antifaschistisches Gesamtkunstwerk wird. Hierzu bedarf es einer Aufforderung an die Künstler und Bürger der Stadt, um das wertlose Schandmal durch ganz unterschiedliche Installationen phantasievoll und kreativ einzurahmen und zu kommentieren. Dies mindert nicht den Denkmalwert, schafft aber eine klare Aussage aus der Gegenwart zum Objekt der Nazi-Barbarei.“ Vielleicht gibt es ja noch eine Antwort darauf.

Supplement

Am 3. November 2015 erreichte mich ein Schreiben – nicht durch den Oberbürgermeister und Schirmherrn der DI Frank Baranowski – , sondern verfasst vom Leiter des Instituts für Stadtgeschichte (ISG), Prof. Dr. Stefan Goch, dass erneut die offizielle Sichtweise darstellte. Eine ganzseitige Berichterstattung zum Thema folgte am 4. November im Lokalteil der WAZ, in der auch auf die Position der Gelsenkirchener VVN-BdA eingegangen wurde.