Nach dem rechten Übergriff! Wie weiter gegen Rechts in Gelsenkirchen?

Die neuerlichen Hakenkreuz-Schmierereien an Hausfront und Eingangstür der Jordans haben – auch über Gelsenkirchen hinaus – viel Staub aufgewirbelt. Doch was wird sich ändern, wenn der Staub sich wieder gelegt hat? Ich vermute mal: nichts!

Berichte und Papier-Solidaritätsbekundungen gab es als wohlfeile Dutzendware. Die örtliche WAZ, die Aktuelle Stunde des WDR und das Regionalfenster NRW von SAT 1 berichteten über den Vorfall und machten ihn überregional bekannt. Die Bezirksvertretungen Nord und West haben einstimmig eine Resolution verabschiedet, auch Die Linke hat sich am 3. Juni empört gezeigt, solidarisch erklärt und wünscht „…, dass es gelingen wird, die Täter zu überführen und zur Rechenschaft zu ziehen.“ Das Bündnis gegen Krieg und Faschismus hat sich nicht nur auf dem Papier solidarisch erklärt, sondern in beiden Fällen die Hakenkreuz-Schmierereien übermalt; zu den aktiven Malern gehörten übrigens beide Male der Fraktionsvorsitzende der Linken und der Vorsitzende der DKP Gelsenkirchen.

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das "Bündnis gegen Krieg und Faschismus"

Beseitigung der Hakenkreuz-Schmierereien am 25. April 2015 durch das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“

Möglicherweise habe ich die eine oder andere Solidaritätsbekundung übersehen. Nicht gefunden habe ich dagegen trotz aktiver Suche irgendeine Reaktion der „Demokratischen Initiative“. In der DI, in Langform „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“, haben sich, so erfährt man, wenn man auf der Seite der Stadt Gelsenkirchen intensiv sucht, 1992 „demokratische Parteien, Kirchen, karitative Einrichtungen, Gewerkschaften und weitere Gruppen zusammengeschlossen, um für ein demokratisches Miteinander in unserer Stadt einzutreten“. Insgesamt 23 Organisationen haben sich hier unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Frank Baranowski zusammengefunden. Zuletzt hatte die DI zur Teilnahme an der Veranstaltung der Evangelischen Emmaus-Kirchengemeinde am 1. Mai 2015 gegen den Aufmarsch der Partei „Die Rechte“ auf dem Rotthauser Ernst-Käsemann-Platz aufgerufen.

„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“

Kenner der örtlichen Verhältnisse wissen natürlich um Auseinandersetzungen vor Ort. So hat sich z.B. die Stadt Gelsenkirchen für ein Erinnerungskonzept namens „Erinnerungsorte“ ausgesprochen, vorgeblich unterstützt durch bürgerschaftiches Engagement der „Demokratischen Initiative“, organisiert und durchgeführt durch das städtische Institut für Stadtgeschichte (ISG) und präsentiert in Form von Erinnerungsortetafeln an Hauswänden geschichtlicher Orte, an Denkmalen etc. Wie viel tatsächliches bürgerschaftliches Engagement darin steckt, lasse ich mal dahingestellt sein. Daneben steht die privat durch den Verein Gelsenzentrum e.V., „Gemeinnütziger Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Gelsenkirchen“ und dessen Projektgruppe Stolpersteine organisierte Verlegung von Stolpersteinen in Gelsenkirchen. Die Verlegung von Stolpersteinen wird unterschiedlich beurteilt, auch in Gelsenkirchen. Die Ablehnung des Engagement von Gelsenzentrum e.V. ging offenbar so weit, dass Andreas und Heike Jordan, die Protagonisten des Gelsenzentrums, Hausverbot in der Synagoge in Gelsenkirchen erhielten. (Nachtrag: Das Hausverbot wurde inzwischen stillschweigend wieder aufgehoben.) Diese Form der Auseinandersetzung ist nicht nur überaus bedauerlich, sondern schädlich, wenn man gemeinsam gegen Rechtsextremismus arbeiten will.

Stolpersteinverlegung am 28. Februar 2012 - im Bild u.a. Heike Jordan und Oberbürgermeister Frank Baranowski

Stolpersteinverlegung am 28. Februar 2012 – im Bild u.a. Heike Jordan und Oberbürgermeister Frank Baranowski

Schwierig gestaltet sich auch die Zusammenarbeit bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Es ist kein Zufall, dass es angesichts des geplanten Aufmarsches der „Die Rechte“ am 1. Mai 2015 in Gelsenkirchen kein gemeinsames Bündnis „Gelsenkirchen stellt sich quer“ wie in benachbarten Städten gab, in der auch weltanschaulich unterschiedliche Organisationen zusammenarbeiten dürfen. Stattdessen organisierten örtliche Organisationen in Gelsenkirchen-Rotthausen auf dem Ernst-Käsemann-Platz ein Freundschafts- und Kulturfest, an das sich die Demokratische Initiative „anhängte“ und zur Teilnahme aufrief. Ein Bündnis aus Jugendorganisationen bildete das Bündnis „G-E-blockt“ mit dem Ziel, Sitzblockaden durchzuführen. Das seit 2011 bestehende Antikriegstagsbündnis benannte sich zum „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“ um und meldete eine Kundgebung direkt an der Stadtgrenze Essen-Gelsenkirchen an. Im letzteren sind neben Mitglieder der Die Linke, der DKP, der Piraten und der VVN-BdA auch Mitglieder von AUF/MLPD, die für weite Teile des Gelsenkirchener Establishments ein dunkelrotes Tuch sind. Bereits zum Antikriegstag 2014 war der örtliche DGB, der nach untätigen Jahren mal wieder zu einer örtlichen Antikriegstagsveranstaltung aufrief, nicht zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit unserem Bündnis bereit.

Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2011 – im Bild die Sprecherin der Gelsenkirchener Linke, Ayten Kaplan

Veranstaltung zum Antikriegstag am 1. September 2011 – im Bild die Sprecherin der Gelsenkirchener Linke, Ayten Kaplan

Wer sich an die Geschichte vor 1933 erinnert (oder sogar aus eigenem Erleben zurückerinnert), sollte wissen, dass die Spaltung der Gegner es den Nazis besonders leicht gemacht hatte, stark zu werden und schließlich ihr verbrecherisches Regime zu errichten. Diese Voraussetzung für einen Wiederaufstieg von Rechtsextremisten ist leider vorhanden – auch in Gelsenkirchen.

Ein Gedanke zu „Nach dem rechten Übergriff! Wie weiter gegen Rechts in Gelsenkirchen?

  1. Pingback: Gute und nicht so gute Antifaschist*innen? | Gelsenblog – Ein Projekt von GELSENZENTRUM

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.