Jubiläumsfeier der VVN-BdA NRW – unter anderem mit der „Microphone Mafia“.Alle Fotos in der Fotogalerie unten.
Gut ist sie geworden, die Jubiläumsfeier der Landesvereinigung NRW der VVN-BdA. Eigentlich hatte sie schon im vergangenen Jahr stattfinden sollen, doch die Einschränkungen der Corona-Pandemie machten den Planungen trotz Veränderungen einen Strich durch die Rechnung und erzwangen eine Verschiebung. Doch nicht nur zeitlich wurde die Veranstaltung um ein halbes Jahr verschoben, auch örtlich vom Zentrum Altenberg in Oberhausen zur Färberei e.V. nach Wuppertal-Oberbarmen.
Meine letzten Erfahrungen mit dem Wuppertaler Hauptbahnhof waren nicht die besten, doch inzwischen fährt die S9 über den Wuppertaler Hauptbahnhof hinaus bis Oberbarmen – und sogar pünktlich. So kam ich nach einer unkomplizierten Anreise rechtzeitig am heutigen 12. Juni 2022 in Oberbarmen an, um mich am Aufbau, der bereits in den letzten Zügen lag, fotografisch zu beteiligen.
Achtung Baustelle! Hier mit Falk Mikosch und Christa Bröcher.
Unter dem Slogan „Antifaschismus und Frieden sind alternativlos!“ startete um 11 Uhr das vielseitige Programm und bot Raum für viele Begegnungen und Gespräche, auch für das leibliche Wohl war gesorgt. Mit den beiden Stücken „Mein Vater wird gesucht“ und „Solang die Mörder leben auf der Welt“ wurden die ersten Gäste begrüßt. Anschließend präsentierten Beate Kuhlmann und Horst Winstermann mit „Talking Jazz“ angenehme Jazz-Musik, der man zuhören oder während der man der sich auch unterhalten konnte, eine Gelegenheit, die von vielen genutzt wurde.
Hörenswert: Talking Jazz.
Nach dem Grußwort des Bürgermeisters Fragemann ließ Landessprecher Falk Mikosch einige Streiflichter aus 75 Jahren VVN aufleuchten. Anschließend gratulierte er gemeinsam mit mir drei langjährigen Mitgliedern, den beiden anwesenden Christa Bröcher und Ulrich Sander wurden eine Ehrenurkunde und als Buchpräsent „Albert Funk“ überreicht, die Ehrung für die hochbetagte aber rüstige Hannelore Merten werden Falk und ich in ihrem Altenheim nachholen. Last but not least hob Ulrich Schneider in seiner Doppelfunktion als Bundesprecher der VVN-BdA und Generalsekretär der FIR die Bedeutung der Landesvereinigung NRW hervor. Mit der Microphone Mafia trat „die einzige Mafia, die die Welt braucht“ auf (allerdings nun ohne die verstorbene Esther Bejarano), die Veranstaltung beschloss der wortwitzige Poetry Slammer Sulaiman Masomi.
Die Jubiläumsschrift: 75 Jahre auf fast 500 Seiten.
Jedes anwesende Mitglied erhielt einen Band der Jubiläumsschrift „75 Jahre VVN-BdA NRW“, das die zum 50jährigen Jubiläum erschienenen Streiflichter mit einer fortgeführten Ereignisgeschichte der letzten 25 Jahren verband. Auf fast 500 Seiten findet man alles Wissenwerte über die Geschichte der nordrhein-westfälischen NRW. Allen Mitarbeitenden an diesem Werk sei an dieser Stelle noch einmal herzlich für ihre Mühe gedankt.
Ein Blick in den Wagen von Gunter Demnig mit den für die Verlegungen vorbereiteten Stolpersteine. (Archivbild 2016).
Das größte und dezentrale Denkmal der Welt wächst weiter – auch in Gelsenkirchen. Seit 2009 kommt der Kölner Bildhauer und Aktionskünstler Gunter Demnig nun in unsere Stadt, um auch hier weitere Stolpersteine zu verlegen. Jeder einzelne Stolperstein erinnert am letzten, frei gewählten Wohnort an einen von den Nazis verfolgten oder ermordeten Menschen. Nur wenige konnten durch Flucht ihr Leben retten, die meisten wurden unter unsäglichen Bedingungen ermordet.
