„Erinnerungsarbeit und Geschichtspolitik“

Vom 27. bis 29. Mai 2016 wird die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ihren außerordentlichen Bundeskongress in der Nachbarstadt Bochum zum Thema „Erinnerungsarbeit und Geschichtspolitik“ durchführen. Der Kongress wird dieses Thema nicht vorwiegend im Plenum, sondern in einem alle einbeziehenden Prozess mit dem schönen Namen „World Café“ behandeln.

Das Problem ist angesichts der immer weiter zurückliegenden NS-Vergangenheit nicht neu, für eine von Verfolgten gegründete Vereinigung aber wesentlich: In einer Zeit ohne lebende Zeitzeugen an den Faschismus, in der wir uns zugleich gegen Historisierung und Musealisierung der NS-Geschichte wehren müssen, ist es wichtig Konzepte zu entwickeln, wie die Erfahrungen der Geschichte von Widerstand und Verfolgung für die Gegenwart fruchtbar gemacht werden können für aktuelle Auseinandersetzungen. Gerade angesichts der erschreckenden rassistischen Mobilisierungen, der Wahlerfolge der AfD und der Verniedlichung von Randalierenden und Rechts-WählerInnen als „besorgte Bürger“ sowie der zunehmenden Akzeptanz autoritärer Politik-Vorstellungen ist es notwendig, die Geschichte zum Teil des „Alltagswissens“ werden zu lassen. Wie ist das ohne Zeitzeugen möglich?

Interaktive Karte auf der Internet-Seite verbrechen-der-wirtschaft.de

Interaktive Karte auf der Internet-Seite verbrechen-der-wirtschaft.de

Bereits seit Jahren gibt es Projekte und Vorhaben in- und außerhalb der VVN-BdA, mit denen neue Wege der Erinnerungs- und Geschichtsarbeit gesucht und gefunden werden. Eines dieser Projekte ist die Rallye „Spurensuche der Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“, die aus Anlaß des 75. Jahrestages der Machtübertragung an Hitler 2008 begann und Täter und Tatorte öffentlich machen soll. 2012 veröffentliche Ulrich Sander Zwischenergebnisse in „Von Arisierung bis Zwangsarbeit“, fortlaufend finden sich Ergebnisse auf der eingerichteten Internet-Seite www.verbrechen-der-wirtschaft.de. Eine Fotodokumentation entsteht auf r-mediabase.

Auch zu Gelsenkirchen finden sich in der Buchveröffentlichung wie auf der Internet-Seite Aktivitäten. So regte die Landesvereinigung NRW der VVN-BdA am 9. August 2011 an, mit einer Mahntafel kritisch an das Wirken von Emil Kirdorf, einem Unterstützer der NSDAP und Hitlers, zu erinnern. Dieser Antrag wurde im Kulturausschuss, so ist dem Protokoll vom 28. September 2011 zu entnehmen, „Ohne Aussprache zur Kenntnis genommen“. Die Stadt nahm sich dieser Anregung auf ihre Weise an und der Kulturausschuss beschloss in derselben Sitzung eine Informationstafel im Rahmen des stadteigenen Konzeptes der „Erinnerungsorte“ anzubringen.

Die Tafel „Gelsenkirchener Bergwerks AG und Emil Kirdorf“ wurde am 4. Juni 2013 am Gebäude Leithestraße 39 in Gelsenkirchen-Ückendorf der Öffentlichkeit übergeben. Es handelt sich bei Haus Nr. 39 um eines der ehemaligen Verwaltungsgebäude der Gelsenkirchener Bergwerks-AG (GBAG), deren Generaldirektor Emil Kirdorf war. – Die VVN-BdA NRW, die diese Tafel angeregt hatte, wurde auf ihr allerdings nicht genannt, der Zusammenhang zur Rallye „Spurensuche der Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ erschließt sich ebenfalls nur über die Internetseite des Projektes.

Erinnerungsortetafel zu Emil Kirdorf am Haus Leithestraße Nr. 39 in Gelsenkirchen-Ückendorf

Erinnerungsortetafel zu Emil Kirdorf am Haus Leithestraße Nr. 39 in Gelsenkirchen-Ückendorf