„Der Staat gegen Fritz Bauer“ – Deutschlandpremiere in der Lichtburg Essen

Lichtburg Essen - Premiere des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer"

Lichtburg Essen – Premiere des Films „Der Staat gegen Fritz Bauer“

Ein Film mit einem sehr deutschen Thema zeigte die Essener Lichtburg, mit 1250 Plätzen das größte Kino Deutschlands und zugleich eines der ältesten und schönsten Kinos, gestern in einer Deutschlandpremiere. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ ließ die 1950er Jahre wieder aufleben, die junge westdeutsche Republik, ein spießiger Adenauer-Staat, in dem zahlreiche Nazis ihre durch die bedingungslose Kapitulation der Nazi-Diktatur unterbrochene Karriere fortsetzten.

Wer die Dokumentation „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ aus dem Jahre 2010 mit Original-Archivmaterial kennt, wird überrascht sein, wie überzeugend Burghart Klaußner in die Rolle des Hessischen Generalstaatsanwalts schlüpft. Fast meint man, keinen Schauspieler, sondern den echten Fritz Bauer auf der Leinwand zu erleben.

Im Mittelpunkt des Films steht Fritz Bauers Absicht, den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, den Organisator des Holocaust, in Frankfurt vor Gericht zu stellen und damit die Bevölkerung mit ihrer eigenen Geschichte zu konfrontieren. Warum ihm das nicht gelingt und wie es dazu kommt, dass der israelische Geheimdienst schließlich aufgrund von Bauers Informationen den in Argentinien untergetauchten Eichmann nach Jerusalem entführt und vor Gericht stellt, das sehe man sich im Film selbst an.

Der fiktive Charakter des jungen Staatsanwalts Karl Angermann, glaubwürdig gespielt von Ronald Zehrfeld, thematisiert zugleich die Homosexualität Fritz Bauers und den Skandal, dass der in der Nazi-Zeit verschärfte §175, der sich gegen homosexuelle Handlungen unter Männern wandte, auch in der Bundesrepublik Deutschland noch lange Zeit fortgalt.

Lichtburg Essen - gut besuchte Premiere des Films "Der Staat gegen Fritz Bauer"

Lichtburg Essen – gut besuchte Premiere des Films „Der Staat gegen Fritz Bauer“

Zur gut besuchten Deutschlandpremiere in der Lichtburg Essen waren unter anderem die beiden Hauptdarsteller Burghart Klaußner und Ronald Zehrfeld, der Regisseur Lars Kraume sowie die Produzenten und weitere Mitglieder des Teams zu Gast. Offizieller Kinostart in Deutschland ist der 1. Oktober. Wer sich für unsere nahe Vergangenheit und die Schwierigkeiten der sogenannten „Vergangenheitsbewältigung“ interessiert oder einfach nur hervorragende deutsche Schauspieler sehen will, dem sei der Film ans Herz gelegt.

Der Staat gegen Fritz Bauer. D 2015. 105 Min. Regie Lars Kraume. Darst. Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Michael Schenk u.a. http://www.alamodefilm.de/kino/detail/der-staat-gegen-fritz-bauer.html

Supplement

„Der Staat gegen Fritz Bauer“ wurde wie erwartet in den üblichen Medien besprochen. Die einzige kritische Stimme fand ich von von Daniel Kothenschulte in der Frankfurter Rundschau.
Sehr ausführlich schreibt Oliver Kaever in der Zeit über den Film. Ein lesbarer Beitrag, den ich ohne Internet sicher nicht gelesen hätte, findet sich auch im Hamburger Abendblatt von Peter Zander. Die üblichen lobenden Worte finden Sascha Westphal in der WAZ und Frank Arnold im Spiegel. In der Welt – auch keine Überraschung – meint Eckhard Fuhr in einem Nebensatz Fritz Bauer gegen die 68er aufrechnen zu müssen, während Kai Köhler in der jungen Welt betont, wie schwierig die Aufarbeitung der Vergangenheit war, solange noch Alt-Nazis an den Schaltstellen der jungen Bundesrepublik saßen. Inzwischen habe ich eine sehr kritische Stellungnahme von Kurt Nelhiebel, die dem Film Geschichtsklitterung vorwirft, auf der Seite der VVN-BdA-NRW dokumentiert gefunden. Lesenswert.