Zu den bisher 265 in Gelsenkirchen verlegten Stolpersteinen kommen nun 18 weitere hinzu, die ein kleines Mosaikbild der faschistischen Politik zeigen. Neben Demnig, der die Verlegung durchführt, Gästen, Stolperstein-Patinnen und Paten nimmt auch eine Schülerinnen-und-Schüler-Gruppe der Gesamtschule Berger Feld teil. Organisiert von der Arbeitsgruppe Stolpersteine des Vereins Gelsenzentrum, ist die folgende Verlegereihenfolge geplant, zu der die Öffentlichkeit herzlich eingeladen ist. Für Interessierte gilt es, ein Zeitfenster von ± 20 Minuten zu den genannten Uhrzeiten einzuplanen. Es gelten bei den kleinen Verlegezeremonien die jeweils aktuellen Corona-Richtlinien.
Die Entstehung der Friedenstaube. Archivfoto der Friedensdemonstration 2014 zur Ukraine (Foto: Andreas Jordan)
Anfang April kurz vor dem diesjährigen Ostermarsch, erhielt ich den Aufruf „Für eine neue Friedensbewegung gegen jede imperialistische Aggression!“ Darin fordert das Internationalistische Bündnis, das heißt MLPD & Freunde, eine „Front“ aufzubauen „um einen 3. Weltkrieg zu verhindern!“ Zugleich wird die bestehende Friedensbewegung diffamiert. So heißt es weit unten im Text: „Denn die alte Friedensbewegung ist gescheitert, weil sie sich überwiegend auf die Seite Russlands geschlagen hat.“
Ich kann mich noch gut an die Friedensbewegung der 1980er Jahre erinnern, die breit und bunt war und in der hunderttausende Menschen gegen die NATO-Nachrüstung demonstrierten. Die Motive und Weltanschauungen der Friedensbewegten damals waren unterschiedlich, und das war der Schlüssel für eine breite Bewegung. Gewerkschafter, Sozialdemokraten, Kommunisten, Christen, Pazifisten und viele andere unterschiedliche Menschen demonstrierten gemeinsam gegen die Politik der Nachrüstung, die die SPD mit Helmut Schmidt begonnen und die CDU mit Helmut Kohl fortgesetzt hatte.
Die Breite dieser Friedensbewegung ist verloren gegangen, heute ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die beiden ehemaligen Machtblöcke NATO und Warschauer Pakt sich nicht mehr im geteilten Deutschland gegenüberstehen und viele Menschen hier sich nicht mehr direkt betroffen fühlen. Der Warschauer Pakt hat sich nach 1990 aufgelöst und die NATO sich nach Osteuropa ausgedehnt und zahlreiche ehemalige Staaten des Warschauer Paktes aufgenommen. Diese Politik wird aus den Reihen der Friedensbewegung aus verschiedenen Gründen kritisch gesehen. Daraus den Schluss zu ziehen, sie hätte sich überwiegend auf die Seite Russlands geschlagen und sei deswegen gescheitert, ist in doppelter Hinsicht falsch.
Abgesehen von diesem Detail, der die bestehende Friedensbewegung im Gleichschritt mit zahlreichen Mainstreammedien unter der Hand als „Putinversteher“ diffamiert und spaltet statt zusammenzuführen, bietet der gesamte Aufruf mit seinen ideologischen Scheuklappen und einer in Teilen antiqierten Sprache, die aus den Arbeiterkämpfen der letzten beiden Jahrhunderten stammt, keine Basis für eine breite und bunte Friedensbewegung im 21. Jahrhundert, sondern nur für eine der vielen Organisationen im Umkreis der MLPD, also für ihr selbstgewähltes Ghetto. Das ist schade, denn angesichts der bekannten und im Aufruf beschriebenen Entwicklung ist eine breite und bunte Friedensbewegung so nötig wie nur irgendwas.
