Gedenkfahrt zur Erinnerung an fast vergessene Kriegsendverbrechen

Eine Welt ohne Nazismus, Rassismus und Militarismus fordert die VVN-BdA.

Eine Gedenkfahrt von Köln über Lindlar und die Versetalsperre nach Lüdenscheid führte die nordrhein-westfälische VVN-BdA mit Unterstützung örtlicher Aktiver am Samstag, 3. März 2018 durch. Sie erinnert an Kriegsendverbrechen im Frühjahr 1945, als die Nazis noch kurz vor der Befreiung eine fast vergessene Blutspur im Land hinterließen. Die Fahrt diente zugleich der Unterstützung der örtlichen Initiativen, denn viele Einzelheiten sind auch über 70 Jahre nach Kriegsende noch nicht erforscht.

Der Auftakt fand um 10.30 Uhr vor dem Eingang zum Tiefbahnhof Köln-Deutz statt. Eine Gedenktafel und eine Stolperschwelle erinnern an die Deportationszüge von Sinti und Roma, Juden und Häftlingen des Messelagers. Vor rund 40 Antifaschistinnen und Antifaschisten erinnerten Landessprecher Falk Mikosch und Bundessprecher Ulli Sander an diese Verbrechen, an den Jugendwiderstand in Köln wie auch an den Anlass der Gedenkfahrt.

Auftakt der Gedenkfahrt am Bahnhof Köln Messe/Deutz.

Am 3. März 1945, zwei Tage vor der Befreiung Kölns, hat die Gestapo-Leitstelle Köln mindestens 1.000 Gefangene aus den Benelux-Ländern und dem Rheinland durch das Bergische Land in das sogenannte „Arbeitserziehungslager“ Lüdenscheid-Hunswinkel im Versetal (heute unter den Fluten der Versetalsperre) und dem Exekutionsort Hühnersiepen (heute eine Kriegsgräberstätte) getrieben. Es handelte sich um jüdische Häftlinge, (meist russische) Zwangsarbeiter und politische Häftlinge aus den Benelux-Ländern und dem Rheinland. Circa 300 wurden dort hingerichtet, viele kamen auf dem Todesmarsch ums Leben.

Während die Kriegsendverbrechen an anderen Orten wie der Dortmunder Bittermark und der Solinger Wenzelnbergschlucht seit Jahrzehnten erforscht sind und dort jedes Jahr würdige Gedenkveranstaltungen stattfinden, existiert eine solche Tradition in Köln und Lüdenscheid bislang nicht. Den Anstoss sich hiermit zu beschäftigen gaben Matthias Wagner und andere von der Friedensgruppe Lüdenscheid. Auf der Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA NRW am 18. Februar 2017 hatten wir über den Initiativantrag „Aufklärung über fast vergessene Massenverbrechen in der Kriegsendphase“ diskutiert. Diese Gedenkfahrt ist ein direktes Ergebnis. Damals wie heute fand und finde ich es übrigens „erstaunlich, dass es immer noch so weit zurückliegende Verbrechen der Nazis zu entdecken gibt“.

Lindlar, Kirchplatz der katholischen Gemeinde St. Severin.

Von Köln aus fuhren wir weiter nach Lindlar und erinnerten dort gemeinsam mit „Unser Oberberg ist bunt – nicht braun“ auf dem Kirchplatz der katholischen Gemeinde St. Severin vor einer dort angebrachten Erinnerungstafel an lokale Verbrechen an Zwangsarbeitern. Uli Sander thematisierte hier auch die Verantwortung der Industrie- und Wirtschaftsführer an den Verbrechen. Nach einem kleinen Imbiss und weiteren Informationen über die Ermordung der Zwangsarbeiter, die Lindlar durch Filmaufnahmen der US-Army weltbekannt gemacht hatten, fuhren wir weiter mit dem Bus zur Klammer Brücke an der Versetalsperre.

Matthias Wagner, Friedensgruppe Lüdenscheid, berichtet an der Gedenkstätte in der Nähe der Klamer Brücke.

Die Versetalsperre wurde in den zwanziger Jahren geplant und ist erst nach dem Krieg fertiggestellt worden. Während der Nazi-Zeit ist hier nach Berlin 1940 das zweite sogenannte „Arbeitserziehungslager“ errichtet worden. Wurden hier zunächst deutsche sogenannte „Arbeitsbummelanten“ eingewiesen, änderte sich der Charakter des Lagers durch den Einsatz russischer Zwangsarbeiter zwischen 1942 und 1944 durch eine hohe Anzahl von Todesfällen. Wo sie begraben wurden, ist zum größten Teil unbekannt. Ab Februar 1945 wurde das Lager von der Gestapo Dortmund und Köln überwiegend als Hinrichtungsort genutzt.

Während der Gedenkveranstaltung am Gedenkort für die Toten des Arbeitserziehungs- und Konzentrationslagers Hunswinkel.

In der Nähe der Brücke befindet sich ein Gedenkort für die Toten des Arbeitserziehungs- und Konzentrationslagers Hunswinkel. Das 1997 aufgestellte Mahnmal wurde – mutmaßlich von Metalldieben – 2014 abgesägt und gestohlen. Heute befindet sich am Ort eine ausführliche Erinnerungstafel und eine von der Friedensgruppe der Stadt geschenkte steingefüllte Lore als Denkmal. Matthias Wagner aus Lüdenscheid berichtete hier von seinen Erfahrungen und Recherchen und fuhr anschließend mit uns im Bus mit auf die Staumauer für weitere Erläuterungen. Die Gedenkfahrt endete in Lüdenscheid im „Kleinen Prinz“ bei Kaffee und Kuchen und individuellen Gesprächen. Anschließend brachte uns der Bus von „auf extratour“ wieder zum Bahnhof Köln Messe/Deutz zurück. Insgesamt eine bemerkenswerte Reise an Orte, die und deren Geschichte ich zuvor nicht kannte.

Gedenkort an der Versetalsperre unweit der Klamer Brücke mit Blick auf die Staumauer.

2 Gedanken zu „Gedenkfahrt zur Erinnerung an fast vergessene Kriegsendverbrechen

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