Schlagwort-Archive: Wewelsburg

Eindrücke von der FriedensFahrradtour 2021

Unterwegs mit der FriedensFahrradtour 2021 der DFG-VK NRW, hier auf dem Weg nach Dülmen.

Unter dem Motto „Auf Achse für Frieden & Abrüstung“ führte die traditionsreiche Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) NRW ihre inzwischen 8. FriedensFahrradtour durch Nordrhein-Westfalen durch. Vom 31. Juli bis zum 8. August ging es von Bielefeld über Wewelsburg, Soest, Dortmund, Dülmen, Hamminkeln, Kalkar und Xanten nach Düsseldorf. Die mehrere hundert Kilometer lange Tour verband die Erinnerung an den Vernichtungskrieg, der mit dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren begann, mit dem Protest gegen die Bereithaltung und Entwicklung aktueller militärischer Potentiale. Nicht zuletzt wurde auch darauf hingewiesen, dass das Militär einer der Hauptverursacher für den Klimawandel ist.

Gut 20 Teilnehmende fuhren wie ich die gesamte oder den größten Teil der Strecke mit, hinzu kamen weitere Friedensradler:innen, die uns auf Teilstrecken begleiteten. So holten uns beispielsweise zwei Dortmunder in Soest ab, auch die Friedensfreunde Dülmen kamen uns bereits auf dem Weg zu ihnen entgegen. Die meisten Radler:innen kamen aus NRW, Gelsenkirchen stellte mit vier Radler:innen sogar die größte Einzelgruppe. Das Alter der gut 20 Teilnehmenden reichte von erstaunlichen 14 (!) bis 71 Jahren.

Auftaktkundgebung in Bielefeld.

Die Tour begann nach der je individuellen Anreise (ich fuhr mit dem Zug über Hamm) am 31. Juli in Bielefeld mit einer Auftaktkundgebung am Alten Rathaus, daran schloss sich eine Fahrrad-Demo durch Bielefeld an. Mittags erreichten wir die Gedenkstätte in Stukenbrock, wo der von den Überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen errichtete Obelisk und die daneben liegenden und kaum noch erkennbaren Massengräbern an die Geschichte erinnern. Ein hochbetagtes Gründungsmitglied der Initiative „Blumen für Stukenbrock“, die sich seit den 1960er Jahren der Versöhnung über Gräbern verschrieben hat, führte uns über den Friedhof, erzählte wie sie ihre Arbeit damals begonnen hatten und erläuterte kritisch die gegenwärtige Gestaltung. (Mehr zu Stukenbrock in meinem früheren Beitrag hier.)

Die FriedensFahrradtour am Obelisken in Stukenbrock.

Von Stukenbrock aus ging es weiter zur Wewelsburg, wo nach jahrelangem Streit in den 1980er Jahren die erste Gedenkstätte, die sich zentral mit den Tätern beschäftigt, eröffnet wurde. In der Wewelsburg selbst sind ein heimatkundliches historisches Museum und eine Jugendherberge untergebracht, die Ausstellung zur SS ist im damals von der SS errichteten Wachgebäude untergebracht. In der Jugendherberge, in der ich immer schon mal übernachten wollte, verbrachten wir insgesamt zwei Nächte und nutzen den Folgetag zunächst zu einer geführten Besichtigung der Ausstellung zur SS im Wachgebäude. Zur Führung gehörte auch die Besichtigung der beiden Räume, die die SS von KZ-Zwangsarbeitern errichten ließ: der „Obergruppenführersaal“ mit der sogenannten „Schwarzen Sonne“ im Fußboden und die „Gruft“ im Untergeschoss. (Mehr zur Wewelsburg in meinem früheren Beitrag hier.)

Besuch der Ausstellung zur SS im ehemaligen Wachgebäude der SS.