Eigentlich ist schon alles zur Landtagswahl NRW geschrieben worden und meine Motivation, noch etwas originäres hinzuzufügen äußerst gering. Wahlgewinner sind CDU und Bündnis 90/Die Grünen, Wählerstimmen verloren haben die anderen Parteien, und DIE LINKE hat deutlich den Einzug in den Landtag verpasst. Beklagt wird allenthalben die niedrige Wahlbeteiligung – offenkundig verliert die repräsentative Demokratie zunehmend ihre Anhänger. Wenn man im Landtag nur die Anzahl der Sitze entsprechend der Wahlbeteiligung besetzen würde, dann blieben fast die Hälfte der Sitze unbesetzt.
In Gelsenkirchen ist die Situation noch etwas anders als im Land, hier hat die SPD mit 27.633 Zweitstimmen (37,48 %) die Nase vorn. Nach der CDU kommen an dritter Stelle die Bündnisgrünen mit 8.816 Stimmen (11,96 %), gefolgt von der AfD mit 7.695 Stimmen (10,44 %). DIE LINKE erhielt nur noch 1.402 Zweitstimmen (1,90 %) – aber 1.767 Erststimmen (2,40 %). Allerdings lag die Wahlbeteiligung in Gelsenkirchen bei unterirdischen 44,45 %, das heißt, mehr als jeder Zweite ist nicht zur Wahl gegangen. Wie die WAZ berichtet, ist das die zweitgeringste Wahlbeteiligung in ganz NRW und macht als Ursache die soziale Ungleichheit aus.
Als Illustration habe ich ein nur noch in Teilen aktuelles Plakat der Linkspartei gewählt. Oskar kann man nicht mehr wählen, aber möglicherweise wird sich der eine oder andere Wähler der Bündnisgrünen Schwarz ärgern. Vielleicht ist es aber auch ein Ergebnis, dass den Bündnisgrünen mehr entspricht, als man glaubt. Werden die Grünen doch größtenteils von Akademiker:innen und Beamt:innen gewählt.
Kürzlich stieß ich in der örtlichen WAZ auf einen Artikel über Kandidatinnen und Kandidaten der kleinen Parteien zur Landtagswahl NRW am kommenden Sonntag, deren Chance, tatsächlich in den Düsseldorfer Landtag einzuziehen, eher gering ist. Einer dieser Kandidaten ist der mir bekannte Valentin Zill, der erst kürzlich von Hessen nach Gelsenkirchen gezogen ist. Da der Artikel in der WAZ offenkundig aufgrund einer reinen Online-Recherche entstanden ist („Wer über den gebürtigen Göttinger im Netz nachforscht“), ohne dass der Kandidat selbst befragt worden ist, nutzte ich journalistischer Amateur die Chance, ihn selbst zu interviewen.Die Überschrift zu diesem Beitrag ist übrigens dem oben genannten WAZ-Artikel entnommen.
Knut: Hallo Valentin, kürzlich hat die Gelsenkirchener WAZ kurz über verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten zur Landtagswahl am 15. Mai 2022 berichtet. Du hast mir gegenüber den Text deutlich kritisiert. Wie würdest du dich und deine Biografie kurz vorstellen?
Valentin: Die WAZ-Notiz hat mich vor allem deshalb gestört, weil sie oberflächlich recherchiert war und der Autor sich nicht bei mir gemeldet hat – politische Inhalte fehlen da völlig. Das ich nach meiner Bundestagskandidatur im Wahlkreis Rheingau-Taunus – Limburg für die Linkspartei „noch weiter nach links gerückt“ sei, ist falsch. Ich war als Student schon einmal Mitglied der DKP, hatte mich in Limburg nur in der Linkspartei engagiert, weil die DKP dort nicht aktiv ist, und war innerhalb der Linkspartei in der Kommunistischen Plattform organisiert. Richtig ist, dass ich ursprünglich aus Göttingen komme. Ich bin Jahrgang Tschernobyl. Meine Familie ist an den Chiemsee gezogen, als ich sieben war. Ich habe zwei Berufsausbildungen in München gemacht, in Traunstein Abitur nachgeholt und in Heidelberg, Bayreuth und München studiert. Ich habe einen Bachelor of Arts in Ethnologie, Soziologie und Afrikanistik. Nach dem Studium habe ich zunächst freischaffend als Musikjournalist gearbeitet und längere Zeit in Côte d’Ivoire und Äthiopien gelebt. Zurück in Deutschland habe ich im Tourismus gearbeitet. Dann kam Corona. Ich musste mich beruflich neu orientieren, habe mich auf meine Talente besonnen und entschieden, wieder Journalist zu werden. Jetzt schreibe ich über Politik statt über Musik, mit klarem proletarischem Klassenstandpunkt. Das Wichtigste aber: Ich bin seit meinem 14. Geburtstag politisch aktiv. Gegen Faschismus, für Frieden, als Gewerkschaftsmitglied.
