Die in Ostwestfalen gelegene Wewelsburg ist nicht nur eine architekturgeschichtliche Besonderheit. Die sehenswerte Dreiecksburg diente Heinrich Himmler für Nazi-Fantasy-Pläne, die 1285 KZ-Häftlinge mit ihrem Leben bezahlten. Heute befindet sich im ehemaligen SS-Wachgebäude eine der wenigen Ausstellungen zur NS-Zeit, die die Täter in den Mittelpunkt stellt. Von hier aus lassen sich auch die erhaltenen Kulträume der SS im Nordturm besuchen. Die Fotos stammen von einem Besuch der Museumsausstellung in der Burg selbst und der zeitgeschichtlichen Ausstellung zur SS im November 2013.
Überraschend klein erschien meiner Begleiterin und mir die Wewelsburg, als wir an einem trüben Novembertag 2013 dort ankamen. Ihre wechselhafte Geschichte wird in einer beeindruckenden Museumsausstellung in der Burg selbst dargestellt, die wir uns zuerst ansahen. Die seit dem 12. Jahrhundert auf vorhandenen Bauwerken errichtete Wewelsburg wurde im 17. Jahrhundert zum Renaissanceschloss umgebaut, nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg wiederhergestellt und verfiel während des 19. Jahrhunderts zu einer romantischen Ruine. 1815 schlug ein Blitz in den Nordturm ein und ließ eine ausgebrannte Turmruine zurück.

Modell des Renaissanceschlosses in der Museumsausstellung, wie es zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgesehen hat. Die Zugbrücke war aus Holz und alle drei Ecktürme trugen noch Zinnenkränze. Die Anlage besteht aus einem gleichschenkligen Dreieck.
In der Weimarer Republik wurde das wieder instand gesetzte Gebäude zu einem überregionalen Veranstaltungsort der katholischen Jugendbewegung. 1925 eröffneten Jugendherberge und Heimatmuseum, auch zahlreiche örtliche Veranstaltungen fanden hier statt. 1934 mietete Heinrich Himmler im Namen der NSDAP die Wewelsburg, zunächst um ein Schulungszentrum der SS einzurichten, später sollte sie zu einer Art „Ritterordenszentrale“ der SS werden. Mit dem zunächst erfolgreichen Krieg wurden die Baupläne immer fantastischer und gigantischer. Zu ihrer Umsetzung wurde ein Konzentrationslager eingerichtet. 1945 durch ein Sprengkommando der SS zerstört, dient das Bauwerk heute wieder wie vor 1934 als Jugendherberge und beherbergt das Kreismuseum und Historische Museum des Hochstifts Paderborn.

Gemälde in der Museumsausstellung, wie die Wewelsburg in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgesehen hat
Aufgrund der Zerstörungen, Umbauten und Verfallsperioden haben sich nur wenige Zeugnisse der Baugeschichte erhalten. Aus dem 17. Jahrhundert stammen der Verhörraum mit Verlieszellen, im Volksmund auch „Hexenkeller“ genannt. 1759 diente das Verlies als Militärgefängnis, hauptsächlich für Deserteure. Seit 1802 wurde es nicht mehr genutzt bis die Nazis während der Reichspogromnacht 1938 die männlichen Mitglieder der jüdischen Gemeinde Salzkotten hier einpferchten, bevor sie in das KZ Buchenwald gebracht wurden. Diese und weitere erhaltene Gebäudeteile, darunter auch den im Bild unten gezeigten, besuchten wir im Verlauf des Museumsrundgangs.