Während der Mittagspause nutzten wir mit einem Teil der Gruppe die freie Zeit, um das Gelände des ehemaligen KZ Niederhagen und des SS-Schießstandes aufzusuchen. Das ehemalige KZ-Gelände ist nach dem Kriegsende zu einem neuen Stadtteil geworden und Teile der Gebäude wurden umgebaut und weiter genutzt. Nach auch hier jahrzehntelangem Streit war auf dem früheren Appellplatz ein Mahnmal errichtet worden. Für uns nicht mehr zu erkennen war, welches der beiden heutigen Wohngebäude das frühere Torhaus zum KZ gewesen ist.

Mahnmal auf dem früheren Appellplatz des KZ Niederhagen, heute einem Stadtteil von Wewelsburg.

Der weitere Tag diente dem gegenseitigen Kennenlernen, Absprachen und der Vorbereitung eines Straßentheaterstücks, welches im weiteren Verlauf der Fahrt in Soest und in Dülmen aufgeführt wurde. Inhalt des Stücks war die Darstellung einer militärischen Drohne, die spielerisch von Honigbienendrohnen überwältigt wurde. Nach einer ersten Probe wurden in großer Runde Kritik und Änderungsvorschläge unterbreitet, die schließlich zu einigen Verbesserungen führten.

Aktionsvorbereitung in der Jugendherberge Wewelsburg.

Am nächsten Tag, dem 2. August fuhren wir von Wewelsburg nach Soest. Insgesamt hatten wir während der Fahrt viel Glück mit dem Wetter, meist war es trocken oder gar sonnig, gelegentlich hatten wir Sprühregen. Nur an diesem Vormittag während der Abfahrt von der Wewelsburg regnete es längere Zeit.

Kundgebung auf dem Marktplatz in Soest.

In Soest wurden wir auf dem Marktplatz von der dortigen Friedensinitiative empfangen, die Cafes des Platzes waren gut besucht und die Kundgebung war nicht zu übersehen. Das in der Jugendherberge Wewelsburg geprobte „Drohnentheater“ wurde hier erstmals öffentlich aufgeführt. Nachdem ein jonglierender Teilnehmer erste Aufmerksamkeit erweckt hatte, stellten sich die militärische Kampfdrohne und die biologische Bienendrohne vor. In einem kleinen Zwischenspiel treibt ein Finanzbeamter Steuergelder ein, während die Bienen Blumen bestäuben. Als die Kampfdrohne immer aggressiver wird, umringen die Bienen sie und ringen sie mit lautem Summen nieder.

Am Schluss der Vorstellung verbeugen sich die Darsteller:innen vor dem Publikum.

Der Kundgebung auf dem Marktplatz folgte eine Fahrrad-Demo mit einem eher unglücklichen Zwischenhalt an einer engen, vielbefahrenen Brücke und zu einer Gedenkkundgebung auf dem Osthofenfriedhof. Der Tag endete mit unserer Fahrt zur Jugendherberge, in der wir die Nacht verbrachten.

Nach der „Action“ auf dem Marktplatz würdevolles Gedenken auf dem Friedhof in Soest.

Der 3. August führte uns von Soest nach Dortmund. Wie oben bereits erwähnt holten uns zwei Dortmunder in der Soester Jugendherberge morgens ab und fuhren gemeinsam mit uns nach Dortmund. Mit einer Kundgebung an der Westfalenhalle und einer Kranzniederlegung am Gedenkstein wurde erneut an den faschistischen Überfall auf die Sowjetunion vor 80 Jahren gedacht. Daran anschließend fuhren wir in die Dortmunder Innenstadt zum Hansaplatz, wo wir – gegenüber vom „Platz von Hiroshima“ – vom Dortmunder Friedensforum zu einer Kundgebung begrüßt wurden.

Kranzniederlegung am Gedenkstein an der Westfalenhalle, Dortmund.