Knut: Warum kandidierst du für die DKP und warum gerade in Gelsenkirchen?
Valentin: Für die DKP kandidiere ich, weil ich davon überzeugt bin, dass unser Bundesland – und unser Land – eine kommunistische Partei braucht. Unser Widerstand gegen Kapitalismus und Imperialismus, gegen Krieg und Umweltzerstörung ist wichtiger denn je. Wir treten aber nicht zur Landtagswahl an, um am Parlamentsbetrieb teilzuhaben. Der Wahlkampf ist Teil unserer außerparlamentarischen Strategie. Wir unterstützen gewerkschaftliche und soziale Kämpfe, die Friedensbewegung und antifaschistische Arbeit. Im Wahlkreis Gelsenkirchen I – Recklinghausen V trete ich an, weil es mich beruflich vor knapp einem Jahr nach Gelsenkirchen verschlagen hat, ich mich hier wohl fühle und politisch engagieren möchte. Die „Stadt der zehntausend Gefeuerten“ ist nach dem verpassten Strukturwandel die ärmste Deutschlands. Hier ist die Not besonders groß. Dafür sind die Menschen hier freundlich, offen und vor allem solidarisch.
Knut: Was sind für dich die 3 wichtigsten politischen Themen/Fragen der Gegenwart?
Valentin: Zuvorderst die Frage nach Krieg und Frieden. Der deutsche Imperialismus rüstet massiv auf. Der deutsche Rüstungshaushalt wird dieses Jahr der drittgrößte der Welt sein. Die NATO-Staaten geben 16-mal mehr für Rüstung aus als Russland. Deutschland alleine wird in diesem Jahr mehr Geld in Waffen und Militär stecken als das so viel größere Russland. Wer solche Rüstungsorgien feiert, der bläst zum Krieg. Dem müssen wir uns entschieden entgegen stellen. Die DKP fordert den Austritt der BRD aus der NATO, das Verbot sämtlicher Rüstungsexporte und die Beschlagnahmung der Gewinne der Rüstungsindustrie. In Nordrhein-Westfalen setzen wir uns für die Schließung der AWACS-Air-Base in Geilenkirchen, der NATO-Basis in Kalkar und die Auflösung des deutsch-niederländischen Korps in Münster ein. Dann die Verelendung breiter Massen im Spätkapitalismus. Die Energiepreise galoppieren, die Lebensmittelpreise wachsen rasant, die Mieten steigen auch immerzu. Hartz-IV-Empfängern war ein menschenwürdiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe schon immer verwehrt. Jetzt sinkt auch der Lebensstandard von Arbeitern und Angestellten deutlich, die sich bisher zur Mittelschicht zählten. Immer mehr Menschen stellt sich die Frage: Hungern oder Frieren? Gleichzeitig werden die Reichen immer reicher. Im Jahr 2020 zum Beispiel wuchs das Vermögen der Superreichen um sagenhafte 60 Prozent. Im gleichen Zeitraum fielen über 100 Millionen Menschen auf der Welt in absolute Armut. Da besteht natürlich ein Zusammenhang, der in den Medien allerdings kaum thematisiert wird. Wir Kommunisten fordern eine Millionärssteuer, Energiezuschläge für Sozialleistungsempfänger und ein Verbot von Strom- und Gassperren. Der dritte wichtige Punkt ist die Ausländerfeindlichkeit und der Rassismus in Deutschland und die wachsende faschistische Gefahr. Krieg und Faschismus gehören zusammen. Ich bin dem Schwur von Buchenwald verpflichtet, den Nazismus mit seinen Wurzeln zu vernichten und eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. Die DKP kämpft für ein Verbot sämtlicher faschistischer Parteien und für eine Auflösung des so genannten „Verfassungsschutzes“, der Nazis mit Geld und Waffen versorgt und vor Strafverfolgung schützt. Wir setzen uns dafür ein, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum gesetzlichen Feiertag zu machen.