Museumsraum 7 mit Mittelsäule und Fußboden aus dem 17. Jahrhundert und einer Ausstellung zu Zeiterfahrungen in der vorindustriellen Welt
Himmlers Vorstellung von der Funktion der Wewelsburg innerhalb der SS veränderte sich im Laufe der Zeit. Aus der Reichsführerschule SS des Jahres 1934 wurde ab 1936 die Zentrale des SS-Gruppenführercorps, zu der repräsentative Bauvorhaben sowie die Schaffung von synthetischen Traditionen mit Elementen eines Ritterordens, rassistischen Vorstellungen und vorchristlichen, pseudogermanischen Motiven gehörten. So sollte Wewelsburg beispielsweise Aufbewahrungsort für die SS-Totenkopfringe nach dem Tod ihrer Träger werden. Zur Finanzierung gründete Himmler die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler“ als eingetragenen Verein, der anders als die SS, die eine nicht rechtsfähige Gliederung der NSDAP war, steuerbegünstigt Spenden sammeln und Kredite aufnehmen konnte. Kredite erhielt der Verein unter anderem von der Dresdner Bank.
Die auffälligste Veränderung an der Wewelsburg fand bereits 1934 durch die Entfernung des Außenputzes statt, der das Renaissance-Schloss schon vom äußeren her zu einer Burg machte. Ab 1938 begannen die Bauarbeiten an der Ruine des Nordturms mit der bedenkenlosen Vernichtung historischer Bausubstanz und der Schaffung kitschiger „SS-Sakralarchitektur“, wenn man sie so nennen will. KZ-Häftlinge mussten den Fels abtragen, um den Bau der „Gruft“ im Kellergeschoss zu ermöglichen. Im Erdgeschoss entstand der „Obergruppenführersaal“ mit der seit den 1990er Jahren in rechtsextremen und esoterischen Kreisen berüchtigten „Schwarzen Sonne“ im Marmorfußboden.

Innenhof der Wewelsburg mit Blick auf den Nordturm, in dem die „Gruft“ und der „Obergruppenführersaal“ der SS erhalten sind. Das frühere Kapellenportal führt heute in den „Obergruppenführersaal“.
Seit 1939 bestand ein Konzentrationslager, als Außenlager des KZ Sachsenhausen, von 1941 bis 1943 als selbständiges Konzentrationslager Niederhagen und anschließend wieder als Außenlager, diese Mal des KZ Buchenwald. Von insgesamt 3.299 KZ-Häftlingen wurden 1.285 durch die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, Brutalität und Sadismus, mangelhafte Ernährung und medizinische Versorgung ermordet. Die meisten von ihnen, 734 Tote, waren sowjetische KZ-Häftlinge. Vor allem im Jahr 1942 wurde das KZ mit 874 Toten zum Todeslager. 1943 wurde das selbständige KZ Niederhagen aufgelöst, es verblieb nur ein „Restkommando“, das am 2. April 1945 durch Einheiten der US-Armee befreit wurde.

Blick aus der Museumsausstellung der Wewelsburg auf das Wachgebäude mit der Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“
Neben dem am Ortsrand liegenden KZ und den Baumaßnahmen in der Burg griff die SS mit mehreren Gebäuden wie dem „NS-Dorfgemeinschaftshaus“, dem Wach- und Stabsgebäude und weiteren Gebäuden massiv in das Ortsbild ein. Mit der zunehmend maßlosen Bauplanung wurde auch die Umsiedlung der Dorfbewohner vorgesehen und Druck auf sie ausgeübt. Nur drei Bauern gingen auf das Angebot ein – und kehrten 1945 als Vertriebene aus Schlesien wieder zurück.
Die Gebäude des KZ wurden 1943 zunächst von umgesiedelten „Volksdeutschen“ aus Osteuropa bewohnt. 1945 kamen hier erst „Displaced Persons“ und 1946 Vertriebene aus den verlorenen deutsche Ostgebieten unter. Daran an schloss sich ein Streit zwischen dem Land NRW und dem Gemeinderat um eine „Wertsteigerung“ für den Bau der KZ-Gebäude in dem ehemaligen Waldgelände. Die Holzbaracken wurden Mitte der 1950er Jahre abgerissen, die Steinhäuser wurden umgenutzt. Aus dem Torhaus wurde ein Wohnhaus, weitere Gebäude dienen als Feuerwehrgerätehaus, als Teil einer Werkhalle und als Scheune. Der frühere Appellplatz wurde als Rasenfläche gestaltet, erst Ende der 1990er Jahre konnten die Vorbehalte der Bewohner gegen ein Mahnmal durch eine Gruppe junger Wewelsburger aufgebrochen werden, das 2000 auf dem ehemaligen Appellplatz eingeweiht wurde.
Nach wellenförmigen Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit begann Mitte der 1970er der „Paderborner Mahnmalsstreit“, der nach typischen und heftigen öffentlichen Kontroversen zur Entstehung einer untypischen, aber zum Ort passenden Dauerausstellung führte. Die Ausstellung „Wewelsburg 1933-1945, Kult- und Terrorstätte der SS“ aus dem Jahre 1982 thematisierte im ehemaligen SS-Wachgebäude am Burgvorplatz die SS in Wewelsburg und die allgemeine Geschichte der SS. Seit April 2010 ist die neue Ausstellung, „Ideologie und Terror der SS“ eröffnet. Sie bietet neue und moderne Darbietungsmethoden für ihre Inhalte und bezieht weitere bauliche Reste im Untergeschoss des Wachgebäudes sowie die SS-Kulträume im Nordturm in den Rundgang mit ein. Die „Schwarze Sonne“ im „Obergruppenführersaal“ büßt dabei durch eine einfache Methode ihre beherrschende Stellung ein: die Ausstellungsmacher verteilten viele bunte Sitzkissen in die Mitte des Raumes und nahmen ihm so den von der SS zugedachten Charakter. Der positive Nebeneffekt ist, dass sich die Besucher während der Führung durch die Ausstellung hinsetzen können. Wir besuchten die zeitgeschichtliche Ausstellung im Anschluss an die Museumsausstellung im Rahmen einer Besucherführung mit überaus zahlreichen Interessenten. Der Andrang war so groß, dass die Ausstellungsmitarbeiter uns in drei Teilgruppen durch die Ausstellung führten.