In der Jugendherberge unweit davon verbrachten wir nicht nur die Nacht. Dmitriy Kostovarov berichtete in einer Abendveranstaltung über seine Arbeit, die darin besteht Familien in Russland Fotos vom Grab des Vaters oder Großvaters zu schicken. Falsche Schreibweisen von Namen und unterschiedliche Gestaltung der in kommunaler Zuständigkeit befindlichen Gräber sind dabei ein großes Problem. Einmal mehr wurde wie schon in Stukenbrock deutlich, dass die Versöhnung mit Russland trotz der großen Verbrechen aufgrund des Kalten Kriegs keine Priorität hatte.

Dmitriy Kostovarov berichtet an der Dortmunder Westfalenhalle von seiner Arbeit gegen das Vergessen.

Am 4. August stand die Fahrt von Dortmund nach Dülmen auf dem Programm. Auch hier kamen uns unterwegs einige Mitglieder der Friedensfreunde Dülmen entgegen und fuhren mit uns gemeinsam zuerst zu einem Standort eines US-Waffendepots, wo wir eine Kundgebung und eine Blockade durchführten. Daran anschließend wurde unsere FriedensFahrradtour vom Dülmener Bürgermeister begrüßt. Der Tag endete mit einem Friedensfest im DJK-Clubheim, wo erneut das „Drohnentheater“ aufgeführt wurde. Die Übernachtung fand auf dem Sportplatz statt und erstmals bei dieser Tour in Zelten. Ich hatte Glück.

Blockade eines US-Waffendepots in Dülmen.

Der folgende Tag, der 5. August, führte uns nach Hamminkeln. An diesem Tag gab es keine weitere Aktion. In Hamminkeln stand lediglich eine Übernachtung auf dem Campingplatz an. Waren wir in den Jugendherbergen und auf dem Sportplatz verpflegt worden, musste nun – mit Unterstützung aus der Gruppe – für die gesamte Gruppe gekocht werden. Ich betätigte mich als Küchenhilfe. Aufgrund der Corona-Pandemie musste jeder einen eigenen Teller, eine eigene Tasse und eigenes Besteck mitbringen, so dass die Küchen-Crew anschließend nur die großen Töpfe und was sonst noch angefallen war spülen musste. Schließlich wurde für den Folgetag noch die Performance „Hiroshima mahnt!“ vorbereitet und die Verteilung der Buchstaben abgesprochen.

Das Schandmal in Kalkar, wer genau hinschaut, kann noch die Spuren der jüngsten Aktionen erkennen.

Am 6. August, dem Hiroshima-Gedenktag, ging es zuerst nach Kalkar und anschließend nach Xanten. In Kalkar fand auf dem Marktplatz eine Kundgebung statt. Unter anderem berichtete dort der Aktionskünstler Wilfried Porwol über den aktuellen Stand der Klagen wegen Sachbeschädigung und erläuterte die übrig gebliebenen Spuren seiner beiden jüngsten Aktivitäten, die wir später am Denkmal besichtigen konnten. (Mehr zu den ersten Aktionen in meinem früheren Beitrag hier.)

„Hiroshima mahnt!“ auf dem Marktplatz in Xanten.

In Xanten wurden wir auf dem Marktplatz von einer Kundgebung mit Friedensliedern empfangen. Ähnlich wie in Soest war die Innenstadt gut besucht und unsere in Hamminkeln vorbereitete Performance „Hiroshima mahnt!“ fand durchaus Aufmerksamkeit. Wie besprochen erhielt jeder der Teilnehmenden einen großen Pappbuchstaben und fiel sobald die Sirene ertönte wie tot um. Begleitet vom Song „Hiroshima“ erhob sich in Buchstabenreihenfolge jeder der „Toten“ und stellte sich nacheinander zum Slogan „Hiroshima mahnt!“ auf.

„Hiroshima mahnt!“ auf dem Marktplatz in Xanten.

Die Übernachtung fand in einem Heuhotel statt, wo wir in Schlafsäcken und im Vergleich zu den Isomatten und den Zelten weich und warm schlafen konnten. Der nächste Tag bestand wieder aus einer langen Fahrradfahrt, die uns zu einem Campingplatz nach Düsseldorf führte.

