„Demokratische Initiative“ will Gedenktag an die Reichspogromnacht am Nazi-Schwert feiern

Ein unglaublich widerwärtiges Ereignis wirft in Gelsenkirchen seine Schatten voraus. Am 9. November 2015, dem jährlichen Erinnerungstag an die sogenannte „Reichskristallnacht“, die 1938 einen neuen Höhepunkt der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland markierte, plant die „Demokratische Initiative“ ihre Veranstaltung am sogenannten „Kriegerdenkmal Schalker Verein“ enden zu lassen. Bei diesem Denkmal handelt es sich um eine lange in Vergessenheit geratene, wuchtige, sechs Meter hohe vierkantige Steele aus sechs Granitquadern mit dem fünf Meter langem lorbeerumringten Schwert aus Gussstahl aus dem Jahre 1937. Denkmäler dieser Art dienten den Nazis in den 1930er Jahren zur innenpolitischen Vorbereitung des geplanten, neuen Eroberungskrieges, den wir heute als Zweiten Weltkrieg kennen und in dessen Schatten der Holocaust stattfand.

Inschriften beidseits des lorbeerumkränzten Nazi-Schwerts

Inschriften beidseits des lorbeerumkränzten Nazi-Schwerts

Nach derzeitigen Erkenntnissen wurde das Nazi-Schwert, das in den Vorlagen der Stadtverwaltung wahlweise als „Kriegerehrenmal“ bzw. „Kriegerdenkmal Schalker Verein“ bezeichnet wird, im Jahre 1937 auf dem Gelände des Schalker Vereins an der Wanner Straße in Gelsenkirchen-Bulmke errichtet. Das Denkmal wurde von Hubert Nietsch gestaltet, der in Gelsenkirchen für weitere NS-affine Kunst bekannt und berüchtigt ist. Eingeweiht wurde es am 1. Mai 1937, dem von den Nazis als “Tag der nationalen Arbeit” instrumentalisierten 1. Mai der Gewerkschaften. Das Denkmal erinnert mit einer Inschrift an die im Ersten Weltkrieg „gefallenen Arbeitskameraden“ und instrumentalisiert ihren Tod mit der von den Nazis gerne bemühten Inschrift „Sie starben für Deutschland“ im Sinne der Nazi-Ideologie.

Das Schwert erinnert zugleich an die Aufstellung von monumentalen Holzschwertern während des Ersten Weltkrieges in vielen Städten auf öffentlichen Plätzen und in Gelsenkirchen auf dem Neumarkt. Diese dienten dem Beschlagen mit Nägeln, die durch Spenden für die Unterstützung von Kriegshinterbliebenen erworben wurden und auf diese Art für die Fortführung des Krieges warben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal um die Erinnerung an die „gefallenen Arbeitskameraden“ der Jahre 1939 bis 1945 ergänzt und im Laufe der Zeit vergessen. Heute ist von dem ursprünglichen Platz rund um die Säule nichts mehr zu erkennen, das Ensemble zu einem stillen Ort unter Bäumen geworden. Auch für den Historiker Dr. Schmidt (Institut für Stadtgeschichte) war es eine Neuentdeckung, die mit der Öffnung des ehemaligen Werksgeländes zusammenfiel.

Denkmal an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Werksangehörigen des Schalker Vereins aus der Nazi-Zeit (1937)

Denkmal an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Werksangehörigen des Schalker Vereins aus der Nazi-Zeit (1937)

Doch dort soll es nicht bleiben. Mit dem Antrag auf Eintragung in die Denkmalliste lag der Bezirksvertretung Mitte am 04. März 2015 auch ein Antrag auf Verlagerung („Translozierung“) und Umgestaltung vor, der im Laufe des Monats auch noch im Stadtentwicklungs- und Planungsausschuss beraten und im Kulturausschuss am 18. März 2015 zur Entscheidung vorlag: da das Denkmal an seinem Standort hinter den Torhäusern an der Wanner Straße “einer Vermarktung und Entwicklung eines Gewerbe- und Industrieparks im Wege steht” plane die Eigentürmerin, die Firma Saint-Gobain, unter Beteiligung des Instituts für Stadtgeschichte und der zuständigen Denkmalbehörde die Verlagerung des Denkmals. Außerdem solle der historische Hintergrund durch eine künstlerische Ergänzung in Form einer Platte aus Stahl mit der Inschrift “Die Opfer der Kriege mahnen zum Frieden” und eine ISG-Erinnerungsortetafel erklärt werden. Die Kosten der Verlagerung wurden mit rund 30.500 Euro veranschlagt, der städtische Anteil daran mit 17.300 Euro.

