Heute Nacht ist die Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und eines Todesmarsches im Alter von 96 Jahren ruhig und friedlich eingeschlafen. Die VVN-BdA verdankt ihrer Ehrenpräsidentin viel. Als 1990 zum ersten Mal ein Bundessprecher:innenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und Neuanfang verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine der ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der die VVN-BdA der Diffamierung des Antifaschismus entgegentreten musste. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist. Und als im November 2019 das Finanzamt in Berlin die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu dem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen. Antifaschismus ist wieder gemeinnützig!
Nun ist die unermüdliche Zeitzeugin gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Die Bundesvereinigung der VVN-BdA schreibt unter anderem in ihrem Nachruf: „Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.“
Anlässlich ihres letzten öffentlichen Auftritts am 3. Mai diesen Jahres, wo sie im Rollstuhl sitzend gleichwohl mit klarer Stimme sprach, wiederholte sie noch einmal ihre Forderung, den 8. Mai in Deutschland zum Feiertag zu machen: „Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschlagung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“ Der vollständige Text der Rede kann hier nachgelesen werden.
Dieser Textbeitrag beruht im wesentlichen auf dem Nachruf der Bundesvereinigung der VVN-BdA.
Teile eines Interviews mit ihr auf der Seite des WDR
https://www1.wdr.de/nachrichten/zum-tod-esther-bejarano-erinnerungen-krieg-holocaust-100.html
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