Letzte gemeinsame Übernachtung auf dem Campingplatz in Düsseldorf.

Von hier aus ging es am folgenden Tag, dem 8. August zum Johannes-Rau-Platz in Düsseldorf. Hier wurden wir wiederum vom örtlichen Friedensforum begrüßt. Erneut wurde die Performance „Hiroshima mahnt!“ aufgeführt. Hier endete die FriedensFahrradtour und jeder trat seine Rückreise an. Wir fuhren noch gemeinsam mit einer kleinen Gruppe mit den Rädern zum Düsseldorfer Hauptbahnhof, wo drei von uns in den Zug stiegen, der uns nach Essen, Gelsenkirchen bzw. Münster brachte.

Letzte Vorbereitungen für die letzte Kundgebung der FriedensFahrradtour 2021.

Insgesamt war es für mich eine sehr beeindruckende Tour. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass trotz unvorhergesehener Zwischenfälle und Verspätungen das gesamte Programm der FriedensFahrradtour durchgeführt werden konnte. Mir hat es gefallen – im nächsten Jahr bin ich gerne wieder mit dabei!

Wewelsburg – Ideologie und Terror der SS

Die Wewelsburg an einem trüben Novembertag 2013

Die Wewelsburg an einem trüben Novembertag 2013

Die in Ostwestfalen gelegene Wewelsburg ist nicht nur eine architekturgeschichtliche Besonderheit. Die sehenswerte Dreiecksburg diente Heinrich Himmler für Nazi-Fantasy-Pläne, die 1285 KZ-Häftlinge mit ihrem Leben bezahlten. Heute befindet sich im ehemaligen SS-Wachgebäude eine der wenigen Ausstellungen zur NS-Zeit, die die Täter in den Mittelpunkt stellt. Von hier aus lassen sich auch die erhaltenen Kulträume der SS im Nordturm besuchen. Die Fotos stammen von einem Besuch der Museumsausstellung in der Burg selbst und der zeitgeschichtlichen Ausstellung zur SS im November 2013.

Überraschend klein erschien meiner Begleiterin und mir die Wewelsburg, als wir an einem trüben Novembertag 2013 dort ankamen. Ihre wechselhafte Geschichte wird in einer beeindruckenden Museumsausstellung in der Burg selbst dargestellt, die wir uns zuerst ansahen. Die seit dem 12. Jahrhundert auf vorhandenen Bauwerken errichtete Wewelsburg wurde im 17. Jahrhundert zum Renaissanceschloss umgebaut, nach Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg wiederhergestellt und verfiel während des 19. Jahrhunderts zu einer romantischen Ruine. 1815 schlug ein Blitz in den Nordturm ein und ließ eine ausgebrannte Turmruine zurück.

Modell des Renaissanceschlosses in der Museumsausstellung, wie es zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgesehen hat. Die Zugbrücke war aus Holz und alle drei Ecktürme trugen noch Zinnenkränze. Die Anlage besteht aus einem gleichschenkligen Dreieck.

Modell des Renaissanceschlosses in der Museumsausstellung, wie es zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgesehen hat. Die Zugbrücke war aus Holz und alle drei Ecktürme trugen noch Zinnenkränze. Die Anlage besteht aus einem gleichschenkligen Dreieck.

In der Weimarer Republik wurde das wieder instand gesetzte Gebäude zu einem überregionalen Veranstaltungsort der katholischen Jugendbewegung. 1925 eröffneten Jugendherberge und Heimatmuseum, auch zahlreiche örtliche Veranstaltungen fanden hier statt. 1934 mietete Heinrich Himmler im Namen der NSDAP die Wewelsburg, zunächst um ein Schulungszentrum der SS einzurichten, später sollte sie zu einer Art „Ritterordenszentrale“ der SS werden. Mit dem zunächst erfolgreichen Krieg wurden die Baupläne immer fantastischer und gigantischer. Zu ihrer Umsetzung wurde ein Konzentrationslager eingerichtet. 1945 durch ein Sprengkommando der SS zerstört, dient das Bauwerk heute wieder wie vor 1934 als Jugendherberge und beherbergt das Kreismuseum und Historische Museum des Hochstifts Paderborn.

