Archiv für den Monat Dezember 2020

Werbung aus der Zeit der Jahrhundertwende erinnert an jüdisches Leben in Gelsenkirchen

Unerwartet aufgetaucht: Erinnerung an jüdisches Leben in Gelsenkirchen.

Die Werbung auf einer Häuserwand an der Bochumer Straße in Ückendorf, die nach dem Abriss eines Hauses aus der Vergangenheit aufgetaucht war, verschwindet gerade wieder hinter einem Neubau. Der überraschende Fund hatte Mitte des Jahres Wellen geschlagen und selbst der WDR hatte unter der Überschrift „Reklame-Fund ruft jüdische Familiengeschichte wach“ berichtet. Aufgetaucht war die Werbung nach dem Abriss eines Hauses. „Gutsitzende Anzüge & Überzieher kauft man am besten bei Alexander / Bahnhofstr 83 / 1 Minute vom Hauptbahnhof“ war dort noch sehr gut erhalten zu lesen.

Die aus dem Jahr 1906 stammende Reklame erinnert an die jüdische Kaufmansfamilie Alexander, die erfolgreich Konfektionsgeschäfte in Gelsenkirchen betrieb. Doch spätestens mit der Reichspogromnacht 1938 war klar, das jüdisches Leben in Nazi-Deutschland keine Zukunft haben würde. Wie viele andere jüdische Familien auch wurden die Alexanders vom Nazi-Regime gezwungen, ihre Geschäfte zu Schleuderpreisen zu verkaufen und Deutschland zu verlassen. Jakob und Friedrich Alexander emigrierten 1939 nach Südamerika. Ein Neffe der beiden Firmeninhaber, Fred Alexander, konnte mit einem Kindertransport nach London ausreisen und lebt heute 91jährig in New York.

Werbung aus der Jahrhundertwende.

Auch die Jüdische Allgemeine berichtete ausführlich und man mag ihr die mangelnde Ortskenntnis, die aus der Bochumer die Horster Straße machte, verzeihen. Darin heißt es, dass die sehr gut erhaltene Originalreklame konserviert und als Gedenkort erhalten bleiben soll. Außerdem werden Möglichkeiten erörtert, wie man sie weiterhin sehen kann. Während die Jüdische Gemeinde Kontakt zum in New York lebenden Neffen geknüpft hat, über den der WDR und die Jüdische Allgemeine berichtet haben, hat Gelsenzentrum e.V. einen Kontakt zur in Rio de Janeiro lebenden Enkelin Deborah Alexander hergestellt. Auf der Webseite von Gelsenzentrum finden sich Fotos und weitere Berichte, die an eine Zeit und an Leben erinnern, die die Nazis erbarmungslos zerstört haben.

„Veränderung beginnt mit Opposition!“

Foto aus dem Jahre 2008.

Zu meinem Leidwesen hat die SPD auch in Gelsenkirchen wie schon oft anderswo eine sogenannte „Große“ Koalition mit der CDU geschlossen. Ich mag meine Kritik an dieser mutlosen Politik nicht noch einmal wiederholen, sie findet sich an mehreren Stellen in diesem Blog. Franz Müntefering (SPD) hat diese alternativlose Politik mal mit dem Satz „Opposition ist Mist!“ begründet. Eine andere Partei, auf Bundesebene zum Glück noch immer weit von einer Regierungsbeteiligung entfernt, erklärte ihren politischen Anspruch dagegen früher mal mit dem Satz „Veränderung beginnt mit Opposition!“ Nun war und ist auch DIE LINKE in ostdeutschen Ländern an Regierungen beteiligt oder beteiligt gewesen, in Gelsenkirchen war sie jedoch bislang immer in der Opposition.

Wer den jüngsten Bericht auf der Webseite der Gelsenkirchener Linkspartei „Konstituierende Ratssitzung – alles bleibt wie gehabt!“ genau gelesen hat, dem wird nicht entgangen sein, dass von der vorgeblichen Koalition der Einladung, wie die scheingroße Koalition aus den Reihen der SPD bezeichnet worden ist, bereits in der ersten Ratssitzung nichts übrig geblieben ist. Martin Gatzemeier, Fraktionsvorsitzender der DIE LINKE, fasste das folgerichtig zusammen: „War es in den letzten sechs Jahren die SPD allein, die mit ihrer Stimmenmehrheit ihre ureigensten Pläne verfolgte und durchsetzte, so sind es jetzt SPD und CDU gemeinsam, die mit ihrer Mehrheit alle anderen im Rat vertretenen Parteien blockieren werden.“

Auf der Webseite der WAZ kann man unter der Überschrift „Linke in Gelsenkirchen kämpft weiter gegen soziale Unwucht“ vor der Bezahlschranke noch den Anreißer „Die Linke sieht sich in Gelsenkirchen als Sprachrohr ‚für die untere Hälfte der Gesellschaft‘. So wollen ihre Stadtverordneten künftig agieren.“ lesen. So sinnvoll es ist, auf den in meinen Augen selbstverständlichen „Markenkern“ hinzuweisen, sollte das jedoch nicht alles gewesen sein, was linke Politik in Gelsenkirchen ausmacht. Schließlich spricht nichts dagegen, bereits in der Opposition Koalitionen mit demokratischen Partnern zu schmieden. Selbst wenn nach Prozentpunkten die AfD die größte Oppositionspartei ist, könnten mehrere demokratische Oppositionsparteien die Meinungsführerschaft in der Opposition erlangen – übrigens nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen die scheingroße Koalition aus SPD und CDU.

Veränderung beginnt mit Opposition! Also macht was draus!