3. Die VVN-BdA Gelsenkirchen seit der Neugründung 2006
Vor 70 Jahren wurde mit dem „Komitee ehemaliger politischer Gefangener und Konzentrationäre“ der Vorläufer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Gelsenkirchen gebildet. Dieser Beitrag zeichnet die Geschichte der Kreisvereinigung Gelsenkirchen nach. Aufgrund des Umfangs, habe ich ihn in mehrere Teile aufgeteilt.
Die Neugründung der Kreisvereinigung Gelsenkirchen der sich jetzt „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ bezeichnenden Organisation erfolgte Anfang 2006 in einem Umfeld, den das „Bündnis gegen Rechts“ und das „Friedensforum Gelsenkirchen“ mit vorbereitet hatten. Zu den Themenfeldern der Kreisvereinigung gehören seitdem das Wachhalten der Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, Aktivitäten gegen Rechtsextremismus in der Gegenwart und der Einsatz für den Frieden. Sie steht „für eine Welt ohne Rassismus, Antisemitismus, Nazismus und Militarismus, ohne Ausgrenzung, ohne Faschismus und Krieg.“
Das „Bündnis gegen Rechts“ war im Jahr 2000 als Bündnis von Einzelpersonen gegründet worden, das auf rechtsextreme Aktivitäten reagieren und die rechte Szene beobachten wollte. Das „Friedensforum Gelsenkirchen“ hatte sich im Jahr 2002 als weiteres überparteiliches Personenbündnis gebildet, das sich für eine friedliche Politik nach innen und außen einsetzt. Es engagiert sich nach der Maxime, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf, sondern dass es immer auch friedliche Möglichkeiten gibt, Konflikte zu lösen.

Das Mahnmal für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft im Gelsenkirchener Stadtgarten wurde auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) mit Unterstützung der Stadt errichtet und am 10. September 1950 feierlich der Öffentlichkeit übergeben. Es wird jährlich während des Ostermarschs und am Antikriegstag besucht.
Das Friedensforum organisiert jährlich den Gelsenkirchener Beitrag zum Ostermarsch Rhein-Ruhr mit dem Empfang des Fahrrad-Korsos aus Essen im Gelsenkirchener Stadtgarten und einer Rede am durch die VVN errichteten Mahnmal. Zum Ostermarsch 2013 sprach Katja Erzkamp für die VVN-BdA Gelsenkirchen gegen die Bundeswehrwerbung in Schulen.
In den Jahren 2003 bis 2006 führte das Friedensforum eine Veranstaltung anlässlich des Antikriegstages mit jeweils aktuellen Themen durch. Zum Antikriegstag am 1. September 2006 luden das Friedensforum Gelsenkirchen und die VVN-BdA Gelsenkirchen gemeinsam zu einem Bericht über die Friedensbewegung in Japan durch Hannelore Tölke, Landesprecherin der VVN-BdA NRW ein. Im Flugblatt erinnerten beide Organisationen an die Erklärung deutscher Bürgermeister zur Abschaffung von Atomwaffen „Mayors for Peace“, die Frank Baranowski im Jahr 2005 mit weiteren Bürgermeistern des Ruhrgebietes unterschrieben hat.
Seit 2006 führt die VVN-BdA in Gelsenkirchen am Jahrestag der Ermordung des Widerstandskämpfers Fritz Rahkob am 24. August 1944, eine antifaschistische Kundgebung an dem nach ihm benannten Fritz-Rahkob-Platz in der Gelsenkirchener Innenstadt durch. Am 1. August 2011 wurde ein Stolperstein für Erich Lange am Ort seiner Ermordung an der Ecke Ebertstraße/Am Rundhöfchen verlegt, für den die Gelsenkirchener VVN-BdA die Patenschaft übernommen hatte.
„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“
Seit 2011 beteiligen sich Mitglieder der Kreisvereinigung an einer jährlichen Kundgebung zum Antikriegstag auf dem Preuteplatz in Gelsenkirchen, an dem sich ein Demonstrationszug zum Mahnmal im Stadtgarten anschließt. An diesem Bündnis beteiligen sich auch Mitglieder der Die Linke, der DKP, von AUF/MLPD sowie der Piraten. 2015 wurde anlässlich der angekündigten Demonstration der Partei „Die Rechte“ von Essen-Kray nach Gelsenkirchen-Rotthausen aus dem „Antikriegstagsbündnis“ das „Bündnis gegen Krieg und Faschismus“. Es rief zu einer Gegendemonstration an der Stadtgrenze auf, die dazu führte, dass „Die Rechte“ ihren Aufmarsch abbrechen musste und Gelsenkirchener Stadtgebiet nicht erreichte.