Gemälde in der Museumsausstellung wie sie in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgesehen hat

Gemälde in der Museumsausstellung, wie die Wewelsburg in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ausgesehen hat

Aufgrund der Zerstörungen, Umbauten und Verfallsperioden haben sich nur wenige Zeugnisse der Baugeschichte erhalten. Aus dem 17. Jahrhundert stammen der Verhörraum mit Verlieszellen, im Volksmund auch „Hexenkeller“ genannt. 1759 diente das Verlies als Militärgefängnis, hauptsächlich für Deserteure. Seit 1802 wurde es nicht mehr genutzt bis die Nazis während der Reichspogromnacht 1938 die männlichen Mitglieder der jüdischen Gemeinde Salzkotten hier einpferchten, bevor sie in das KZ Buchenwald gebracht wurden. Diese und weitere erhaltene Gebäudeteile, darunter auch den im Bild unten gezeigten, besuchten wir im Verlauf des Museumsrundgangs.

Museumsraum 7 mit Mittelsäule und Fußboden aus dem 17. Jahrhundert und einer Ausstellung zu Zeiterfahrungen in der vorindustriellen Welt

Museumsraum 7 mit Mittelsäule und Fußboden aus dem 17. Jahrhundert und einer Ausstellung zu Zeiterfahrungen in der vorindustriellen Welt

Himmlers Vorstellung von der Funktion der Wewelsburg innerhalb der SS veränderte sich im Laufe der Zeit. Aus der Reichsführerschule SS des Jahres 1934 wurde ab 1936 die Zentrale des SS-Gruppenführercorps, zu der repräsentative Bauvorhaben sowie die Schaffung von synthetischen Traditionen mit Elementen eines Ritterordens, rassistischen Vorstellungen und vorchristlichen, pseudogermanischen Motiven gehörten. So sollte Wewelsburg beispielsweise Aufbewahrungsort für die SS-Totenkopfringe nach dem Tod ihrer Träger werden. Zur Finanzierung gründete Himmler die „Gesellschaft zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler“ als eingetragenen Verein, der anders als die SS, die eine nicht rechtsfähige Gliederung der NSDAP war, steuerbegünstigt Spenden sammeln und Kredite aufnehmen konnte. Kredite erhielt der Verein unter anderem von der Dresdner Bank.

Die Wewelsburg mit dem Zugang zum Hauptportal und dem Nordturm rechts.

Die Wewelsburg mit dem Zugang zum Hauptportal und dem Nordturm rechts.

Die auffälligste Veränderung an der Wewelsburg fand bereits 1934 durch die Entfernung des Außenputzes statt, der das Renaissance-Schloss schon vom äußeren her zu einer Burg machte. Ab 1938 begannen die Bauarbeiten an der Ruine des Nordturms mit der bedenkenlosen Vernichtung historischer Bausubstanz und der Schaffung kitschiger „SS-Sakralarchitektur“, wenn man sie so nennen will. KZ-Häftlinge mussten den Fels abtragen, um den Bau der „Gruft“ im Kellergeschoss zu ermöglichen. Im Erdgeschoss entstand der „Obergruppenführersaal“ mit der seit den 1990er Jahren in rechtsextremen und esoterischen Kreisen berüchtigten „Schwarzen Sonne“ im Marmorfußboden.

Innenhof der Wewelsburg mit Blick auf den Nordturm, in dem die "Gruft" und der "Obergruppenführersaal" der SS erhalten sind. Das frühere Kapellenportal führt heute in den "Obergruppenführersaal".

Innenhof der Wewelsburg mit Blick auf den Nordturm, in dem die „Gruft“ und der „Obergruppenführersaal“ der SS erhalten sind. Das frühere Kapellenportal führt heute in den „Obergruppenführersaal“.

