Vom Umgang mit Nazi-Kunst – Beispiel Kalkar

Kreativer Umgang mit einem Nazi-Denkmal in Kalkar (Foto: Wilfried Porwol, Kleve).

Nicht nur in Gelsenkirchen, sondern überall in Deutschland findet man Nazi-Denkmäler, die Krieg und Faschismus verherrlichen. Und nicht nur in Gelsenkirchen überwiegen Unvermögen und Unbeweglichkeit im offiziellen Umgang mit diesen steinernen Zeugen der Vergangenheit – die Gründe hierfür mögen unterschiedlich sein. Am diesjährigen Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 2019, stellte der Klever Künstler Wilfried Porwol auf der Friedensdemonstration in Kalkar in seiner Rede einen sehr kreativen Umgang mit einem „Kriegerdenkmal“ aus dem Jahre 1936 vor und stellt diesen in den Zusammenhang des Ortes Kalkar, der das das „Zentrum Luftoperationen“ der NATO beherbergt, wo durch Klassenführungen, Praktikumsplätze für 15jährige Schülerinnen und Schüler sowie Projektwochen der Städtischen Realschule junge Menschen „für einen Beruf geködert werden, der das Töten anderer Menschen beinhaltet“ und wo auf dem mittelalterlichen Marktplatz mit einem großen Zapfenstreich ein Drei-Sterne-General verabschiedet wurde, der nun für die AfD in Hannover als Oberbürgermeister kandidiert.

Das Nazi-Denkmal Kalkar, das „Kriegerdenkmal“, ist vom zentralen Kreisverkehr in Kalkar deutlich sichtbar und steht in einer öffentlichen Parkanlagen. In der Nazi-Zeit im Jahre 1936 errichtet erinnert es mit der Aufschrift „Unsere Helden 1914-1918“ an die Toten des Ersten Weltkriegs, erst Anfang der 1980er Jahre wurden die Jahreszahlen des Zweiten Weltkriegs, 1939-1945, ergänzt. Über dem 4 Meter langen und 1,25 Meter hohen Quader „hockt ein martialischer deutscher Adler auf einem Schwert.“ Auf der Rückseite befindet sich folgender Text: „Mögen Jahrtausende vergehen, man wird nie von Heldentum reden können ohne des deutschen Soldaten im Weltkrieg zu gedenken“. Es handelt sich um ein Zitat aus Adolf Hitlers „Mein Kampf“, was bei der Errichtung des Denkmals sicherlich beabsichtigt war und spätestens seit 2014 (wieder) bekannt ist.

Wir können davon ausgehen, dass die Errichtung des Denkmals an die Toten des Ersten Weltkriegs während der Nazi-Zeit mit seiner Verherrlichung soldatischen Heldentums wie in Gelsenkirchen und anderen Städten auch zur ideologischen Kriegsvorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg diente. Krieg und Faschismus sind in diesen Denkmälern eins. Porwol führt weiter aus, dass die Ehrung der gefallenen Soldaten beider Weltkriege als „Helden“ nicht nur eine Verhöhnung der Opfer, sondern „auch eine Glorifizierung des verbrecherischen Vernichtungskrieges der deutschen Wehrmacht“ bedeute. Nachdem trotz Beschäftigung durch den Kalkarer Stadtrat in den Jahren 2015 und 2016 nichts passierte, schritt er selbst zur Tat.

Kreativer Umgang mit einem Nazi-Denkmal in Kalkar (Foto: Wilfried Porwol, Kleve).

In seiner Rede berichtet er wie folgt:
„Das Ding stand weiterhin da als Monument des Militarismus. Eine nicht weiter hinzunehmende und meines Erachtens strafbare Duldung nationalsozialistischer Kriegsverherrlichung durch die Stadt Kalkar und für mich als Pazifist und Künstler eine Herausforderung an meine Kreativität.

In den Morgenstunden des 27. Juli, einem Samstag, war es dann soweit. Mit mehreren Farbspraydosen bewaffnet begann ich das Nazi-Monument zu einem Friedensmahnmal umzugestalten. So prangte jetzt vorne auf dem Quader zentral über dem reliefartigen Schriftzug ‚Unseren Helden‘ das Peace-Zeichen und rechts und links davon der zeitlose Slogan der Antikriegsbewegung ‚MAKE LOVE – NOT WAR‘. Auf das Schwert sprayte ich die naheliegende biblische Forderung: ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ und darunter die aktuelle Forderung: ‚Abrüsten statt Aufrüsten‘. Über der Rückseite prangte nun in ganzer Breite: ‚NIE WIEDER FASCHISMUS – NIE WIEDER KRIEG‘. Den Adler begann ich farblich in den Regenbogenfarben umzugestalten.

Doch nach eineinhalb Stunden war erst mal Schluss. Die Polizei kam und machte, was sie wohl für ihre Pflicht hielt: sie beschlagnahmte meine Ausrüstung und stellte Anzeige wegen des Verdachtes auf Sachbeschädigung. Für mich ein ein kalkuliertes Risiko, keineswegs abschreckend. Doch die farbliche Verfremdung des Adlers blieb unvollständig. Von den sieben Regenbogenfarben fehlten noch drei.

Kreativer Umgang mit einem Nazi-Denkmal in Kalkar (Foto: Wilfried Porwol, Kleve).

Mit ein paar neuen Spraydosen wollte ich dann meine Arbeit an der Farbgestaltung des Adlers im Morgengrauen des nächsten Tages zu Ende führen. Ich traute meinen Augen kaum. Das Nazi-Denkmal war noch am Samstag ‚gereinigt‘ worden. Auf Anweisung der Bürgermeisterin wurden weder Kosten noch Mühen gespart, um noch am gleichen Tag – trotz Wochenende – das unsägliche Monstrum wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Diese erneuerte Glorifizierung soldatischen Heldentums war allerdings nur von kurzer Dauer. Unbekannte Menschen hatten erfreulicherweise meine Gestaltungsanregungen aufgenommen und spontan noch am Sonntag Vormittag das Nazi-Kriegerdenkmal wieder mit Friedensbotschaften versehen.

Das Presseecho war groß und überwiegend positiv, der WDR berichtete in der Aktuellen Stunde darüber. Die Stadt Kalkar kam in Erklärungsnot, weswegen sie das Nazi-Monument ohne sichtbare Distanzierung unverändert Jahre lang stehen ließ. Erst vor 4 Wochen wurde das Ding wieder gereinigt, doch am 26. September wurde das kriegsverherrlichende Monstrum nach Jahren wieder zum Thema in der Stadtratssitzung in Kalkar. Es sollen – so der Beschluss – möglichst bald erklärende Tafeln angebracht werden. Wir werden sehen, und falls notwendig gibt es sicherlich kreative Menschen …“

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