„Tod auf Raten“ im Kulturraum „die flora“

Kulturraum die flora zeigt Fritz Bauer Tod auf Raten (klein)Ich hatte nicht mit großer Resonanz auf den Film- und Diskussionsabend zum Film „Fritz Bauer – Tod auf Raten“ in der „flora“ gerechnet, umso überraschter war ich, als neben den üblichen Verdächtigen auch eine ganze Schulklasse der Abendrealschule auftauchte. Der Film dokumentiert Fritz Bauers Leben und verwendet dazu vorhandenes Filmmaterial unter anderem des Hessischen Rundfunks. Für die MTV-Generation war es sicherlich ein Kulturschock, gleich zu Beginn einen älteren Mann mit dicker Hornbrille reden zu hören – und das auf Filmmaterial in schwarzweiß zu sehen.

„Tod auf Raten“ beleuchtet soweit das filmisch möglich ist, das Leben von Fritz Bauer und thematisiert womit er bekannt geworden ist: Den Frankfurter Auschwitz-Prozess 1963 bis 1965, den er als Generalstaatsanwalt gegen die SS-Angehörigen des Konzentrations- und Vernichtungslagers initiierte. Weniger bekannt war, dass er ganz entscheidend 1952 in einem Prozess zur Rehabilitierung der Hitler-Attentäter des 20. Juli 1944 beigetragen hatte. Gänzlich unbekannt war wohl lange Zeit, dass er 1960 dem israelischen Geheimdienst den Tipp über den Aufenthaltsort Adolf Eichmanns in Südamerika gegeben hatte. Die Frage, warum er nicht den Weg eines Auslieferungsantrages gegangen war, um Eichmann vor ein deutsches Gericht zu stellen, wurde im Film auch angeschnitten und beantwortet. Aufgrund der Nazi-Seilschaften in der alten Bundesrepublik befürchtete er, dass Eichmann rechtzeitig gewarnt werden und untertauchen würde. So kam es, dass Eichmann in Jerusalem vor ein israelisches Gericht gestellt und verurteilt worden ist. Bauer selbst wird das Zitat zugeschrieben, wenn er seine Amtsräume verließe, würde er feindliches Ausland betreten.

Fritz Bauer, 1903 in Stuttgart als Kind einer jüdischen Familie geboren, studierte Rechtswissenschaft und trat 1920 in die SPD ein. Nach der „Machtergreifung“ der Nazis 1933 musste er sein Amt als Richter niederlegen und wurde einige Monate im KZ inhaftiert. Er emigrierte 1936 nach Dänemark und floh vor der Mordmaschine der Nazis weiter nach Schweden. Nach der Befreiung Deutschlands durch die Alliierten kehrte er 1949 wieder zurück, wurde Generalstaatsanwalt in Braunschweig und später Hessischer Generalstaatsanwalt in Frankfurt/Main.

Bauer war Mitbegründer der Bürgerrechtsorganisation „Humanistische Union“ und setzte sich für Strafrechts- und Strafvollzugsreformen ein. Auf seine Initiative hin wurde am Landgericht Frankfurt am Main der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ angebracht. In seinen großen Prozessen ging es ihm um eine gesellschaftliche Verantwortung der Justiz und dem Wiederaufbau eines demokratischen Staatswesens und zu diesem Zweck um die konsequente Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts.

1965 eröffnete er die Voruntersuchung für einen Prozess gegen Täter der „Euthanasie“-Morde. In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 starb Fritz Bauer in seiner Wohnung in Frankfurt am Main unter nicht geklärten Umständen. Er wurde tot in der Badewanne aufgefunden. Der geplante Prozess gegen Täter der „Euthanasie“-Morde wurde nie geführt. Bis heute bleibt sein Name mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess und dessen Wirkung verbunden, die eine öffentliche Beschäftigung mit dem Holocaust ab Mitte der 1960er Jahren vorantrieb.