Rückseitige Ansicht des Geländes der Torgebäude des ehemaligen Schalker Vereins

Rückseitige Ansicht des Geländes der Torgebäude des ehemaligen Schalker Vereins, linker Hand nach dem Wendehammer soll der neue Standort des Denkmals sein.

In einem früheren Artikel kritisierte ich die Kosten für die den Erhalt alter Nazi-Kunst, die Unklarheit der „künstlerischen Ergänzung“ sowie die Unwägbarkeit der Nutzung durch Rechtsextremisten. Eine weitergehende Kritik am Erhalt des Denkmals formulierte der umtriebige Klaus Brandt in einem seiner Bürgeranträge. Er beantragte, das Denkmal wieder von der Denkmalliste zu streichen und zu „entsorgen“. Erwartungsgemäß wurde der Antrag abgelehnt. Nun muss man nicht der Meinung von Klaus Brandt sein, ich teile sie auch nicht. Doch einfach unverschämt einem demokratisch gesinnten Bürger dieser Stadt gegenüber liest sich die Vorlage der Stadtverwaltung für die Kulturausschussitzung am 16. September 2015. Da wird der Vorschlag zur „Entsorgung“ des Nazi-Schwerts mit der Zerstörung wertvoller kultureller Denkmäler durch die Taliban in Afghanistan und des sogenannten „Islamischen Staat“ in Syrien gleichgesetzt. Ist dem Menschen, der diese Vorlage verfasst hat, nicht bekannt, in welchem Maße die Nazis im besetzten Europa gewütet haben? In ihrer Zerstörungswut sind sie viel eher mit den religiösen Fundamentalisten vergleichbar, als es Klaus Brandt ist.

Das Massaker von Oradour am 10. Juni 1944 war ein durch die Waffen-SS verübtes Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des französischen Dorfes Oradour-sur-Glane (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Car_in_Oradour-sur-Glane.JPG).

Ein Beispiel von vielen für die Zerstörungswut der Nazis im besetzten Europa. Das Massaker von Oradour am 10. Juni 1944 war ein durch die Waffen-SS verübtes Kriegsverbrechen an der Bevölkerung des französischen Dorfes Oradour-sur-Glane (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Car_in_Oradour-sur-Glane.JPG).

Noch viel unglaublicher finde ich jedoch die Ankündigung in der gleichen Vorlage, dass die „Demokratische Initiative“ beschlossen habe, „ihre Veranstaltung zur Erinnerung an die Verbrechen  der sogenannten Reichskristallnacht im Jahr 2015 an dem Denkmal des Schalker Vereins enden zu lassen.“ Das muss man sich einmal vorstellen: Am Nazi-Schwert, das den Ersten Weltkrieg im Sinne der Nazi-Ideologie instrumentalisiert, innenpolitisch auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitet in dessen Schatten der Holocaust stattfand, soll eine Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht stattfinden, die 1938 einen neuen Höhepunkt der Judenverfolgung markierte. Zynischer geht es wohl kaum noch …

15 Gedanken zu „„Demokratische Initiative“ will Gedenktag an die Reichspogromnacht am Nazi-Schwert feiern

  1. Bernd Matzkowski

    am ende des beitrags wird gesagt, es sei zynisch, dass die demokratische initiative an diesem „schwert“ (nazidenkmal) ihre abschlusskundgebung halten will.zynisch? warum soll ein solcher ort nicht von demokraten in beschlag genommen werden, um überhaupt erst einmal öffentlich zu machen, dass dort so ein ungetüm aus der nazizeit existiert(ich wußte das zb nicht). und warum genau an einem solchen ort nicht antifaschistische positionen beziehen? das ist mir nicht klar—und zwar unabhängig davon, ob ich nun alles toll finde, was die hiesige di so macht.
    warum die angst, die rechten, nazis etc. können den ort für ihre zwecke missbrauchen, wenn die demokraten ihn doch für ihre zwecke in gebrauch nehmen?
    hier läuft sehr viel auf der ebene der symbolpolitik ab. und aus der geschichte der weimarer zeit kommt mir irgendwie bekannt vor, dass es leute(parteien, ideologien) gibt, die glauben, dass ihr weg gegen nazis zu sein der allein richtige ist bzw. war.
    so eine art überbietungswettbewerb im antifaschismus.
    mich hat – dies nur so nebenbei, wo ich mich hier schon zu wort melde – durchaus gewundert, warum von seiten der linken/antifaschisten etc. nichts zur thematik rückgabe des kunstwerks „bacchanale“ gekommen ist(nazi-raubkunstthematik). gerade im wechselspiel mit dem „nazischwert-denkmal“ ist das doch interessant. das eine bild will die stadt nicht rausrücken(bacchanale), das andere werk(nazidenkmal) soll restauriert und umgetopft werden. das ist nicht zynisch, aber (scheinbar) paradox. oder doch nicht?
    fragt bm