Knut: Du schreibst für die Zeitung „Unsere Zeit“. Was ist deine Motivation?
Valentin: Bei der UZ mache ich ein Volontariat, also eine Ausbildung zum Redakteur. Hier darf ich mich spannenden Themen widmen und einen kleinen Beitrag dazu leisten, proletarisches Klassenbewusstsein zu fördern, Perspektiven für eine bessere Welt aufzuzeigen und Aufklärung zu betreiben – was die Mainstream-Medien, alle im Besitz weniger Konzerne, ja nicht tun.
Knut: Du bist auch Mitglied der VVN-BdA. Was hat dazu geführt, hier Mitglied zu sein?
Valentin: Mit der VVN-BdA bin ich erstmals in Kontakt gekommen, als ich im Rahmen meines Abiturs eine Seminararbeit zum Thema „Die Problematik des öffentlichen Gedenkens an Opfer des Faschismus im Landkreis Traunstein“ geschrieben habe. Die einzige Monographie, auf die ich mich stützen konnte, war ein Buch von Friedbert Mühldorfer von der VVN-BdA München. Er hat mich unterstützt und hervorragende Tipps gegeben. Für meine Seminararbeit habe ich dann einen lokalen Geschichtspreis gewonnen. Als Dank bin ich der VVN beigetreten. Das war damals aber schon lange überfällig. Meine politische Sozialisation hatte schließlich mit Antifaschismus begonnen. Mitglied eines Verbands zu sein, der von Überlebenden der faschistischen deutschen Barbarei gegründet wurde, war und ist für mich eine Ehre, die mir eigentlich nicht zusteht. In der VVN durfte ich Menschen wie Martin Löwenberg und Prof. Kurt Pätzold kennenlernen – Begegnungen, die mich geprägt haben.
Werbung für den Tag der Offenen Tür am 8. Mai 2022.
Nachdem das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung in den beiden vergangenen Jahren jeweils Veranstaltungen zum 8. Mai durchgeführt hatte, um die Forderung der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano und der VVN-BdA, den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag zu erheben und um zu zeigen, wie sich ein solcher Feiertag mit Leben füllen lässt, gibt es in diesem Jahr erstmalig in unserer Stadt ein gemeinsames Programm der städtischen Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie des Gelsenkirchener Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Ausgrenzung.
Zwischen dem 8. und dem 18. Mai 2022 finden eine Reihe unterschiedlicher Veranstaltungsformate statt. Beginnend mit dem Tag der Offenen Tür in der Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus“ in Gelsenkirchen-Erle mit Führungen durch die Ausstellung um 11 und 15 Uhr finden an den darauffolgenden Tagen unter anderem Vorträge, ein Workshop zwei Filmvorführungen und eine Buchpräsentation statt. Veranstalter sind das Institut für Stadtgeschichte, die Volkshochschule bzw. die flora. Die Stadtbibliothek bietet den Schulen Recherchetrainings sowie ein digitales Medienverzeichnis zum Thema 8. Mai an. Die AG „Laufend erinnern“ gedenkt auf dem Friedhof in Gelsenkirchen-Heßler.
Das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung als Repräsentant der Zivilgesellschaft beteiligt sich mit drei Veranstaltungen: in Gelsenkirchen-Horst steht Stolpersteine putzen auf dem Programm, an der Altstadtkirche wird eine Mahnwache für den Frieden abgehalten und eine Antifaschistische Fahrradtour führt zu den Kriegerdenkmalen in Gelsenkirchen.
Das komplette Programm mit allen Infos und Zeitangaben ist hier zu finden. Voranmeldungen sind nur bei den Veranstaltungen der VHS erforderlich, alle übrigen können ohne Anmeldung – spontan – besucht werden.
Plakate zur Landtagswahl NRW 2022 in Gelsenkirchen.