Seit 1939 bestand ein Konzentrationslager, als Außenlager des KZ Sachsenhausen, von 1941 bis 1943 als selbständiges Konzentrationslager Niederhagen und anschließend wieder als Außenlager, diese Mal des KZ Buchenwald. Von insgesamt 3.299 KZ-Häftlingen wurden 1.285 durch die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen, Brutalität und Sadismus, mangelhafte Ernährung und medizinische Versorgung ermordet. Die meisten von ihnen, 734 Tote, waren sowjetische KZ-Häftlinge. Vor allem im Jahr 1942 wurde das KZ mit 874 Toten zum Todeslager. 1943 wurde das selbständige KZ Niederhagen aufgelöst, es verblieb nur ein „Restkommando“, das am 2. April 1945 durch Einheiten der US-Armee befreit wurde.

Blick aus der Museumsausstellung der Wewelsburg auf das Wachgebäude mit der Ausstellung "Ideologie und Terror der SS"

Blick aus der Museumsausstellung der Wewelsburg auf das Wachgebäude mit der Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“

Neben dem am Ortsrand liegenden KZ und den Baumaßnahmen in der Burg griff die SS mit mehreren Gebäuden wie dem „NS-Dorfgemeinschaftshaus“, dem Wach- und Stabsgebäude und weiteren Gebäuden massiv in das Ortsbild ein. Mit der zunehmend maßlosen Bauplanung wurde auch die Umsiedlung der Dorfbewohner vorgesehen und Druck auf sie ausgeübt. Nur drei Bauern gingen auf das Angebot ein – und kehrten 1945 als Vertriebene aus Schlesien wieder zurück.

Die Gebäude des KZ wurden 1943 zunächst von umgesiedelten „Volksdeutschen“ aus Osteuropa bewohnt. 1945 kamen hier erst „Displaced Persons“ und 1946 Vertriebene aus den verlorenen deutsche Ostgebieten unter. Daran an schloss sich ein Streit zwischen dem Land NRW und dem Gemeinderat um eine „Wertsteigerung“ für den Bau der KZ-Gebäude in dem ehemaligen Waldgelände. Die Holzbaracken wurden Mitte der 1950er Jahre abgerissen, die Steinhäuser wurden umgenutzt. Aus dem Torhaus wurde ein Wohnhaus, weitere Gebäude dienen als Feuerwehrgerätehaus, als Teil einer Werkhalle und als Scheune. Der frühere Appellplatz wurde als Rasenfläche gestaltet, erst Ende der 1990er Jahre konnten die Vorbehalte der Bewohner gegen ein Mahnmal durch eine Gruppe junger Wewelsburger aufgebrochen werden, das 2000 auf dem ehemaligen Appellplatz eingeweiht wurde.

Blick in die Dauerausstellung "Ideologie und Terror der SS" im ehemaligen Wachgebäude

Blick in die Dauerausstellung „Ideologie und Terror der SS“ im ehemaligen Wachgebäude

Nach wellenförmigen Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit begann Mitte der 1970er der „Paderborner Mahnmalsstreit“, der nach typischen und heftigen öffentlichen Kontroversen zur Entstehung einer untypischen, aber zum Ort passenden Dauerausstellung führte. Die Ausstellung „Wewelsburg 1933-1945, Kult- und Terrorstätte der SS“ aus dem Jahre 1982 thematisierte im ehemaligen SS-Wachgebäude am Burgvorplatz die SS in Wewelsburg und die allgemeine Geschichte der SS. Seit April 2010 ist die neue Ausstellung, „Ideologie und Terror der SS“ eröffnet. Sie bietet neue und moderne Darbietungsmethoden für ihre Inhalte und bezieht weitere bauliche Reste im Untergeschoss des Wachgebäudes sowie die SS-Kulträume im Nordturm in den Rundgang mit ein. Die „Schwarze Sonne“ im „Obergruppenführersaal“ büßt dabei durch eine einfache Methode ihre beherrschende Stellung ein: die Ausstellungsmacher verteilten viele bunte Sitzkissen in die Mitte des Raumes und nahmen ihm so den von der SS zugedachten Charakter. Der positive Nebeneffekt ist, dass sich die Besucher während der Führung durch die Ausstellung hinsetzen können. Wir besuchten die zeitgeschichtliche Ausstellung im Anschluss an die Museumsausstellung im Rahmen einer Besucherführung mit überaus zahlreichen Interessenten. Der Andrang war so groß, dass die Ausstellungsmitarbeiter uns in drei Teilgruppen durch die Ausstellung führten.

