Die Qual der (Kommunal-)Wahl (III) – „Alte, weiße Männer“

Ada medial auf Facebook in einer ersten Vorankündigung (Quelle: Facebook).

Kürzlich überraschte mich eine Nachricht im Online-Angebot des WDRs nicht, dass in den Kreistagen und Stadträten in NRW der Altersdurchschnitt hoch sei sowie Frauen und Migrant*innen unterrepräsentiert seien. Wenn wir es anders formulieren, dann lässt sich sagen, das dort alte, weiße Männer überrepräsentiert sind. Eine so deutliche Kritik daran freut – man ahnt es schon – jene dort überrepräsentierten alten, weißen Männer in der Regel nicht. Doch die Kritik an der Überrepräsentation alter, weißer Männer macht sich nicht daran fest, dass sie als Individuen alt und weiß und Männer sind, sondern das aufgrund ihrer Privilegien Weiße und Männer bessere Chancen gegenüber anderen haben und aus diesem Grund überrepräsentiert sind. Dennoch wird der Kritik an „alte, weiße Männer“ kurzschlussartig unterstellt rassistisch oder gar sexistisch zu sein bzw. dem Vorschub zu leisten.

Ein aktuelles Beispiel aus Gelsenkirchen. Im Online-Periodikum „Herr Kules“ feuilletonierte der ehemalige Bündnisgrüne Bernd Matzkowski in einem breiten Artikel darüber, wie „einige GRÜNE nicht nur sprachlich ins Taumeln geraten“. Er nennt drei Beispiele, von denen in diesem Zusammenhang nur das erste von Bedeutung ist. Als erstes Beispiel wählte er die Spitzenkandidatin der Gelsenkirchener Bündnisgrünen, Adrianna Gorczyk, und schreibt unter Verwendung eines Zitats aus der WAZ (ohne genaue Quellenangabe): sie trete an, „den Stadtrat ‚und die vielen alten weißen Männer dort‘ zu fordern.“ Anstatt das als Kritik an der Überrepräsentation einer priveligierten Bevölkerungsschicht zu begreifen und mögliche Vorteile jener alten, weißen Männer – und damit auch seine eigenen – zu hinterfragen, argumentiert er im folgenden Absatz, damit lägen „drei Merkmale für ‚gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit'“ vor, „das Alter, die Hautfarbe (Rasse?) und das Geschlecht“.

Er kritisiert, „hier werden Einzelpersonen zu einer Gruppe (…) zusammengefasst, also eine typische Form von Entindividualisierung als ein erster Schritt hin zu rassistischer Gedankenbildung“. Um sein Argument zu untermauern zitiert er (erneut ohne genaue Quellenangabe) eine Rassismus-Definition der Bundeszentrale für politische Bildung: „Rassistinnen und Rassisten teilen Menschen, die individuell und unterschiedlich sind, in vermeintlich einheitliche Gruppen ein. Auf diese Weise konstruieren Rassistinnen und Rassisten Gruppen, deren Mitglieder sie als prinzipiell gleich ansehen.“ Schließlich fasst Matzkowski zusammen, es gehe der Kandidatin nicht um die individuellen Eigenschaften, sondern schreibe sie einer aus Hautfarbe, Alter und Geschlecht konstruierten Gruppe zu.

Natürlich fand ich bei der Recherche im Internetangebot der Bundeszentrale für politische Bildung eine tiefgreifendere Definition von Rassismus, als die oben zitierte. Darin wird Rassismus ausführlich als Diskriminierungsmuster und Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse beschrieben, welches eine lange, weitreichende Geschichte habe. Abstrakt bedeute Rassismus, dass durch Zuschreibung positiver Eigenschaften dominierende Gruppen bevorteilt würden gegenüber dominierten Gruppen, denen negative Eigenschaften zugeschrieben würden. Konkret fände sich diese Zuschreibung negativer Eigenschaften gegenüber Schwarzen Menschen, jüdischen Menschen, gegen Sinti und Roma und gegen muslimische Menschen.

Matzkowskis Idee, die Bezeichnung „alte, weiße Männer“ sei rassistisch oder würde Rassismus Vorschub leisten ist zumindest nach dieser Definition nicht haltbar. Lassen wir also die Kirche im Dorf: maximal handelt es sich um eine Beleidigung von Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Eigentlich aber um eine Kritik an der Überrepräsentation eines Bevölkerungsteils in einem Gremium, das demokratischerweise die Stadtgesellschaft in ihrer Breite wiederspiegeln sollte. Das schließt übrigens nicht nur Frauen, sondern auch Migrant*innen mit ihrem jeweiligen Bevölkerungsanteil ein.

Abschließend bleibt noch zu sagen, dass ich mit meinen 55 Jahren möglicherweise auch schon als „alter, weißer Mann“ gelte, mich aber zumindest noch nicht alt fühle 😉

Anmerkung: In der ersten Fassung war uneindeutig, wer mit dem Autor „dieses Beitrags“ im letzten Absatz gemeint war 😉

2 Gedanken zu „Die Qual der (Kommunal-)Wahl (III) – „Alte, weiße Männer“

  1. Bernd Matzkowski

    Lieber Knut, schön, dass du mich jünger machst (55) als ich bin(68, Jahrgang 1952!).Somit bin ich nicht nur ein echter 68er, sondern schon ein uralter weißer Mann (im Mittelater wäre ich bereits mindestens 30 Jahte tot) mit Einwanderungsgeschichte, aber leider der falschen Hautfarbe und im falschen Körper per Geschlechtszuweisung bei meiner Geburt. Die Hebamme soll meiner Mutter zugerufen haben „Frau M., es ist ein Junge!“ Damit war ich geschlechtlich zugeordnet und reif für eine lebenslange Diskriminierung.
    Nun kurz zur Sache:natürlich gibt es die längeren Definitionen bei der Bundeszentrale auch, ja, es gibt kilometerlange Regale voller Bücher zum Thema „Rasissmus“ und seiner Definition.Aber dadurch wird die knackig-kurze nicht falsch! Und in einem polemischen Beitrag geht es nicht um einen wissenschaftlichen Diskurs! Dir reicht die gegebene Definition nicht aus? In Ordnung?
    Eine Spitzenkandidatin – gleich welcher Partei -sollte aber vielleicht etwas differenzierter als mit dieser plumpen Aussage in den Wahlkampf gehen, vor allem wenn sie, wie in diesem Fall, selbst von „alten Männern“ auf der Liste/im Rat umgeben ist. Und es ist ja fast galant zu nennen, wie du versuchst, die grüne Kandidatin feri von aller Schuld zu sprechen!
    Was die alten weißen Männer angeht: Dahinter steht, das weißt du doch selbst, letztlich ein strukturelles Problem von Macht und Machterhalt – jenseits der gesellschaftlichen Verfassheit. Man schaue sich nur die Riege alter Männer in den untergangenen Staaten des ehemaligen „sozialistischen Blocks“ an! Und von der Hautfarbe hängt sie, also die Macht von Männern und die Ohnmacht von Frauen, auch nicht ab -, siehe die Autokratenregime in Afrika, Lateinamerika, Asien und die im dunkelsten Mittelalter stecken gebliebenen Stammestrukturen islamistisch geprägterter Gesellschaften.
    Von altem Mann zu altem Mann (beide wohl weiß): Danke für deinen Kommentar!
    BM

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