
Die Stadtgesellschaft zeigt ihre Solidarität: Mahnwache am 10.10.2019 an der Neuen Synagoge in Gelsenkirchen nach dem Anschlag in Halle (Antifaschistisches Archiv-Bild).
Es war wohl dem runden Jahrestag geschuldet, dass der Kurt-Neuwald-Saal nicht nur bis auf den letzten Platz, sondern weit darüber hinaus gefüllt war. 75 Jahre ist es her, das am 27. Januar 1945 das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit wurde. Seit 1996 ist dieses Datum in Deutschland den Opfern der Nazis gewidmet, 2005 erklärten ihn die Vereinten Nationen zum Internationalen Holocaust-Gedenktag. In Gelsenkirchen wird zugleich an die erste Deportaion von Jüdinnen und Juden am 27. Januar 1942 in das Ghetto Riga erinnert. Die Gedenkfeier wurde gemeinsam von der Jüdischen Gemeinde, der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und dem Institut für Stadtgeschichte ausgerichtet.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Judith Neuwald-Tasbach eröffnete die Gedenkfeier mit den schon oft gesagte Sätzen, das es für die Opfer wie für die Täter keine Befreiung von Auschwitz gebe, sie müssten ihr Leben lang mit der Erinnerung leben. Sie und weitere Rednerinnen und Redner machten deutlich, wie wichtig es ist, die Erinnerung an die ungeheuerlichen Verbrechen wach zu halten, auch und vor allem angesichts der jüngsten Entwicklungen. Weiter sprachen Martina Rudowitz, Bürgermeisterin der Stadt Gelsenkirchen und mit Propst Markus Pottbäcker und Superintendent Heiner Montanus auch je ein Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche. Ausführlich sprach die Antisemitismus-Beauftragte des Landes, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Dr. Daniel Schmidt, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, moderierte eine Podiumsdiskussion, an der neben Judith Neuwald-Tasbach und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger noch Michael Schulz, dem Generalintendanten des Musiktheaters im Revier und Denis Andric, Leiter des Staatsschutzes der Polizei Gelsenkirchen. Thema war der aktuelle Umgang mit der Rechtsentwicklung und die Reaktionen darauf.
Aufgelockert wurden die Redenteile der Feier durch zwei bemerkenswerte Musiker, Mariya Kats (Gesang und Geige) und Andronik Yegiazaryan (Instrumentale Begleitung), von denen ich sehr sehr gerne mehr gehört hätte. Mit einem kurzen Trailer wurde ein Projekt vorgestellt, in dem Gelsenkirchener Jugendliche mit Frau Pollak eine überlebende Zwangsarbeiterin des KZ Außenlagers bei der Gelsenberg Benzin AG in Antwerpen besuchten. Diese Gruppe wird noch Auschwitz besuchen und den Film mit diesen Erfahrungen vervollständigen. Rabbiner Chaim Kornblum sprach mit dem „El male Rachamin“ das Gedächtnisgebet für die ermordeten Juden Europas.
Insgesamt war es eine eindrucksvolle Gedenkfeier, die mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.