  2. Knut Autor

    Lieber Bernd,

    offenbar habe ich mich in meinem Beitrag nicht klar genug ausgedrückt. Daher antworte ich gerne einmal ausführlich auf deinen Kommentar.

    1. Natürlich könnte man das Nazi-Schwert von Demokraten in Beschlag nehmen lassen! Ich habe zum Beispiel den Vorschlag gehört, das Denkmal in Schräglage aufzustellen und es auf Menschenkörper zu stützen, die mehr und mehr im Boden versinken. Die dahintersteckende Symbolik muss ich dir wohl nicht erklären. Wenn man einen künstlerischen Wettbewerb ausschreiben würde, dann gäbe es bestimmt noch mehr Ideen, wie man aus diesem ollen Nazi-Scheiß ein antifaschistisches Denkmal machen kann. Ich hätte auch noch ein paar auf Lager. – Doch so wie ich die bisherige Planung nach den Vorlagen des Ratsinformationssystems einschätze, wird die 6 Meter hohe Steele mit dem 5 Meter hohen Gusstahlschwert nicht allein dadurch zu einem antifaschistischen Denkmal, indem man eine Stahplatte mit der Inschrift „Die Toten der Kriege mahnen zum Frieden“ und eine Erinnerungsortetafel anbringt. „So billig“ bekommt man das Teil nicht zum antifaschistischen Denkmal! Von weitem wird man das Nazi-Kunstwerk wahrnehmen und nicht die sogenannte „künstlerische Ergänzung“. Und die „modernen“ Nazis können dort prima ihren „Nationalen Antikriegstag“ feiern, das Nazi-Schwert eignet sich prima dafür. Und dreimal darfst du raten, wer dann Gegendemonstrationen organisiert? Sicherlich nicht der Tanker DI, der hängt sich eher wie beim 1. Mai dieses Jahr in Rotthausen an eine andere Demo an oder verzichtet ganz darauf, „weil man nicht über jedes Stöckchen springen will, dass die Rechten einem hinhalten“ (wie ich bezogen auf Schloß Horst gehört habe).

    2. Vor diesem faschistischen Denkmal, welches überwiegend mit seiner 6 Meter hohen Nazi-Symbolik dasteht, am Jahrestag des 9. November 1938, einem damals neuen Höhepunkt der Judenverfolgung in Nazi-Deutschland, eine Kundgebung abzuhalten, halte ich tatsächlich für zynisch. Da ändern weder die „künstlerische Ergänzung“ noch eine wohlfeile Rede unseres sozialdemokratischen Oberbürgermeisters etwas. Nicht dass ich missverstanden werde: ich unterstelle keiner Mitgliedsorganisation der DI eine Nazi-Haltung, ich glaube vielmehr, dass man nicht darüber nachgedacht hat, was man da tut. Ein anderer Termin als der 9. November wäre das Mindeste (auch wenn es nichts an meiner unter 1 geäußerter Kritik ändert). Man hätte sich ja den 30. Januar oder den 1. Mai oder den 8. Mai dafür aussuchen können (das Nazi-Schwert wurde am 1. Mai 1937 feierlich zur Schau gestellt).

    3. Was die übliche antikommunistische Keule betrifft, „aus der geschichte der weimarer zeit kommt mir irgendwie bekannt vor, dass es leute(parteien, ideologien) gibt, die glauben, dass ihr weg gegen nazis zu sein der allein richtige ist bzw. war“ frage ich mich, wen du damit meinst. Mich etwa? Dann kennst du mich sehr schlecht!

