Rechtsextremismus in der Polizei – „Schwarze Schafe“ oder strukturelles Problem?

Eine lebhafte Debatte fand am 23. März während einer Online-Veranstaltung statt. Eingeladen hatte Bündnis 90/Die Grünen Gelsenkirchen die Gelsenkirchener Polizeipräsidentin Britta Zur und die Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, promovierte Kriminologin und ehemalige Polizeibeamtin. Die gut besuchte Veranstaltung war vom Kreisvorsitzenden Jan Dworatzek moderiert worden. Die Einladung war sehr forsch formuliert. Unter der Überschrift „Rechtsextremismus bei der Polizei: Was tun gegen institutionellen Rassismus?“ hieß es in der Einladung: „Gewalt gegen People of Color, Racial Profiling und rechtsextreme Chatgruppen bei der Polizei – von Einzelfällen spricht selbst Innenminister Herbert Reul nicht mehr. Rassismus bei der Polizei und in weiteren Sicherheitsbehörden war in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder Anlass für Diskussionen. Doch was können wir gegen Rechtsextremismus bei der Polizei effektiv unternehmen?“ Inzwischen hat auch die WAZ darüber berichtet.

Mit Britta Zur präsentierte sich in der Veranstaltung eine moderne Polizeipräsidentin, die für Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit steht. Zudem hatte eine ihrer ersten öffentlich bekannt gewordenen Maßnahmen darin bestanden, im März 2020 den Polizeibeamten Martin Jansen, damals Mitglied der AfD-Ratsfraktion, aufgrund öffentlich bekannt gewordener Vorwürfe vom Dienst zu suspendieren. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der Diskussion machte sie deutlich, dass für Rechtsextremismus in der Polizei kein Platz sei. Allerdings wurde auch deutlich, dass ihr Blick stark nach innen fokussiert ist. Sie schilderte, welche Belastungen die Polizeibeamt:innen in ihrem Dienst ausgesetzt sind und erklärt daraus auch die Entstehung rechtsextremer oder rassistischer Einstellungen. Jedoch betonte sie stets, dass es sich um Einzelfälle handele und Rechtsextremismus oder Rassismus kein strukturelles Problem sei. Daraus schlussfolgerte sie einen durchaus sinnvollen und richtigen Dreiklang aus Rotation, Supervision und Weiterbildung.

Nicht wahrnehmen wollte sie, das die Polizei kein Spiegelbild der Gesellschaft ist, sondern sich nur ein Teil der Bevölkerung für den Polizeiberuf interessiert. Auch die Empathie, die sie für ihre eigenen Mitarbeiter:innen aufbringt, konnte oder wollte sie nicht für die Kritik aus der Veranstaltung aufbringen, nach der Menschen die migrantisch aussehen besonders häufig kontrolliert und abwertend behandelt werden („Racial Profiling“). Die Kritik sei ihr zu pauschal. Einen emotionalen und in meinen Augen nachvollziehbaren Beitrag wollte sie gar nicht kommentieren (allerdings sprach ihre Reaktion in meinen Augen Bände). Während Frau Zur auf die niedrigen Beschwerdezahlen verwies, sprach die Bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Mihalic jedoch von einer „anekdotischen Evidenz“ der Alltagserfahrung von migrantisch aussehenden Personen und kritisierte schwammige Paragraphen im Bundespolizeigesetz, die zu falschen Praktiken in der Polizeiarbeit führen. Ihre Kritik richtete sich damit stärker gegen die Innenministerien und den Gesetzgeber. Nicht zuletzt betonte Mihalic die Forderung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung, nicht um festzustellen, wie viele Polizisten es mit rechtsextremen Gedankengut gäbe, sondern um Ursachen und Strukturen zu untersuchen und Lösungsvorschläge zu unterbreiten.

Die Debatte, der sich Frau Zur in weiten Teilen stellte, war in meinen Augen wichtig und aufschlussreich und zeigte mir deutlich, dass die Forderung richtig ist, Beschwerden oder Vorwürfe über die Polizei nicht von dieser selbst untersuchen zu lassen, sondern eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten, um einer möglichen Betriebsblindheit oder den Auswirkungen des Korpsgeist vorzubeugen. Andererseits können wir uns in Gelsenkirchen über eine Polizeipräsidentin freuen, die sich klar gegen Rechtsextremismus in der Polizei positioniert.

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