Anders als bei früheren Wahlkämpfen habe ich mir nicht mehr die Mühe gemacht, die einschlägigen Plakate der Parteien zu fotografieren und zu kommentieren, irgendwie sind mir die meisten Plakate zu nichtssagend, zu langweilig geworden. Mehrfach ins Auge gestochen ist mir dagegen die oben abgebildete Aufstellung dreier Plakatwände an der Kreuzung Overwegstraße/Florastraße (im Hintergrund das Musiktheater im Revier).
Während SPD und CDU hier ihre Spitzenkandidaten Hendrik Wüst (CDU), der Ministerpräsident bleiben will und Thomas Kutschaty (SPD), der Ministerpräsident werden will zeigen, haben die Bündnisgrünen ganz selbstverständlich ihre Gelsenkirchener Kandidatin Ilayda Bostancieri daneben postiert. Während ich Ilayda bereits bei mehren lokalen Demonstrationen gegen Rechts gesehen habe, sind mir weder Hendrik Wüst noch Thomas Kutschaty jemals in Gelsenkirchen begegnet. Daraus folgt erst einmal keine Wahlentscheidung, bemerkenswert ist die Schwerpunktsetzung der Bündnisgrünen allemal.
Ganz rechts und nicht mehr im Bild befindet sich übrigens ein Plakat der FDP, deren Kandidatin ist mir jedoch noch nicht einmal dem Namen nach bekannt. Woran auch immer das liegen mag.
Update: Thomas Kuschaty bin ich tatsächlich dann doch noch in Gelsenkirchen begegnet. Am Samstag vor der Landtagswahl verteilte er auf dem Heinrich-König-Platz beim Streetfood-Festival rote Rosen. Meine Freundin bekam auch eine verbunden mit der Bitte, am nächsten Tag zu wählen.
8. Mai 2020: Eines der vielen selbstgemachten Plakate und ein Blick auf einen Teil der kontaktlosen Menschenkette.
Fast 175.000 Unterschriften hat die VVN-BdA als Initiatorin der Online-Pettion „8. Mai zum Feiertag machen! Was 77 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!“ gesammelt, diese gehört schon jetzt zu einer der meist gezeichneten Online-Petition. Inspiriert wurde sie von Esther Bejarano, die als Mitglied des „Mädchenorchester von Auschwitz“ das gleichnamige Vernichtungslager, das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und einen Todesmarsch überlebte. Bis zu ihrem Tod am 10. Juli 2021 war sie Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD e.V. und Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).
In einem Offenen Brief hatte sie im Jahr vor ihrem Tod und einen Tag vor dem Gedenktag an die Befreiung von Auschwitz, am 26. Januar 2020 „an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen“ ihre Forderung aufgestellt: „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes.“
Inzwischen zieht die Kampagne der VVN-BdA immer weitere Kreise. So führte Anfang April die Naturfreundejugend NRW zusammen mit zahlreichen Bündnispartnern, darunter auch der VVN-BdA NRW, den „Esther-Kongreß“ durch, und stärkt mit einer eigenen Kampagne auf NRW bezogen die Forderung, den 8. Mai zum Feiertag zu machen. In unserer Stadt, in Gelsenkirchen, hat in den beiden vergangenen Jahren das Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung um den 8. Mai eigene Veranstaltungen durchgeführt; in diesem Jahr wird erstmals die Stadt Gelsenkirchen auf der Grundlage eines Ratsbeschlusses verschiedene Veranstaltungen um den 8. Mai durchführen, an denen neben den städtischen Kultureinrichtungen und das Institut für Stadtgeschichte auch das Aktionsbündnis beteiligt sein wird. Unsere Forderung bleibt: Achter Mai arbeitsfrei – Zeit für Antifaschismus!
„No war“ – Kein Krieg, eines der ältesten Transparente des Friedensforums Gelsenkirchen.
Nicht unerwartet werden die Teilnehmenden der diesjährigen Ostermärsche mit den alten Argumenten aus der Zeit des Kalten Krieges wahlweise als naiv oder „fünfte Kolonne Moskaus“ beschimpft. Wäre ich bösartig, würde ich annehmen, dass sich die Politikerinnen und Politiker, die gerade Waffenlieferungen und militärische Aufrüstung das Wort reden, froh sind, dass es endlich wieder eine Ostfront gibt, und dass dieses mal nicht wir bis zum letzten deutschen Soldaten in Stalingrad, sondern nur die USA ihren Stellvertreterkrieg bis zum letzten Ukrainer führen. Ich bin aber nicht bösartig, sondern nur wütend über die aktuelle Situation und trauere um die ukrainischen Flüchtlinge und Toten.