    Knut

  3. Rolf Jüngermann

    Dann hat Gelsenkirchen demnächst wohl ein neues Alleinstellungsmerkmal: einen „Bürgermeister für den Frieden“, der eine bewegte Friedensrede unter einem stadtbekannten Nazi-Kriegerdenkmal im Zeichen eines überdimensionalen lorbeerumkränzten Nazi-Schwertes hält, in diese prekäre Lage gebracht von einer örtlichen, sich selbst als demokratisch empfindenden Initiative aus u.a. Sozialdemokraten, Christdemokraten und – natürlich – Olivgrünen. Sicher ein ideales sujet fürs Kabarett. Wie man hört ist auch nicht ganz auszuschließen, dass die Idee für das Ereignis aus den Reihen dieser demokratischen Spaßvögel hervorgegangen ist. Gelsenkirchen war schon immer etwas besonderes.

  4. Bernd Matzkowski

    lieber rolf jüngermann: wie steht es denn dann um gedenkfeiern in ehemaligen konzentrationslagern?werden da nicht auch „bewegte friedensreden“ gehalten, nachdem man zuvor noch durch das tor mit der inschrift „arbeit macht frei“ oder „jedem das seine“ geschritten ist?ist die welt wirklich so schlicht?
    und wie steht es denn nun mit der haltung des linken/der linken in ge (oder soll ich schreiben: des/der sich selbst als links empfindenden)um die rückgabe von nazi-raubkunst in ge?
    fragt bm

  5. Knut

    Schon interessant, wenn Argumente einfach nicht zur Kenntnis genommen werden.
    Aber auch wenn ich nicht Rolf Jüngermann heiße: ehemalige Konzentrationslager sind übrigens genau das: EHEMALIGE Konzentrationslager. Dort gibt es keine SS-Totenkopfverbände mehr, keine eingesperrten und gequälten Menschen mehr, es sind keine Gaskammern und Krematorien mehr im Betrieb. Die heutigen KZ-Gedenkstätten befinden sich in der Regel auf dem Gelände der früheren Häftlingslager und sind überformte, veränderte Gelände, mit Ausstellungen zur Geschichte des Ortes und einer pädagogischen Besucherbetreuung. – Das Nazi-Schwert ist immer noch das Nazi-Schwert.
    Knut

    Nachtrag zur Nazi-Raubkunst in Gelsenkirchen, guckst du hier: http://gelsenblog.de/archives/2833

  6. Bernd Matzkowski

    nein,lieber knut- das schwert ist ein ehemaliges schwert wie das denkmal ein ehemaliges denkmal und das lager ein ehemaliges lager ist; davor versammeln sich heute auch keine ss-verbände mehr.
    wie wir heute mit den relikten der geschichte umgehen, kann und muss immer wieder neu diskutiert werden. hier zeigt sich dann schnell das, was ich in meinem ersten beitrag konstatiert habe und was bei jüngermann (und leider jetzt auch in deinem beitrag) aufleuchtet: das abonnement auf antifaschismus bzw. den umgang mit der deutschen vergangenheit.das heißt dann bei dir:argumente werden nicht zur kenntnis genommen wie bei jüngermann von der sich „demokratisch empfindenden initiative“ die rede ist(womit pauschal alle, die dort mitmachen verunglimpft werden). aber die kpd hat in der weimarer republik auch kein problem gehabt, die spd als hauptgegner zu benennen(sozialfaschismustheorie)- und die mauer war sowieso ein antifaschistischer schutzwall.
    insofern werde ich es lassen, hier speicherplatz zu belegen.
    ach, ja! den brief des ra enderlein abzudrucken, das ist gut(hat die waz ja auch gemacht). aber wo waren die parlamentarischen oder außerparlamentarischen initiativen/stellungnahmen der organisierten linken. egal:schönes wochenende

