
Für den Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 geschmücktes Mahnmal für die Opfer der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
Rede von Knut Maßmann für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Gelsenkirchen
Liebe Friedensfreundinnen und liebe Friedensfreunde,
wie in jedem Jahr stehen wir am Ostersonntag vor dem Mahnmal für alle Opfer des Faschismus hier im Stadtgarten. Mahnmale und Denkmale sind wichtig, um die Erinnerung an die Zeit des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und vor seiner Wiederkehr zu warnen. Eine Wiederkehr, die nicht ausgeschlossen ist.
Die ersten Denkmale für die Opfer des Faschismus in Gelsenkirchen wurden von jüdischen Überlebenden errichtet: 1947 auf dem wiederhergestellten jüdischen Friedhof in Gelsenkirchen-Buer. 1948 auf dem Horster Südfriedhof zur Erinnerung an 250 jüdische Zwangsarbeiterinnen aus Ungarn und aus Rumänien, die nicht in den Schutzbunker durften und aus diesem Grund Opfer eines Luftangriffes geworden sind.
Ebenfalls 1948 folgte auf dem Horster Südfriedhof ein von der VVN errichtetes Denkmal für die 1944 ermordeten Mitglieder der antifaschistischen Zielasko-Gruppe. Es erinnert auch an die 1920 im Anschluss an den Kapp-Putsch von rechtsradikalen Freikorps ermordeten Mitglieder der Roten Ruhrarmee und steht an der Stelle eines von den Nazis zerstörten früheren Denkmals.
Das große Mahnmal, welches ihr hinter meinem Rücken seht, wurde ebenfalls von der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, und mit Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen errichtet. Es wurde am 10. September 1950, dem damals üblichen Gedenktag für die Opfer des Faschismus, feierlich der Öffentlichkeit und der Obhut der Stadt übergeben.
„Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ war die Lehre nach 1945. Doch was ist von dieser Lehre heute noch übrig geblieben?
Wir leben wieder in einem Land, das sich an Kriegen in aller Welt beteiligt. Stand Februar diesen Jahres befinden sich 3.000 bewaffnete Soldatinnen und Soldaten in mehr als 10 Staaten, im Mittelmeer und am Horn von Afrika im militärischen Einsatz.
Wir leben wieder in einem Land, in dem Rassismus und völkisches Gedankengut offen auftreten.
Wir müssen erleben, wie Flüchtlingsheime angezündet werden und der grölende Mob nicht nur mit unverhohlener Freude Beifall klatscht, sondern – wie in Bautzen – die Feuerwehr vom Löschen abhält.
In einer sächsischen Kleinstadt wurde über Stunden ein Bus mit Flüchtlingen blockiert, ohne dass die Polizei eingreift.
Die Polizei dagegen probt neue Einsatztechniken gegen Antifa-Demos. Ja, ihr habt richtig gehört. In diesem Monat probten rund 400 Beamte verschiedener Hundertschaften auf der Zeche Westerholt neue Einsatztechniken gegen eine Antifa-Demo, um Randalierer und Gewalttäter aus der Menge zu isolieren.
Nach Angaben des Bundeskriminalamts wurden bis Februar diesen Jahres bereits 151 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und ihre Bewohner gezählt. Das sind im Durchschnitt fast 3 Angriffe pro Tag. Dagegen wird nicht geprobt.
Eine Wortführerin von PEGIDA lobt den „Mut der Bürger“. Vertreter der AfD fordern „Grenzen zu und Feuer frei“. Die Politik kommt den Rechten entgegen, diskutiert Obergrenzen und Lager, beschließt Verschärfungen des Asylrechts und verkündet neue, vermeintlich sichere Herkunftsländer.
Auch im Gelsenkirchener Stadtparlament sitzen drei Vertreter der AfD. Sie agieren mit der rechtsextremen ProNRW* gemeinsam und machen deutlich, wo sie politisch stehen. Nämlich Rechtsaußen!
Zu Beginn meiner Rede sagte ich, Mahnmale und Denkmale sind wichtig, um die Erinnerung an die Zeit des Faschismus nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und vor seiner Wiederkehr zu warnen. Eine Wiederkehr, die nicht ausgeschlossen ist.
Auch 2015 wurde in Gelsenkirchen ein Denkmal der Öffentlichkeit übergeben. Allerdings kein antifaschistisches Denkmal, sondern im Gegenteil, ein Denkmal in kriegsverherrlichender und faschistischer Ästhetik. Ein 5 Meter hohes, lorbeergeschmücktes Schwert aus Gussstahl, angebracht an einer 6 Meter hohen Granitstele. Ein steil aufgerichteter Kriegsphallus.
Ursprünglich war er von den Nazis am 1. Mai 1937 auf dem Gelände des Schalker Vereins pompös eingeweiht worden. Mit der Inschrift „Sie starben für Deutschland“ stellten die Nazis die im Ersten Weltkrieg gefallenen Werksangehörigen in den Dienst ihrer innenpolitischen Kriegsvorbereitung. Einen Krieg, den wir heute unter dem Namen Zweiter Weltkrieg kennen und in dessen Schatten Vernichtungskrieg und Holocaust stattfanden.
Nach dem Verkauf des Schalker Vereins vor einigen Jahren und während der Umgestaltung des früheren Werksgeländes wurde das Nazi-Schwert wiederentdeckt. Es wurde unter Denkmalschutz gestellt und kurz vor dem 9. November 2015 an einen öffentlichen Weg umgesetzt. Hinzu kamen ein Stein mit der einfallslosen Inschrift „Die Toten mahnen zum Frieden“ und einer den historischen Hintergrund erläuternden Tafel. Doch weithin sichtbar bleibt der steil aufgerichtete Kriegsphallus der Nazis.
Dagegen fordert die Gelsenkirchener VVN eine öffentliche Diskussion und die Umgestaltung in ein antifaschistisches Denkmal. Gerade auf dem Gelände des Schalker Vereins bietet sich die Thematisierung von Rüstungsproduktion, Zwangsarbeit, Widerstand und Bombenkrieg an, um aus der Geschichte zu lernen, dass und warum sie sich nicht wiederholen darf.
Etwas, das ist in unserer Zeit nötiger ist denn je!
Vielen Dank fürs Zuhören!
*mündlich erläutert: Pro NRW Gelsenkirchen hat sich Pro Deutschland angeschlossen, an der rechtsextremen Ausrichtung hat das nichts geändert.

Ostermarsch Rhein-Ruhr 2016 – Knut Maßmann spricht für die VVN-BdA am Mahnmal (Foto: Martin Gatzemeier)