Blick in die Gräfte am Nordturm und auf den Weg aus der Ausstellung im Wachgebäude zu den „Kulträumen“ der SS
Kleiner Exkurs: Gedenkstätten und NS-Täter
Die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg war lange Zeit die einzige arbeitende Gedenkstätte, die sich vorrangig mit den NS-Tätern beschäftigte. Gedenkstätten, die die NS-Zeit thematisieren, waren und sind zunächst, dies macht auch die Widmung “Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus” deutlich, Orte, an denen der Opfer gedacht wurde. Auf dem Gelände der ehemaligen großen Konzentrationslager waren es in der Regel die Häftlingslager, auf denen die Gedenkstätten errichtet wurde. Dass sie überhaupt eingerichtet wurden, lag nicht zuletzt an der „Lobbyarbeit“ der internationalen Verbände ehemaliger Häftlinge, die würdige Erinnerungsorte an ihre Leiden und die ihrer ermordeten Kameraden forderten. Daher ist es einsichtig, dass sich diese Gedenkstätten vorrangig mit den Opfern beschäftigen. Werden in einer KZ-Gedenkstätte Täter thematisiert, so handelt es sich in der Regel um die diensthabenden SS-Dienstgrade mit ihren jeweiligen Funktionen im KZ, seltener die sogenannten „Schreibtischtäter“, die nicht unmittelbar an den Taten im KZ beteiligt waren.
Erst in jüngerer Zeit wurden weitere Gedenkstätten an den Orten der Täter gegründet, die sich mit den NS-Tätern auseinandersetzen: die „Topographie des Terrors“ und die „Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz“ in Berlin sowie die „Villa ten Hompel“ in Münster. Die „Topographie des Terrors” dokumentiert auf dem Prinz-Albrecht-Gelände, das das Reichssicherheitshauptamt beherbergte, Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt. Das „Haus der Wannseekonferenz” thematisiert am Ort der Wannseekonferenz des Jahres 1942 den Völkermord an den europäischen Juden als arbeitsteiligen Verwaltungsvorgang. Die „Villa ten Hompel“ zeigt am früheren Sitz der Ordnungspolizei in Münster die Verbrechen von Polizei und Verwaltung.
Ergänzte Fassung
Quellen
Brebeck, Wulff E.: Wie Wewelsburg zu einer Gedenkstätte kam, in: Garbe, Detlef (Hg.): Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik, Bornheim-Merten 1983, S. 153-176
Brebeck, Wulff E.: Die Wewelsburg. Geschichte und Bauwerk im Überblick, Berlin, München 2009
Endzeitkämpfer – Ideologie und Terror der SS. Hrsg. von Wulff E. Brebek … Begleitband zur ständigen Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“ in der „Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933-1945“ des Kreismuseums Wewelsburg, Büren-Wewelsburg. Berlin, München 2011