    1. Knut Autor

      Nein, lieber Bernd, das Nazi-Schwert ist noch immer dasselbe, es hat sich nicht verändert. Man hätte es wunderbar an der jetzigen Stelle still unter Bäumen stehen lassen können, wo es mindestens seit den 1960er Jahren keine Rolle im Schalker Verein mehr gespielt hat, aber nein, die DI benötigte ja wieder einen neuen Aufhänger für eine Kundgebung am 9. November inklusive ISG-Erinnerungsortetafel.
      Natürlich kann der Umgang mit den Relikten der Geschichte immer wieder neu diskutiert werden – und dazu leiste ich meinen Beitrag. Dass du meine Position als „Abonnement“ empfindest zeigt doch nur, dass du andere Meinungen gar nicht aushältst, sie noch nicht einmal für diskutabel hältst. So verstehe ich auch Jüngermanns Aussage von der sich „demokratisch empfindenden Initiative“. Wo bleibt das Aushalten unterschiedlicher Meinungen? Das was du als „Abonnement“ bezeichnest, maßt sich doch das ISG und die DI an!
      Und zur KPD: ich bin kein Kommunist und ich weiß sehr wohl, dass die SPD als einzige Partei 1933 nicht dem Ermächtigungsgesetz der Nazi-Koalitionsregierung zugestimmt hat, während die bürgerlichen Parteien sehr wohl zugestimmt haben. Man könnte den berüchtigten Satz also durchaus in „Wer hat uns verraten? Die bürgerlichen Demokraten!“ ändern. Und: die gewählten Abgeordneten der KPD hatten wie du sicherlich weißt gar nicht mehr die Chance, gegen das Ermächtigungsgesetz zu stimmen, da sie verhaftet und ihre Mandate anuliert worden waren.
      Und die Frage nach den parlamentarischen Initiativen gebe ich gerne an den Bündnisgrünen Lokalpolitiker Bernd Matzkowski zurück.

    2. Rolf Jüngermann

      Lieber Bernd Matzkowski,
      du hast natürlich ein stück weit recht. Eine formulierung wie die von mir gewählte von der „sich demokratisch empfindenden initiative” beinhaltet einen sehr ernsten vorwurf, der aber nach meiner sicht leider seine ebenso ernsten gründe hat. Was soll man denn von einer „Demokratischen Initiative” halten, die andere aktive linke und antifaschistische kräfte vor ort seit jahren gezielt ausgrenzt, die sich hinter dem veto-recht einzelner mitglieder versteckt und nicht nur andere parteien sondern selbst kräfte wie den gelsenblog um Andreas Jordan und die VVN nicht in ihren reihen duldet. Wo doch jeder politisch bewusste bürger in unserer stadt um die wirklich unermüdliche und obendrein erfolgreiche (siehe stolpersteine) antifaschistische arbeit gerade auch der Jordans weiss. Darauf gründet mein vorwurf und nicht auf irgendwelche alten geschichten.
      freundliche grüße
      Rolf Jüngermann
      http://www.rolfjuengermann.de

  7. Bernd Matzkowski

    Und die Frage nach den parlamentarischen Initiativen gebe ich gerne an den Bündnisgrünen Lokalpolitiker Bernd Matzkowski zurück.

    bin ich nicht mehr- da ich genau wegen der haltung der hiesigen grünen zu diesem thema meine funktion (aufsichtsrat musiktheater) abgegeben und die partei verlassen habe.
    gleichwohl: beste grüße bm

  8. Knut

    Wie du an deinem selbst gewählten Beispiel gemerkt hast, sind die Handlungsmöglichkeiten kritischer Leute bisweilen etwas eingeschränkt.
    Schönes Wochenende
    Knut

  9. Chajm

    Wenn ich das den Kommentaren richtig entnehme, wird nicht kritisiert, dass man jetzt generell dieses »Denkmal« dem Vergessen entrissen hat, sondern, dass dort »ausgerechnet« am 9. November eine Kundgebung stattfinden soll. Eben jenes politische Ritual, welches eigentlich an die Novemberpogrome erinnern soll.
    Wenn wir da an die »Wurzel« gehen sollen, dann müssten wir uns eigentlich vor dem Kunstmuseum versammeln und die bedingungslose Rückgabe der Raubkunst fordern oder die Demokratische Initiative könnte dazu eine Note verfassen. Aber auch die unterliegt gewissen parteipolitischen Konventionen.
    2015 wird man zu einem »Denkmal« gehen, welches die Täter errichtet haben (und das bisher unbekannt ist) und es in einen anderen Kontext stellen und an die Opfer erinnern – ein unerträglicher Wechsel der Perspektive für diejenigen, die dem »Denkmal« heute noch irgendwelche positiven Bedeutungen beimessen.
    Man sucht die symbolische Verbindung zu einem »historischen« Ort. Man wird auch dort »Nie wieder!« rufen (eine hohle Floskel), man wird »Freude und Dankbarkeit« dafür ausdrücken, dass es in der Stadt oder im Land »wieder« jüdisches Leben gibt, man wird ein trauriges Lied singen und sich gegenseitig bekräftigen, dass die Zivilgesellschaft gefordert ist im Kampf – insbesondere – gegen Antisemitismus. Wenn dann aber vor der Synagoge oder in der Stadt aufmarschiert wird, wird man untätig bleiben. Man wird die Hetzer mit offenen Armen empfangen und sie dafür loben, dass sie sich zivilgesellschaftlich engagieren. Der Hass, den sie verbreiten ist bestenfalls ein Atavismus aus der Kultur in der ihre Eltern erzogen wurden. Das halte ich für viel gravierender als darüber zu streiten, ob es politisch opportun ist, einem Nazi-Denkmal seine »böse« Aura zu rauben.