„Frieden schaffen ohne Waffen“ sei zynisch, habe ich gelesen. Wo in aller Welt wurde denn mit Waffen Frieden geschaffen? In Afghanistan, wo sich die westlichen Armeen nach 20 Jahren überstürzt vor den Taliban zurückgezogen und ihre Ortskräfte im Stich gelassen haben? Im Irak, wo sich nach dem Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten die barbarische Terrorarmee „Islamischer Staat“ gegründet und einen Völkermord an den Jesiden verübt hat? In Libyen, in Syrien, im Jemen, in Georgien, in Mali, auf Zypern, in Vietnam, in Korea … Überall auf der Welt gibt es Brandherde, Kriege, die mit Waffen geführt und nicht beendet werden. Denn Waffen beenden keinen Krieg, mit Waffen werden Kriege geführt. Es braucht Politik, Diplomatie und die Anerkennung gegenseitiger Interessen, um zu einem Frieden zwischen Staaten und Kriegsparteien zu kommen.
Behauptet wird auch, die Friedensbewegung oder der Ostermarsch habe den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine nicht verurteilt. Natürlich wird dieser Angriff verurteilt, genauso wie alle anderen völkerrechtswidrigen Kriege. Allerdings bleiben die Menschen, die sich für den Frieden engagieren, nicht bei der Verurteilung stehen, sondern interessieren sich für die Hintergründe, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Es gibt viele Stimmen, die ganz klar sagen, dass die Ausdehnung der NATO auf das Gebiet des früheren Warschauer Paktes und der früheren Sowjetunion und die fehlende Schaffung einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur unter Einschluss von Russland die Voraussetzungen für die jetzige Situation geschaffen haben. Die Abschätzigkeit, mit der Russland von Seiten der USA als Regionalmacht behandelt worden ist, war ebensowenig hilfreich.
Bereits 1997 äußerten mehr als 40 ehemalige Senatoren, Regierungsmitglieder, Botschafter, Abrüstungs- und Militärexperten gegenüber dem damaligen US-Präsidenten Clinton ihre Bedenken bezüglich der Osterweiterung der NATO. Der Historiker und Diplomat George F. Kennan beurteilte sie 1997 als verhängnisvollen Fehler, weil sie erwarten lasse, „dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden.“ 1999 schrieb der konservative US-Politiker Pat Buchanan: „Indem wir die NATO in den Vorgarten Russlands verschieben, treten wir die Konfrontation des 21. Jahrhunderts los. …. Wenn der wachsende Unmut in Russland dazu führt, dass Jelzin durch einen antiamerikanischen Nationalisten ersetzt wird, dann liegt die volle Schuld bei einer hochmütigen US-Elite, die ihr Bestes getan hat, um Russland zu demütigen.“ Man kann über die Wortwahl („Vorgarten“) streiten, die eine Sicht auf die Welt wiedergibt, die ich nicht teile, aber die Gefahr der dann durchgeführten Politik hat er klar benannt.
Die in den 1990er Jahren befürchtete Situation ist eingetreten. Wir haben es inzwischen mit einem autoritär regierten Russland zu tun, das seine selbst definierte Interessensphäre mit militärischen Mitteln vor einer befürchteten weiteren Ausdehnung der NATO schützt. Der Frieden, der 1990 in Sicht gewesen ist, ist in weiter Ferne gerückt.
„sofort aufhören“ – Nur scheinbar ein neues Transparent des Friedensforums Gelsenkirchen.
Seit vielen Jahren beteilige ich mich aus friedenspolitischen Gründen am Ostermarsch. Gab es in den 1980er Jahren angesichts der NATO-Nachrüstung und der Angst vor dem Atomtod große bunte Demonstrationen von Zehntausenden, die an drei Tagen von Duisburg nach Dortmund zogen, so schmolz die Friedensbewegung mit dem Ende des Kalten Krieges auf eine kleine Schar unentwegter Friedenskämpfer. Die Etappe in Gelsenkirchen wurde zu einem kleinen aber feinen Empfang des aus Essen kommenden Fahrradkorsos, organisiert vom Friedensforum Gelsenkirchen. Neben einer kurzen Rast bei Kaffee, Kuchen und vielen Gesprächen stand immer eine Rede am Antifaschistischen Mahnmal nebst einem kulturellen Beitrag auf dem Programm. So auch in diesem Jahr.