Jährlich nehmen Mitglieder der Kreisvereinigung Gelsenkirchen an der 1964 von SJD-Die Falken ins Leben gerufenen und seit 1992 von der „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie – Gelsenkirchen“ durchgeführten Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 als Teilnehmer teil. Der Aufnahmeantrag der Kreisvereinigung an die „Demokratische Initiative“, in der sich insgesamt 23 Organisationen, „demokratische Parteien, Kirchen, karitative Einrichtungen, Gewerkschaften und weitere Gruppen zusammengeschlossen (haben), um für ein demokratisches Miteinander in unserer Stadt einzutreten” wurde 2015 ohne Begründung abgelehnt. Damit schließt sich wiederum der Kreis zu Verbot und Ausgrenzung der VVN und später der VVN-BdA seit den 1950er Jahren – auch in Gelsenkirchen.
Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung
Die ersten beiden Teile dieses Beitrages fußen im Wesentlichen auf das 1988 von Hartmut Hering und Marlies Mrotzek veröffentlichte Buch über die damals 40jährige Geschichte der Gelsenkirchener VVN. Am Ende ihrer Darstellung ziehen die beiden Autoren folgendes Resümee: „Eine der wichtigsten Aufgaben der VVN ist die Weitergabe der Erkenntnis, dass die Gefahr von Rechts endgültig nur zu beseitigen ist durch gemeinsam zu erkämpfende gesellschaftliche Veränderungen. Die VVN bemüht sich daher mittlerweile nicht nur um starke Bündnisse im Kampf gegen den Neofaschismus. Vielmehr wird jede Bewegung in der VVN einen politischen Partner finden, die sich für die Sicherung des Friedens durch Abrüstung, für den Ausbau der Demokratie und für die Beschleunigung und Festigung des sozialen Fortschritts einsetzt … In diesem Sinne war und ist der Antifaschismus stets mehr als nur eine Gegenbewegung.“ Dem ist in einer Gegenwart, die von wachsenden militärischen Auseinandersetzungen und dadurch wachsenden Flüchtlingsströmen, immer weiter zunehmender sozialer Ungerechtigkeit, Medien- und Politikerverdrossenheit (nicht Politikverdrossenheit) nichts hinzuzufügen.
Gegenwärtig trifft sich die Gelsenkirchener VVN-BdA monatlich im Alfred-Zingler-Haus im Margaretenhof 10-12. Das Haus von SJD-Die Falken ist nach dem von den Nazis 1944 ermordeten SPD-Politiker benannt. Wer unsere Ziele teilt, ist herzlich willkommen: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Quellen
Beispiele der Verfolgung und des Widerstandes in Gelsenkirchen 1933-45. Hrsg.: Schul- und Kulturdezernat der Stadt Gelsenkirchen. Red.: Hartmut Hering/Marianne Kaiser, 2., erw. Aufl., Gelsenkirchen 1982
Und das ist unsere Geschichte. Gelsenkirchener Lesebuch. Hrsg.: Hartmut Hering, Michael Klaus, Oberhausen 1984
Für uns begann harte Arbeit. Gelsenkirchener Nachkriegslesebuch. Hrsg. von Hartmut Hering, Hugo Ernst Käufer, Michael Klaus, Oberhausen 1986
Hering, Hartmut und Marlies Mrotzek: Antifaschismus ist mehr als eine Gegenbewegung. 40 Jahre Kampf für Frieden, Demokratie und sozialen Fortschritt am Beispiel der VVN / Bund der Antifaschisten Gelsenkirchen 1947 – 1987, Gelsenkirchen 1988
Anmerkungen
Eine erste Fassung dieses Beitrages findet sich im WIKI der Gelsenkirchener Geschichten.
Einen sehr guten Überblick über die Geschichte der Gesamtorganisation gibt Hans Coppi anlässlich des 60. Geburtstags der VVN 2007. Einen bemüht objektiven Überblick gibt auch der Artikel in der Wikipedia.