  10. Knut

    Hallo Chajm,
    ich wäre sofort dabei, wenn die „Demokratische Initiative“ am 9. November 2015 vor dem Kunstmuseum für die sofortige und bedingungslose Rückgabe der Raubkunst demonstriert. Allerdings würden dann einige Parteipolitiker der DI gegen ihre eigenen Entscheidungen demonstrieren müssen.
    Und bisher kann ich nichts wesentliches über einen anderen „Kontext“ des Nazi-Schwerts erkennen. Eine ISG-Erinnerungsortetafel, eine einfallslose Metallplatte und wohlfeile Reden ändern m.E. an dem Nazi-Scheiß überhaupt nichts.
    Meine letzte Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch fand am 1. Mai erst in Essen und dann an der Stadtgrenze Gelsenkirchen-Rotthausen statt, wo wir den Aufmarsch der „Die Rechte“ mit zahlreichen Leuten erfolgreich blockiert haben. Die „Demokratische Initiative“ habe ich dort nicht gesehen, die hatte sich nur mit einem Aufruf an der Veranstaltung auf dem Rotthauser Markt beteiligt.
    Von daher ist mir nicht so ganz klar, was du eigentlich sagen willst. Aber du hast gerne einen zweiten Versuch.
    Mit freundlichen Grüßen
    Knut

    1. Chajm

      Nun. Die Nazi-Geschichte zu »verstecken« oder zu »entsorgen« ist natürlich auch eine Möglichkeit – wird uns aber nicht helfen, mit dem Themenkomplex umzugehen. Das ist ein wenig das »unter den Teppich kehren« der Nachkriegszeit.
      Der neue Kontext wird schon dadurch geschaffen, indem man das Ding in die Öffentlichkeit bringt und darüber spricht und sogar auch, wenn man am 9. November das Ding als Relikt der Vergangenheit kontextualisiert.
      Was ich aber eigentlich sagen wollte: Diese Übungen am 9. November sind vollkommen sinnlos, wenn sie keine Entsprechung in Handlungen haben.
      Da wird gegen Antisemitismus gewettert – von der demokratischen Initiative – aber wenn es konkret geht, dagegen zu handeln, dann wird es kompliziert bzw. es passiert wenig bis nichts. Beispiele nannte ich oben.

      Dass die DI parteipolitisch agieren muss, schrieb ich ja in meinem Beitrag. Dementsprechend bringen die Mitglieder der Initiative die Sichtweisen ihrer Verbände und Parteien mit ein. ABER: Es passiert etwas.

  11. Knut

    Du widersprichst dir übrigens, wenn du einerseits kritisierst, dass es nicht reicht, am 9. November zu reden, wenn es nicht auch Entsprechungen im Handeln gegen Antisemitismus gibt, andererseits aber glaubst, es würde zur Kontextualisierung ausreichen, über das Ding am 9. November zu sprechen. Sprechen reicht nicht aus, sagst du selbst..

    1. Chajm

      Das würde dann zutreffen, wenn ich nur ein »Werkzeug« genannt hätte. Um Öffentlichkeit herzustellen, ist sprechen sicher ein Mittel – man kann aber mit dem Wort nicht konkretes Handeln ersetzen.
      Hier wird ein »Denkmal« durch das gesprochene Wort in einen anderen Kontext gebracht, dort reicht es nicht aus, zum Milliardsten Mal sich über Antisemitismus zu beklagen, wenn Antisemiten unbehelligt bleiben.
      Ich glaube übrigen auch nicht, dass es ausreichend ist, ein Schildlein neben das Denkmal zu stellen…
      Wir haben zwei verschiedene Dinge. Der 9. November wird hier durchaus öffentlich beachtet – aber es wird kaum etwas von der Theorie in die Praxis übertragen…
      Wie man mit dem Schwert danach umgehen könnte, wird sich zeigen…

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