Die Beteiligung war angesichts des schönen Wetters gut. Da der Musikpavillion aufgrund von Bauarbeiten nicht benutzt werden konnte, hatte das Friedensforum seinen Stand gegenüber der Baustelle aufgebaut und den Bauzaun für die Präsentation der Transparenten genutzt. Neben den altbekannten habe ich auch zwei neue ausgemacht: „sofort aufhören!“ und unter dem Satz „Nein zum Krieg“ drei zentrale Forderungen des Ostermarsches: „Keine Waffenexporte, Nein zur Aufrüstung, Verhandeln statt töten“. Neben dem Friedensforum Gelsenkirchen hatten auch MLPD, DKP und Die Linke ihre Infostände aufgebaut. Im Gegensatz zu früheren Jahren fehlte – nicht unerwartet – ein Infostand von Bündnis 90/Die Grünen, obgleich Mitglieder der Bündnisgrünen unter den Anwesenden waren.
Wie nicht anders zu erwarten, hat der russische Angriff auf die Ukraine innerhalb und außerhalb der Friedensbewegung für Auseinandersetzungen um die richtige Reaktion auf den völkerrechtswidrigen Angriff geführt. So erreichte mich vor einigen Wochen eine E-Mail aus den Reihen der MLPD, die für eine „neue Friedensbewegung“ warb, die sich gegen das „imperialistische Weltsystem“ richte. Ich halte eine „neue“ Friedensbewegung nicht für notwendig, sondern die Stärkung der bestehenden für wichtig.
Nach Ankunft des aus Essen kommenden Ostermarsches führte der Weg wie immer zum Antifaschistischen Mahnmal, wo nach einem kurzen Musikstück zunächst Hildegard vom Friedensforum an den verstorbenen Friedenskämpfer Willi Hofmeister erinnerte. Als Redner war bereits im Januar des Jahres, also vor dem Krieg in der Ukraine, mit Heiner Montanus der Superintendent der Evangelischen Kirche Gelsenkirchen und Wattenscheid gewonnen worden. In seiner Rede nahm er zunächst Argumente aus der Friedensbewegung gegen den Krieg in der Ukraine auf, um diese dann jedoch als gleichwertig gegenüber den Argumenten für Waffenlieferungen an die Ukraine zu stellen. Damit provozierte er deutlichen Protest aus den Reihen der Kundgebungsteilnehmern – nur mit Mühe konnte er seine Rede zu Ende bringen. Joachim Schramm von der DFG/VK wandte sich anschließend noch mit einigen Worten an die Kundgebungsteilnehmer, um auf die friedenspolitischen Forderungen des Ostermarsches hinzuweisen, die sich deutlich von Montanus‘ Rede abheben.
Die passende Antwort darauf brachte ein Chor aus Mitgliedern der Friedensfreunde Dülmen und des Friedensforums Gelsenkirchen im Anschluss, als sie ein altes Lied der Ostermarschbewegung aus den 1960er Jahren sangen, deren zentrale Sätze lauten: „Marschieren wir gegen den Osten? Nein! – Marschieren wir gegen den Westen? Nein! – Wir marschieren für ne Welt, die von Waffen nichts mehr hält, denn das ist für uns am besten!“
Wie ich erst im Nachhinein erfahren habe (siehe auch den Kommentar von Leo Kowald unten) hat Herr Montanus seine Rede kurzfristig verändert. Damit hat er sich m.E. keinen Gefallen getan, so ehrenwert seine Argumente auch sind. Als früherer Redner beim Ostermarsch in Gelsenkirchen kenne ich den Grundsatz, der für alle Redner gelten sollte: Wir rufen beim Ostermarsch nicht zu Waffenlieferungen und Beteiligungen an Kriegen auf, sondern lehnen diese ab!