Blick in die Gräfte am Nordturm und auf den Weg aus der Ausstellung im Wachgebäude zu den "Kulträumen" der SS

Blick in die Gräfte am Nordturm und auf den Weg aus der Ausstellung im Wachgebäude zu den „Kulträumen“ der SS

Kleiner Exkurs: Gedenkstätten und NS-Täter

Die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg war lange Zeit die einzige arbeitende Gedenkstätte, die sich vorrangig mit den NS-Tätern beschäftigte. Gedenkstätten, die die NS-Zeit thematisieren, waren und sind zunächst, dies macht auch die Widmung “Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus” deutlich, Orte, an denen der Opfer gedacht wurde. Auf dem Gelände der ehemaligen großen Konzentrationslager waren es in der Regel die Häftlingslager, auf denen die Gedenkstätten errichtet wurde. Dass sie überhaupt eingerichtet wurden, lag nicht zuletzt an der „Lobbyarbeit“ der internationalen Verbände ehemaliger Häftlinge, die würdige Erinnerungsorte an ihre Leiden und die ihrer ermordeten Kameraden forderten. Daher ist es einsichtig, dass sich diese Gedenkstätten vorrangig mit den Opfern beschäftigen. Werden in einer KZ-Gedenkstätte Täter thematisiert, so handelt es sich in der Regel um die diensthabenden SS-Dienstgrade mit ihren jeweiligen Funktionen im KZ, seltener die sogenannten „Schreibtischtäter“, die nicht unmittelbar an den Taten im KZ beteiligt waren.

Baustelle der "Topographie des Terrors" in Berlin (Foto: Juli 2000)

Baustelle der „Topographie des Terrors“ in Berlin (Foto: Juli 2000)

Erst in jüngerer Zeit wurden weitere Gedenkstätten an den Orten der Täter gegründet, die sich mit den NS-Tätern auseinandersetzen: die „Topographie des Terrors“ und die „Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz“ in Berlin sowie die „Villa ten Hompel“ in Münster. Die „Topographie des Terrors” dokumentiert auf dem Prinz-Albrecht-Gelände, das das Reichssicherheitshauptamt beherbergte, Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt. Das „Haus der Wannseekonferenz” thematisiert am Ort der Wannseekonferenz des Jahres 1942 den Völkermord an den europäischen Juden als arbeitsteiligen Verwaltungsvorgang. Die „Villa ten Hompel“ zeigt am früheren Sitz der Ordnungspolizei in Münster die Verbrechen von Polizei und Verwaltung.

Ergänzte Fassung

Quellen
Brebeck, Wulff E.: Wie Wewelsburg zu einer Gedenkstätte kam, in: Garbe, Detlef (Hg.): Die vergessenen KZs? Gedenkstätten für die Opfer des NS-Terrors in der Bundesrepublik, Bornheim-Merten 1983, S. 153-176
Brebeck, Wulff E.: Die Wewelsburg. Geschichte und Bauwerk im Überblick, Berlin, München 2009
Endzeitkämpfer – Ideologie und Terror der SS. Hrsg. von Wulff E. Brebek … Begleitband zur ständigen Ausstellung „Ideologie und Terror der SS“ in der „Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg 1933-1945“ des Kreismuseums Wewelsburg, Büren-Wewelsburg. Berlin, München 2011